Kirchenlexikon Die Unfehlbarkeit des Papstes

Kirchenlexikon Die Unfehlbarkeit des Papstes: Die Konzilsaula vom päpstlichen Thron aus gesehen

Kirchenlexikon Die Unfehlbarkeit des Papstes

Zweiter Teil der Reihe zum Stichwort Unfehlbarkeit

Schriftbeweis

Die päpstliche Unfehlbarkeit ist ein notwendiger Ausfluss des Lehrprimates, wie dieser eine logische Ableitung aus dem allgemeinen Jurisdiktionsprimat ist (vgl. Vatican. 1. c., bei Denz. n. 1678:…)

a) Schriftbeweis für die päpstliche Unfehlbarkeit

Wie der Lehrprimat überhaupt, so ist auch die Unfehlbarkeit als dessen innerste Lebensbedingung bereits

α. in den Verheißungs-Worten Christi (Matth. 16,18.19) virtuell enthalten. Unter Zurückverweisung auf die ausführlichere Exegese im Art. Papst IX., 1387ff. Bleibt hier noch zu zeigen, dass die Begriffe des „Felsens der Kirche“ sowie der „Schlüssel-, Binde- und Lösegewalt“ das Charisma der Unfehlbarkeit zur unentbehrlichen Voraussetzung haben.

Wenn Christus (aramäisch) sagt: „Du bist Kephas, und auf diesen Kephas werde ich meine Kirche bauen, und die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen“ (Matth. 16,18), so liegt hierin ein Doppeltes ausgesprochen: die Errichtung der Kirche auf Petrus als ihrem Fundament und die Unüberwindlichkeit der also fundamentierten Kirche gegenüber den Höllenmächten. Die Beziehung der Herrenworte auch auf die Amts-Nachfolger Petri (s.d. Papst IX., 1393ff.) erscheint schon durch die Idee der Kirche als einer bis zum Weltende dauernden Institution (Matth. 28,20; Joh. 14,16; Eph. 3,21; 4,12f.; vgl. Is. 9,7; Dan. 2,44; Os. 2,19) außer allen Zweifel gesetzt (…).

Nun gehört aber, wenn überhaupt etwas, so sicher die Unverirrlichkeit im Glauben, die Unmöglichkeit des Abfalles zur Häresie zum innersten Wesen der christlichen Kirche (s.d. Art VII, 493ff.), die da ist „eine Säule und Grundfeste der Wahrheit“ (1. Tim. 3,15; vgl. Joh. 14,26; 16,13). Ist also Petrus bzw. der Papst der „Fels der Kirche“, so muss er als solcher vor allem in der unversehrten Verkündigung des wahren Glaubens sich bewähren; denn die Begriffe „Fels der Kirche“ und „Grundfeste der Wahrheit“ sind miteinander vertauschbar.

Gesetzt den Fall, die Petra Ecclesiae könnte die Gläubigen autoritativ zu einer Häresie anhalten, so hätte Christus, wie der törichte Baumeister, seine Kirche auf Sand statt auf einen Felsen gebaut (vgl. Matth. 7,26), und die Pforten der Hölle hätten sie überwältigt (…). Folglich steht und fällt der ganze Bau mit der Unfehlbarkeit des Felsenmannes in Glaubenssachen (…). Gleichwie der „Kirchenfels“ sich von selbst zum unfehlbaren „Glaubensfelsen“ auswächst, so die dem hl. Petrus verliehene Schlüsselgewalt (s.d. Artikel) zur unfehlbaren Lehrgewalt.

Denn das Himmelreich, dessen Schlüssel Petrus und seine Amtsnachfolger von Christus empfingen, ist wesentlich ein Reich der Wahrheit (Joh. 18,37; 1. Tim. 3,15), eine Kirche von Rechtgläubigen (Hebr. 11,1ff.)…, die vom wahren Glauben niemals abfallen kann; folglich kann die päpstliche Schlüsselgewalt keine göttliche Vollmacht zur Verpflichtung auf falsche Glaubenssätze sein. Vielmehr setzen die Dauer, Festigkeit und Einheit der hörenden Kirche die aktive Unfehlbarkeit der claves fidei (…) als unerlässliche Vorbedingung voraus. Ein anderer Ausdruck für die Schlüsselgewalt ist die sog. Binde- und Lösegewalt, welche dem hl. Petrus in höherer Form und größerem Umfange verliehen wurde als dem Apostelkollegium (vgl. Matth. 16,18f.; 18,18).

Denn dadurch, dass der Schlüsselträger zugleich Fels der Kirche ist, charakterisiert sich seine Binde- und Lösegewalt nach Inhalt und Umfang als eine unbeschränkte, allgemeine und unabhängige, während die von Christus geforderte Unterordnung der Apostel unter den Einen Felsenmann von selbst eine Beschränkung und Abhängigkeit ihrer Gewalten nach sich zieht. Unter die gesetzgebende und richterliche Gewalt fällt aber, wie die Art unter die Gattung, die souveräne Vollmacht zu Glaubensvorschriften, sowie zur definitiven und bindenden Entscheidung über die Orthodoxie oder Heterodoxie auftauchender Lehrmeinungen.

