Die Ziele der katholischen Weltmission
Die Ehre des Allerhöchsten
Christus hat seiner Kirche, das heißt: uns Katholiken, den Befehl zur Missionierung der Welt hinterlassen. Was soll damit erreicht werden? Die Pflicht wird an der Liebe einen starken Helfer finden, wenn sie große und edle Ziele vorstellen kann. Hat die katholische Weltmission solche Ziele, die Herzen erobern und dauernd für sich einnehmen können?
Ich stelle die Gegenfrage: Gibt es Größeres für menschliches Schaffen als die Förderung der Ehre des heiligen dreieinigen Gottes bis an die Grenzen der Erde, als den Weltsieg und Welttriumph unseres Königs Jesus Christus und seines Reiches, die Rettung von 800 Millionen Seelen (*) und den wunderbaren rückwirkenden Segen, den die Beschäftigung mit solchen idealen Aufgaben allen Missionsarbeitern eintragen muss? Prüfen wir!
Sinai! Wo immer vom göttlichen Willen die Rede ist, wird man sich deiner erinnern. Auch Jesu letzter Wille läßt dich vor meine Seele treten. Ich sehe dich wieder von Blitzen umzuckt und von Wolken aus Nacht und Feuer umwogt. Und vom Wolkenthron herab höre ich wie Rollen vieler Donner das göttliche Verdammungs-Urteil über das Heidentum: „Ich bin der Herr, dein Gott, du sollst keine fremden Götter neben mir haben!“
An seine Ehre muss der göttliche Gesetzgeber zuerst denken, er würde sonst aufhören, unendlich heilig zu sein. Nur er selbst ist das höchste Gut und darum allein ein ganz würdiges und angemessenes Ziel seines göttlichen Schaffens. Er ist der Erste und der Letzte, und außer ihm ist kein Gott (Is. 44, 6). Darum hat er alles seinetwegen gemacht (Spr. 16, 4), und er muss verlangen, daß ihm alle seine Geschöpfe huldigen. „Ich habe bei mir selbst geschworen, ein gerechtes Wort geht aus von meinem Munde und wird nicht zurück genommen: mir soll sich beugen jedes Knie, mir soll schwören jede Zunge“ (Is. 45, 23). Diese Huldigung ist sein unveräußerliches Recht. Die vierundzwanzig Ältesten legen ihm anbetend ihre Kronen zu Füßen und bekennen: „Würdig bist Du, Herr, unser Gott, zu nehmen Ehre und Preis; denn Du hast alles erschaffen, und durch Dein Wollen war es und ward erschaffen“ (Offb. 10, 11). So jubeln denn die Engel dem Herrn die Heerscharen ihr Heilig, heilig, Heilig zu, und die Erde ist seiner Herrlichkeit voll (Is. 6, 3). Die Himmel erzählen die Ehre Gottes, und das Firmament verkündet die Werke seiner Hände (Ps. 18, 2); die Morgensterne allzumal loben ihn, und alle Gotteskinder jauchzen vor ihm (Job 38, 7); denn er sprach, und sie sind geworden, er befahl, und sie wurden geschaffen, er stellte sie fest auf immer und ewig (Ps. 148, 5).
Wie steht`s nun mit der Ehre Gottes in der Schöpfung? Die Gotteskinder des Himmels ehren den Allerhöchsten immerdar; auch die vernunftlose Schöpfung erfüllt in allem seinen Willen. Nur der frei erschaffene Mensch kann der Ehre Gottes entgegen handeln, er kann zu Gott sprechen: „Ich will Dir nicht dienen!“ Von dieser Freiheit, Gott die schuldige Ehre verweigern zu können, hat er leider ausgiebig Gebrauch gemacht, am schlimmsten durch Götzendienst. Das Heidentum ist die furchtbarste Pflichtvergessenheit der Menschheit, ist ein riesengroßer Abbruch an der Ehre und Verherrlichung Gottes.
Darum hat der göttliche Gesetzgeber in der flammenden Sprache des Sinai und unauslöschlich in Stein gemeißelt seinen Abscheu gegen den Götzendienst Ausdruck gegeben. An Israel aber sehen wir, wie ernst es ihm ist mit den drei ersten Geboten, die er als Wächter seiner Ehre aufgestellt hat. Die schwersten Heimsuchungen und härtesten Strafen brachen über Israel stets dann herein, wenn es der Ehre seines Gottes uneingedenk sich fremden Göttern zuwandte. Der Herr ließ ihm auch keinen Zweifel, warum seine Zuchtrute so scharf hernieder fuhr: „Du sollst inne werden und einsehen, wie böse und bitter es ist, daß du den Herrn, deinen Gott, verlassen“ (Jer. 2, 19).
