Die Päpste der Katakomben
Heiliger Papst Anicet (regierte von 155-166)
Der Nachfolger des heiligen Papst Pius (I.) war Anicet. Unter ihm kam Polykarp, Bischof von Smyrna nach Rom, um sich mit ihm über kirchliche Fragen, wie es scheint, zu besprechen und namentlich betreffs der Osterfrage zu verhandeln. Polykarp war noch ein Schüler des heiligen Apostels Johannes und von ihm zum Bischof von Smyrna eingesetzt. Er war bereits ein ehrwürdiger Greis und stand in hohem Ansehen. Die römische Kirche feierte das Osterfest jedesmal an dem Sonntag, welcher nach dem Vollmond in der Frühlings-Tag-und-Nacht-Gleiche einfällt, weil an einem Sonntag der Heiland auferstanden ist. In Asien feierte man es aber gerade an dem Tag, auf welchem das Osterfest der Juden fiel. Mit der römischen Kirche hielt es die Kirche von Alexandrien und das ganze Abendland. Die Kirchen von Asien beriefen sich auf den Apostel Johannes, der in Rücksicht auf die vielen Judenchristen die Osterfeier nach der Weise der Juden gestattete. Aus dieser Tatsache, daß er ehrwürdige Apostelschüler nach Rom zum Papst kam, um sich mit ihm zu verständigen, ergibt sich klar und deutlich, daß auch damals wie zu allen Zeiten der römische Papst als das Oberhaupt der Kirche angesehen wurde. Da es sich bei dieser Frage nicht um eine Glaubenslehre, sondern um eine Sache der kirchlichen Disziplin handelte, so ließ Anicet den Polykarp und die Kirchen Asiens bei ihrer bisherigen Gewohnheit bezüglich der Osterfeier und beide schieden in Frieden von einander. Während seines Aufenthaltes in Rom begegnete Polykarp dem Irrlehrer Marcion, mit dem er in seiner Jugend durch die Bande der Freundschaft verbunden war. Marcion stellte an Polykarp die Frage: „Kennst du mich?“ Polykarp antwortete: „Ja, ich kenne dich! Du bist der Erstgeborene des Satans!“ So benahm er sich wie sein Lehrer, der Apostel Johannes, der das Bad verließ, in welchem sich der Irrlehrer Cerinth befand, um nicht mit ihm zugleich von der Strafe Gottes getroffen zu werden. Er gab dadurch zu verstehen, wie sehr diejenigen zu fliehen sind, die den wahren Glauben befehden und Irrlehren verbreiten. – Polykarp erlitt bald nach seiner Rückkehr aus Rom den Martertod, vor ihm noch Anicet. Von dem letzteren kennen wir die Art des Martyriums nicht, … –
aus: Andreas Hamerle C.Ss.R., Geschichte der Päpste, I. Band, 1907, S. 104 – S. 105
Anicet soll in der Grabkammer des Calixtus begraben sein. Im Jahre 1604 wurde sein Leib erhoben und von Papst Klemens VIII. dem Fürsten Johann Angelus zu Hohenems geschenkt. Ein Teil seiner Reliquien soll schon vorher im Jahre 1590 zu den Jesuiten in die Michaelskirche zu München gekommen sein; heute ist dort nichts mehr zu finden. Die Reliquien sind mit einer kostbaren Monstranz im Anfang des 19. Jahrhunderts verschwunden. Den Gedächtnistag des heiligen Anicet feiert die Kirche am 17. April. –
aus: Chrysostomus Stangl, kath. Weltpriester, Die Statthalter Jesu Christi auf Erden, 1907, S. 40