Nun ist es unmöglich, dass Gott die Menschen unter Androhung der ewigen Verdammnis (vgl. Matth. 10,40; 28,20; Mark. 16,16; Luk. 10,16; Joh. 13,20) zur unbedingten Annahme von Sätzen verpflichten wollte, welche möglicherweise falsch wären und folglich im Himmel nicht gutgeheißen werden könnten. Denn entweder gehorcht die hörende Kirche dem Papst oder sie gehorcht ihm nicht; im ersten Falle wäre es um die Rechtgläubigkeit, im zweiten um die Glaubenseinheit der Kirche Christi, in beiden Fällen aber um sie selbst geschehen. –

β. Mit der tatsächlichen Verleihung des Primates hat Christus nach seiner Auferstehung dem Petrus einschlußweise auch das Charisma der Infallibilität mitgeteilt: „Weide meine Lämmer, meine Schafe“ (vgl. Joh. 21,15ff.). Wie dem „guten Hirten“ (vgl. Joh. 10,1ff.), so untersteht auch seinem sichtbaren Stellvertreter die ganz christliche Herde: Lämmer und Schafe. Nun besteht die allein zuträgliche Nahrung der Gläubigen gerade im wahren Glauben (vgl. Jer. 3,15), das schlimmste, todbringende Gift aber in der Häresie (…)

Folglich schließt der Auftrag Christi an Petrus, die ganze Herde zu leiten und zu weiden, die Unmöglichkeit ein, Irriges in Glaubenssachen zu lehren; denn dem verliehenen Amt gebührt die notwendige Amtsgnade, ohne welche die Erfüllung jenes illusorisch würde. Allerdings liegt in dieser Exegese die unabweisliche Konsequenz, dass auch der Episkopat, obschon selber zur lehrenden Kirche gehörig, in seinem Verhältnis zu Petrus oder dem Papst mit den einfachen Gläubigen zur hörenden Kirche herabsinkt; denn obschon die Bischöfe nach göttlichem Willen zwar auch ihre eigenen Herden leiten und weiden sollen, (vgl. Apg. 20,28), so bleibt doch der Einzelbischof so gut wie der Gesamtepiskopat in seiner Hirtentätigkeit dem obersten Hirten, dem Papst, untergeordnet (…).

Mit den Gallikanern und Altkatholiken behaupten, eine päpstliche Glaubensentscheidung schöpfe ihre Verbindlichkeit und Unfehlbarkeit erst aus der nachträglichen Zustimmung der Bischöfe, heißt die Worte Christi in ihr Gegenteil verkehren, indem nicht der Hirt die Herde, sondern umgekehrt die Herde den Hirten auf gute Weide führen und von schlimmen Irrpfaden zurückhalten müsste. (…) –

γ. Eine unmittelbare Beziehung auf die päpstliche Unfehlbarkeit (vgl. Vatican. 1.c., bei Denzinger n. 1679) enthalten die Worte Christi (Luk. 22,31.32): „Simon, Simon! Siehe, de Satan hat verlangt, euch sieben zu dürfen wie den Weizen; ich aber habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht gebreche; und du dereinst deinerseits stärke deine Brüder.“ Drei Momente treten hier hervor: die Aussicht auf heftige Glaubensanfechtungen des ganzen Apostelkollegiums durch den Satan, die Versicherung wirksamen Gebetes speziell für die Glaubensfestigkeit des Petrus, der feierliche Auftrag an Petrus zur Stärkung seiner Brüder im Glauben.

Die fabillistische Deutung der Perikope auf die persönliche Verleugnung und Wiedererhebung des Petrus in der Passionsnacht, unter positiver Ausschließung jedweder Beziehung auf den fortdauernden Primat, hat innere wie äußere Gründe gegen sich.

„Denn die Worte wie die Gebete des Herrn waren nicht bloß auf die einzelne Person, auf den nächsten Moment gerichtet, sondern sie waren grundlegend und bauend, sie galten vor allem der Kirche und deren zukünftigen, von ihm im Geist geschauten Bedürfnissen. So betete er damals mit seinem über alle folgenden Zeiten hinausreichenden Blick für die Einheit der Glieder der Kirche, damit diese Einheit der Welt ein stets redendes Zeugnis der Wahrheit seiner göttlichen Sendung sein möge“ (Döllinger, Christentum und Kirche in der Zeit der Grundlegung…). In der Tat steht die Bezugnahme Christi auf die Verleugnung Petri nichts weniger als fest. …

Die Anfechtungen Satans dauern aber ebenso lange fort als die Anstürme der Höllenpforten, d. h. so lange, als die Kirche bestehen wird: folglich muss auch die Pflicht der Glaubensstärkung Petrus obliegen, nicht insofern er eine Privatperson, sondern weil er der Fels der Kirche ist. Ist dies aber der Fall, so erbt sich auch Petrus` Unfehlbarkeit mit dem Primat von selbst auf die Päpste fort (…). …

