Die Mission der Jesuiten in Paraguay – ein Denkmal der Macht des Christentums
Die Mission der Jesuiten in Paragauy wird ein ewiges Denkmal der Macht des Christentums, der hohen Weisheit, des brennenden Eifers und der barmherzigen Liebe der Jesuiten, aber auch ein Denkmal der schmachvollen Grausamkeit ihrer Feinde sein.
Am Fuße der mit ewigem Schnee bedeckten Gebirge der Kordilleren, am Strom Paraguay, dehnen sich unermeßliche Wälder aus, in welchen eine große Zahl Wilder wohnte, die mehr dem Tier als Menschen ähnlich waren. Dorthin war nur ein schwacher Hall des Namens Jesu gedrungen; der abscheuliche Götzendienst und die schauerlichste Grausamkeit herrschte unter diesen Unglücklichen, doch kannten sie auch die Laster der Spanier noch nicht. In diese dichten Wälder nun, die noch kein Fuß eines weißen Mannes betreten, drangen die Jesuiten. Nur das Brevier unter dem Arm, ein großes Kruzifix in der rechten Hand und ohne andere Stütze, als ihr Vertrauen auf Gott, brechen sie sich Bahn durch diese Wälder, die noch keine Art gesehen, die Tausende von Jahren schon den Boden beschatteten und nichts als Schlangen, Tiger und Löwen und andere Tiere in ihrem Schoß bargen. Sie durchschreiten die Sümpfe bis am Gürtel im Wasser, sie übersteigen die Felsenwände, sie übersetzen die Abgründe, sie dringen in die Höhlen und suchen die Wilden auf. Mehrere von ihnen starben Hungers; andere werden von den Wilden gemordet und aufgefressen. Endlich nach unsäglichen Gefahren und Nöten gelingt es ihnen, einige von den Menschenfressern zu gewinnen und um sich zu sammeln.
Der Beginn der Mission
Als die Missionare bemerkten, daß die Wilden große Neigung zur Musik zeigten, so lehrten sie nun ihre Neubekehrten singen, bestiegen dann mit ihnen ihre Kähne, ließen sie langsam an den Ufern der Flüsse dahin fahren und heilige Lieder singen. Der Schall der lieblichen Lieder lockte die Wilden von den Bergen, aus den Einöden und Höhlen hervor; einige, wie bezaubert von den wunderbaren Klängen, stürzten in das Wasser und schwammen den Kähnen nach. Pfeile und Bogen warfen sie weg und folgten nun den Missionaren, wohin diese sie führten.
So entstand die erste Niederlassung, welche die beiden Pater Mazeta und Kataldino leiteten und Loretto nannten. Als in der Folge mehrere Kirchen sich erhoben, um welche sich Gemeinden neu bekehrter Indianer sammelten, so hieß man diese Niederlassung Reduktionen, deren in wenigen Jahren gegen dreißig sich bildeten.
Aufbau der Reduktionen
Einer jeden Reduktion standen zwei Missionare vor, welche die geistlichen und weltlichen Angelegenheiten leiteten und die Wilden und ihre Kinder in allen nützlichen Handwerken, sowie in Musik und Gesang unterrichteten. Sobald ein Kind 7 Jahre alt geworden, erforschten die Missionare seine Neigung und bestimmten es dann zu einem Handwerk oder zum Ackerbau. Alle Arten von Handwerken wurden getrieben, damit die Indier ihre Bedürfnisse selbst befriedigen konnten und von den lasterhaften Spaniern nichts mehr abzunehmen brauchten. –
Denn die Spanier waren es, welche durch ihre Habsucht und durch ihr schlechtes Beispiel die armen Indier teils vertrieben, teils an Leib und Seele verdarben, weswegen sich die Missionare alle Mühe gaben, die Indier von den Spaniern zu trennen. –
Nur drei Tage durften sich Fremde in den Dörfern der Indier aufhalten. Außer den Gewerben trieben die Indier auch Ackerbau, von dem sie früher gar nichts wissen wollten. Das Ackerland war verteilt unter die Familien; ein größerer Teil davon hieß Gottesbesitz, diesen mussten alle gemeinschaftlich bebauen und der Ertrag gehörte den Witwen, Waisen, Alten und Gebrechlichen; auch wurden davon die Ausgaben für die Kirchen und die Abgaben an den König von Spanien, als Oberherren des Landes, bestritten. Die Arbeit auf den Feldern geschah zu gewissen Stunden, vor der Arbeit wurde gemeinschaftlich gebetet und dem heiligen Messopfer beigewohnt, am Schluß der Arbeit wurde ein schönes Abendlied gesungen. Was an Feldfrüchten gebaut wurde, wurde in einem Magazin des Dorfes aufbewahrt und jede Familie erhielt, was sie bedurfte. Desgleichen erhielten die Frauen und Mädchen am Montag Wolle und Seide, die sie dann gesponnen am Ende der Woche ablieferten. Jede Gemeinde war in mehrere Quartiere abgeteilt, deren jedes einen Oberaufseher hatte. Die Ehen wurden frühzeitig geschlossen; Übertretungen des sechsten Gebotes waren unerhört. –
Wer die Gesetze übertrat, wurde zuerst unter vier Augen gemahnt, im zweiten Fall musste er an der Kirchentür öffentlich Buße tun, dem dritten Fehltritt folgten Rutenstreiche. Während 120 Jahren wurde kein Indier betroffen, der mit Ruten gestraft wurde, so gehorsam waren sie. –
Die Gerichtsbeamten, welche bestellt waren, hatten wenig zu tun; denn es gab wenig Streit oder eine Verletzung des Gesetzes. Die Indier ließen sich leiten wie Kinder und lebten so unschuldig wie sie. Sie wußten nichts von Mein und Dein; ihre geringen Bedürfnisse befriedigten sie durch der Ertrag ihrer Arbeit; das Band der Liebe und Freundschaft umschlang alle. Die Missionare betrachteten sie als ihre Väter und größten Wohltäter. Die Sünde war ihnen das größte Übel; viele Sünden kannten sie nicht einmal dem Namen nach. Ein Bischof schrieb an König Philipp V. von Spanien, daß unter diesen guten Indiern eine solche Unschuld herrsche, daß er fest glaube, es begehe da Niemand eine Todsünde!!
