Der große Abfall durch Luther, Zwingli und König Heinrich VIII. zur Zeit Klemens VII.
Auch in kirchlicher Beziehung hatte Klemens nur Unglück zu verzeichnen. Luther hatte sich nach dem Reichstag von Worms auf der Wartburg aufgehalten unter dem Namen eines Ritters Jörg, wo er an der Übersetzung der Heiligen Schrift arbeitete, die er zugunsten seiner Lehre verfälschte. Von einem Protestanten wurden Luther an 1600 falsche Stellen nachgewiesen. Da es aber unter seinen Anhängern drunter und drüber ging und nur großer „Stank und Zank“ herrschte, erschien er wieder in Wittenberg, um den Gegnern in seinem Lager auf die „Schnauze“ zu schlagen. Da Luther das allgemeine Priestertum gelehrt und behauptet hatte, daß jeder Mensch, ob Mann, ob Frau, Priester sei und die Prediger von der Gemeinde angestellt und entlassen werden können, also nur Gemeindediener seien, so drohte alles auseinander zu gehen. Um doch eine Ordnung zu ermöglichen, stellte Luther seine Lehre unter die Staatsgewalt, so daß es jetzt so viele Päpste als weltliche Fürsten oder Machthaber gab. Durch seine aufrührerischen Schriften hatte er sich auch mitschuldig gemacht an dem furchtbaren Aufstand der Bauern, die sich auf die von Luther gepriesene evangelische Freiheit berufend, gegen ihre Herren auftraten. Als er die furchtbaren Gewalttaten und schrecklichen Verheerungen sah, welche die aufgereizten Bauern anrichteten, da forderte er die Fürsten, die ohnehin grausam genug wüteten, zum unbarmherzigen Dreinschlagen auf die verirrten und verhetzten Leute auf. So wurden an 100000 deutsche Bauern erschlagen. Während dieser Zeit fand sich der neue Apostel Luther berufen, mit einer entsprungenen Klosterfrau, Katharina von Bora, Hochzeit zu feiern (1525). Viele gut gesinnte Männer, die anfänglich in der Hoffnung, daß durch Luthers Auftreten die Missstände in der Kirche gebessert werden, seine Partei ergriffen hatten, traten jetzt beim Anblick dieser Schamlosigkeiten Luthers und der entsetzlichen Folgen seines wüsten Treibens von ihm zurück, aber der angerichtete Brand fraß weiter.
Die Fürsten und Magistrate der Städte hatten das lebhafteste Interesse an Luthers Aufruhr, der ihnen das ganze Kirchen-Regiment und die Verfügung über die Kirchengüter anheim stellte. War doch schon 1525 der lockere Hoch- und Deutschmeister des Deutschen Ordens Albrecht von Brandenburg, ein Hohenzollern, auf den Rat Luthers hin zur neuen Lehre übergetreten, worauf er eine dänische Prinzessin heiratete und das geistliche Land des Deutschen Ordens in das weltliche Herzogtum Preußen verwandelte. Die verschiedenen Reichstage, die vom Kaiser zusammen berufen wurden zur Herstellung der Ordnung, verliefen ohne ein greifbares Resultat für die Kirche. Die Päpstlichen Nuntien wurden hingehalten, während die Anhänger Luthers immer kecker auftraten. Der mittlerweile zwischen Kaiser und Papst ausgebrochene Zwist erfüllte die Katholiken mit Betrübnis, während er die Gegner ermutigte und den Kaiser selbst in seinen Bemühungen, die religiöse Einigung herzustellen, lähmte.
Die Bedrängnisse, in welchen Karl und sein Bruder Ferdinand, der Beherrscher der österreichischen Länder, wegen des Ansturmes der Türken sich befanden, beuteten die Lutheraner zu ihrem Vorteil aus und machten ihre Unterstützung von der Bewilligung ihrer Forderungen abhängig. Ja, als 1529 auf dem Reichstag zu Speyer die katholischen Reichsstände, um eine Einigung gegen die Türken zu erzielen, die 1529 Wien belagerten, nur verlangten, es solle bis zu einem allgemeinen Konzil alles im dermaligen Stand bleiben, es sollen keine weiteren Neuerungen eingeführt, die Messe nicht abgeschafft, gegen das heiligste Sakrament nicht gepredigt und niemanden verwehrt werden, dem heiligen Messopfer beizuwohnen, da legten die Neuerer förmliche Verwahrung – einen feierlichen Protest ein. Von diesem Protest erhielten sie den Namen „Protestanten“. Sie versagten hiermit den Katholiken offen die Duldung ihres Kultus. Ein neuer Versuch der Einigung wurde auf dem Reichstag zu Augsburg 1530 gemacht. Die Protestanten überreichten eine von Melanchthon verfaßte und von Luther gutgeheißene Schrift, in welcher die schroffen Sätze Luthers abgeschwächt und gemildert waren. Sie heißt die Augsburger Konfession. Diese Schrift, die scheinbar großes Entgegenkommen von Seiten der Protestanten zeigte und die viele Katholiken mit freudiger Hoffnung auf baldige Einigung erfüllte, war nichts als eine Falle, um die Katholischen zu hintergehen. Luther selbst ermuntert Melanchthon zu dieser Heuchelei: „Wenn wir einmal der Gewalt entronnen sind“, schreibt er, „so werden wir unsere Schliche und Fehler leicht wieder gut machen“. Bald nachher (1531) schlossen die protestantischen Reichsfürsten und Städte einen Bund für ihre Sache zu Schmalkalden und unterhandelten heimlich mit Frankreich und England. Reichsverrat machte ihnen keine Gewissensbisse.