Traditionsbeweis

b) Traditionsbeweis für die päpstliche Unfehlbarkeit

… – Während des 4. Jahrhunderts fließen die Zeugnisse in dem Maße reichlicher, als das Auftauchen großer Häresien das Hervortreten des päpstlichen Lehrprimates aus seiner bisherigen Zurückhaltung immer mehr zur gebieterischen Notwendigkeit machte… In voller Übereinstimmung hiermit nennt Chrysostomus den hl. Petrus die „Basis der Kirche“, den „Felsen des Glaubens“, den „Christus zum Lehrer des Erdkreises bestellte“ (…)…. Schlagend argumentiert hieraus Hergenröther: „Ist der Papst Lehrer aller Christen, so ist er auch der Lehrer der Bischöfe; müssen die Bischöfe sich seinem Lehrspruch fügen, so ist er unfehlbar, oder es wäre es auch die Kirche nicht.“… –

γ. Dem päpstlichen Anspruch auf Unfehlbarkeit kommt als Bestätigung die historische Tatsache entgegen, dass noch kein Papst im Laufe der Jahrhunderte der Gesamtkirche einen Glaubensirrtum ex cathedra aufgenötigt und so die Kirche Christi auch nur zeitweilig ins Verderben gestürzt hat. Vielmehr hat der päpstliche Stuhl von Petrus bis Leo XIII. (Anm.: heute können wir sagen bis Pius XII.) die Glaubenseinheit energisch gewahrt und verteidigt, Häresien und unkirchliche Lehren erfolgreich abgewehrt und hierdurch in Wahrheit sich als Felsen der Kirche, als Hirten der Christenheit, als Glaubensstärker bewährt.

Einer so auffallenden Tatsache kann aber nur ein Prinzip, ein Gesetz zu Grunde liegen, nämlich der göttliche Beistand oder, was dasselbe ist, das Charisma der Infallibilität… „Die Päpste sind unter den mannigfachsten, selbst ungünstigsten Verhältnissen vom Irrtum in Glaubensentscheidungen frei geblieben.“ (Gutberlet, Apologetik III…)

Die von Döllinger und schon vor ihm von den Magdeburger Centuriatoren, Gallikanern, Richerianern, Jansenisten, Febronianern herbeigeschleppten Beispiele sogen. irriger Lehrurteile, der Hauptsache nach bereits von Bellarmin (De Rom. Pontifice 4,8-14) und Billuart (De regula fidei diss. 4, art. 6, §2) meisterhaft widerlegt, erwiesen sich bei näherem Zusehen fast alle als grobe Missverständnisse oder arge Übertreibungen, entweder, weil man die Unfehlbarkeit verkehrter Weise in die Motive und Begründungen statt ins eigentliche Urteil verlegte (vgl. den Art. Unam sanctam), oder weil man für Kathedral-Entscheidung ausgab, was keine war, ja nach den oben I, 3 angegebenen Einschränkungen gar keine sein konnte (vgl. beispielsweise die Art. Galilei, Hexenprozeß, Vigilius…)

Von der Evidenz der Tatsachen überwältigt, hat man die meisten Einwürfe als minder haltbar zuletzt fallen gelassen bis auf zwei Fälle, welche sich an die Namen der Päpste Liberius und Honorius knüpfen. Allein auch hier gelangt eine vorurteilsfreie Nachprüfung des kirchenhistorischen Materials zur Einsicht, dass bei den angeschuldigten Päpsten weder ein persönlicher Abfall zur Häresie noch eine wirksame Entscheidung ex cathedra vorlag (s. das Nähere in den Artt. Liberius VII, 1951ff. und Honorius VI, 240ff.).

Was die sonstigen Schwierigkeiten betrifft, die namentlich aus den Anschauungen der Konzilien von Konstanz und Basel (s.d. Artt.) sowie aus den sogen. Gallikanischen Freiheiten (s.d. Art.) sich ergeben, so darf gewiss die zur Befreiung aus einer kirchlichen Notlage ad hoc ersonnene Theorie von der Superiorität des Konzils über den Papst ebenso wenig zum Glaubensmaßstab erhoben werden, wie die empörende Politik eines herrschsüchtigen, vom Papst selbst und dem übrigen Klerus hierin im Stich gelassenen katholischen Staates (vgl. Denzinger n. 1192. 1461).

Nicht die Lehre von der unfehlbaren Autorität der Päpste, sondern die Konstanzer Theorie des Concilium super Papam sowie die gallikanische Verstümmelung des päpstlichen Primates ist als eine unerhörte Neuerung in der Kirche anzusehen… Die Päpste selbst kümmerten sich freilich um den Gallikanismus so wenig, dass sie in den jansenistischen Streitigkeiten fest zugriffen und von den Franzosen für ihre Lehrurteile strikten Glaubensgehorsam forderten und schließlich auch erlangten. – Über die theologischen Beweise für die päpstliche Unfehlbarkeit aus dem monarchischen Wesen und der Indefektibilität der Kirche, sowie aus der Stellung des Papstes zum allgemeinen Konzil vgl. Heinrich II, §100… –
Quelle: Wetzer und Welte`s Kirchenlexikon, Bd. 12, 1901, Sp. 240 – Sp. 248

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