Wie haben, wirst du fragen, die Missionare dieses herrliche Werk zu Stande gebracht, wie haben sie aus dieser Wildnis ein zweites Paradies, aus diesen Menschenfressern so glückliche Menschen gebildet? Ich antworte: Durch die Macht der christlichen Religion, durch ihren Glauben, durch ihr Vertrauen auf Gott, durch ihre Liebe und hohe Weisheit. Die Missionare machten diese wilden Menschen bekannt mit den Geheimnissen des Kreuzes, sie flößten ihrem Herzen Liebe zu Gott und dem Nächsten ein, sie zeigten ihnen durch Wort und Beispiel den Weg zur Glückseligkeit, und siehe da, die noch so harten Herzen konnten der Liebe der guten Missionare nicht widerstehen, sie ergaben sich ihnen und ihr ganzes Wesen wurde von diesen Meistern der Erziehung umgewandelt. Ihre Grausamkeit, ihre Rachsucht, ihr Hang zu allen Arten von Ausschweifungen wich dem Geist der Sanftmut, der Geduld und der Keuschheit; aus Wilden wurden zuerst Menschen, aus Menschen Christen und aus Christen Engel.
Ihre engelreine Unschuld magst du aus der Feier des Fronleichnams-Festes ersehen. Nirgends in der Welt wurde dieses hochheilige Fest so sinnig gefeiert wie bei diesen neubekehrten. Die schönsten Blumen bedeckten und zierten die Wege und Wohnungen, die schönsten Vögel ließen ihren Gesang ertönen in den Käfigen, die an den Bäumen hingen, und Tiger und Löwen, an Ketten gebunden, ließen von Zeit zu Zeit ihr Gebrüll vernehmen, bunte Fische spielten in aufgestellten Wasserbecken, alle Arten von Früchten waren ausgestellt, Musik und Gesang erscholl, während das hochwürdigste Gut in Prozession herum getragen wurde. Die ganze Natur, Blumen und Bäume, Tiere und Menschen sollten dem Heiland der Welt ihre Huldigung darbringen!
So hatten die Jesuiten nach unbeschreiblicher Mühe mit ihrem Schweiße und ihrem Blute das glückliche Volk auf Erden geschaffen, es erneuerten sich unter ihren Händen die ersten Zeiten des Christentums wieder. Zweimal 180000 Seelen lebten in 30 Reduktionen verteilt harmlos und zufrieden unter dem schönsten Himmel der Erde und jetzt – ist Alles zerstört!!!
Die Feinde der Jesuiten zerstören ihr Werk
Die Feinde der Jesuiten ruhten nicht eher, bis dies herrliche Werk vernichtet war. Die frommen Väter mussten ihre geliebten Indier auf Befehl des Königs von Spanien, bei dem man sie verleumdet hatte, verlassen. Arm, wie sie gekommen, zogen sie fort; wie Kinder, deren Vater stirbt, weinten, schrieen und jammerten die Indier, umschlangen ihre Füße, wollten sie nicht ziehen lassen, ja viele von ihnen stürzten sich, als die Missionare die Schiffe bestiegen, in das Meer und schwammen ihnen nach! –
Jetzt ist das schöne Land wieder verwildert; die Indier, von den Spaniern hart bedrängt, verließen ihre Wohnungen und Fluren und zogen sich in die Wälder und Gebirge zurück, oder wurden als Sklaven verkauft und in die Bergwerke geschleppt. Bald fielen sie wieder in ihre alte Wildheit und nichts blieb ihren Nachkommen übrig, als die dunkle Erinnerung, daß einst ihre Väter unter der Leitung der Schwarzröcken, so nannten sie die Jesuiten, glücklich und zufrieden gelebt, böse Menschen aber ihr Glück zertrümmert haben, und diese bösen Menschen waren – die Feinde der Jesuiten, die sogenannten Aufgeklärten! –
aus: Georg Ott, Legende von den lieben Heiligen Gottes, Bd. 2, 1904, S. 1309 – S. 1312