Während es so in Deutschland zuging und der Abfall immer mehr sich verbreitete, wurde in Schweden von Gustav Wasa das Luthertum eingeführt und das Volk systematisch um seinen Glauben betrogen (1527).
In der Schweiz betrat den Weg des Aufruhrs gegen die Kirche Zwingli (1480-1531). Er war ein sittenloser Priester, wie er selbst gestand und ging in seinen Angriffen wider die katholische Lehre noch über Luther hinaus, so daß beide in Fehde aneinander gerieten. Im Jahr 1528 schrieb Luther: „Ein Teil, ich oder Zwingli, muss des Teufels sein, da ist kein Mittel“. Mehrere Kantone entschieden sich für die neue Lehre, während die Urkantone am alten Glauben festhielten. Nicht zufrieden, die Katholiken im eigenen Bezirk zu vergewaltigen, wollten die reformierten Kantone auch die noch der Kirche treu Gebliebenen zum Abfall drängen. Die Verhetzungen Zwinglis hatten schließlich den Erfolg, daß die Züricher gegen die Katholiken ins Feld rückten. Ihnen voran stürmte Zwingli im Panzer zu Pferde, ihnen den Sieg verkündend. Es kam zur Schlacht bei Kappel (1531), in welcher die Züricher geschlagen wurden und Zwingli selbst fiel. „Wirst du beichten und die Mutter Gottes anrufen?“ riefen ihm zwei Kriegsknechte zu. Er schüttelte mit dem Kopf, worauf ihm ein Unterwaldner Hauptmann den Todesstreich versetzte. Die Katholiken hatten sich nun Ruhe erkämpft, aber die Schweiz blieb religiös zerrissen bis auf den heutigen Tag. Die Gesinnung Zwinglis wird durch den Rat charakterisiert, den er einem Geistlichen in Bern gab, der ihn fragte, wie er es machen müsse, um der Irrlehre Eingang zu verschaffen. Zwingli schrieb ihm zurück, er soll allmählich vorgehen, dem Bären nur eine saure Birne unter den süßen vorwerfen, darnach zwei, dann drei, dann saure und süße durcheinander, wenn er einmal anfängt, zu fressen. Zuletzt könne er den ganzen Sack ausschütten, er frisst dann alle auf und läßt sich nicht mehr davon jagen.
Noch ein weiterer großer Abfall von der katholischen Kirche fand unter Klemens VII. statt. Heinrich VIII. Von England trat frühzeitig gegen Luther in die Schranken und verteidigte die von diesem angegriffenen heiligen Sakramente. Dafür erhielt er vom Papst Leo X. (1521) den Ehrentitel: Defensor fidei – Verteidiger des Glaubens. Er war mit der Tante Kaiser Karls V., Katharina von Aragonien (1509), vermählt und lebte mit ihr bis 1527 in glücklicher Ehe. Nach und nach entflammte er in heftiger Leidenschaft für ein Hoffräulein, Anna Boleyn. Er strengte die Nichtigkeits-Erklärung seiner Ehe an, weil Katharina früher mit dem verstorbenen Bruder Heinrichs verheiratet gewesen war. Die Ehe war jedoch mit Dispens gültig geschlossen worden. Während noch der Prozess in Schwebe war, verstieß Heinrich seine rechtmäßige, edle Gattin und ließ sich in der Hofkapelle mit Anna von dem Bischof Cranmer, einer feilen Kreatur des Königs, trauen. Der Papst sprach endlich feierlich am 23. März 1534 die Gültigkeit der Ehe mit Katharina aus und forderte vom König streng, die verstoßene Gattin zurück zu nehmen; er verteidigte so die Heiligkeit der Ehe wie das unterdrückte Recht der gekränkten Frau. Heinrich antwortete damit, daß er dem Papst den Gehorsam aufkündigte, von Rom sich los riß und sich zum Oberhaupt der Kirche Englands erklärte. Unter den schmerzlichen Eindrücken dieser traurigen Ereignisse schied Klemens am 25. September 1534 von hinnen, während ernste Verhandlungen bezüglich der Berufung eines allgemeinen Konzils gepflogen wurden. –
aus: P. Andreas Hamerle C.Ss.R., Geschichte der Päpste III. Band, 1907, S. 540 – S. 543