Trotz Sinai und tausendfacher Begnadigung, trotz gütiger Propheten-Führung und harter Strafgerichte erwies sich Israel als schlechter Hüter der Ehre seines Gottes. Der Herr musste das unbrauchbare Werkzeuge verwerfen und seine Ehre besseren Händen anvertrauen: er sandte seinen Sohn als Anwalt seiner Ehre in die Welt. Wir wissen es, mit welcher Treue sich dieser seinem Auftrag widmete, wie er dafür betete, arbeitete, eiferte, entsagte, litt und sich auf dem Hochaltar des Kreuzes im blutigen Opfertod dahin gab. Mit wieviel Recht konnte er am Abend seines Lebens beten: „Vater, ich habe Dich verherrlicht auf Erden!“
Entzückt über diesen ergreifenden Eifer Jesu für die Ehre seines Vaters öffnet sich wiederholt der Himmel, und laut preist die Stimme des Vaters den Sohn, an dem er unendliches Wohlgefallen hat.
Christus verlangt denselben Eifer für Gottes Ehre bei seinen Jüngern. Als die Apostel ihn baten: „Herr, lehre uns beten!“, da gab er ihnen als erstes und dringendstes Gebetsanliegen die Verherrlichung des göttlichen Namens. „Geheiligt werde Dein Name; zukomme uns Dein Reich; Dein Wille geschehe wie im Himmel, also auch auf Erden!“
Diese drei ersten Bitten des Vaterunsers sind eine Wiederholung der drei ersten Gebote von Sinai. Es liegt ein göttlicher Plan darin. Wie Israel am Anfang seiner Auserwählung durch die drei ersten Sinaigebote zum Hüter der göttlichen Ehre gegenüber der alten Heidenwelt bestellt ward, so überträgt Christus dieses selbe Wächteramt dem auserwählten Volk des Neuen Bundes, der Christenheit, in den drei ersten Bitten des Vaterunsers. Er legt es als Gebet auf ihre Lippen, als Sehnsucht in ihre Herzen, und im Missionsbefehl als heilige Pflichtaufgabe in ihre Hände. Geht und lehrt alle Völker und tauft sie im Namen und zur Ehre des heiligen dreieinigen Gottes! – Seit 1900 Jahren verwaltet die Christenheit dieses Erbe Jesu. Wie steht es nun heute um die Ehre Gottes in der Welt?
Schauen wir auf die Heidenländer! Der Fortbestand des Heidentums bedeutet einen ungeheuren Abbruch an der Ehre Gottes, ist ein fortwährender Verlust an der ihm gebührenden Verherrlichung. Diese Tatsache wird in der Missions-Propaganda zu wenig betont. Und doch begründet gerade sie vor allem unsere Missionspflicht, und sie muss das stärkste Motiv unseres Missionseifers sein.
Diese xxx Millionen Heiden sind auch von Gott erschaffen; sie werden von ihm erhalten, ernährt und beschützt. Er ist ihr Schöpfer, ihr Herr, ihr größter Wohltäter und freigebig treu besorgter Vater. Tausend Gründe gibt es, daß sie ihn allein anbeten, ihn verehren, ihn dankbar lieben. Aber diese ungeheure Menschenmasse bekümmert sich nicht um den wahren Gott; sie behandelt ihn, als ob er nicht existiere; sie gibt seine Ehre falschen Göttern und Dämonen. Denn „sind nicht alle Götter der Heiden Dämonen!“ (Ps. 95, 5)
Welch ein Verlust an der Verherrlichung Gottes ist diese Ausdehnung und Fortdauer des Heidentums in der Welt! Alle diese vielen Millionen müssten anbetend in die Knie sinken. Aus ihren herzen sollte Lob und Preis wie die Weihrauch-Wolken von unseren Altären zum Allerhöchsten empor steigen, und ihre Lippen sollten nicht müde werden, den Freudengesang der katholischen Kirche zu wiederholen: „Die Ehre sei dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist!“
So müsste es ein! Aber seit Jahrtausenden schon ist mehr als die Hälfte der Menschen ohne die wahre Gottesverehrung und verhindert die einmütige Verherrlichung des göttlichen Namens, so wie sie ihm gebührt. Bei dem größtenTeil der Völker Asiens und Afrikas ist der wahre Gott noch unbekannt in seiner eignen Schöpfung, unter seinen eigenen Geschöpfen. Das Heidentum hat Gott aus seinem Eigentum verdrängt, ihn abgesetzt, soweit es konnte, und teuflische Kreaturen auf den Thron Gottes erhoben.
Ist es nicht wahr, daß der Bestand, die große Ausdehnung und Fortdauer des Heidentums ein ungeheurer Abbruch an der Ehre Gottes ist?
Gewiß, die Heiden wissen dies nicht. Aber das ändert nichts an der Tatsache, daß dem allerhöchsten die ihm gebührende Anbetung und Verherrlichung von dem größten Teil der Menschheit vorenthalten wird, daß es um seine Ehre in der Welt schlecht bestellt ist.
Wenn die Heiden dies auch nicht verstehen, so verstehen es doch die Christen, und sie wissen es, daß Gott von ihnen verlangt, für seine Ehre in der Welt zu sorgen. Ungestraft werden sie diese höchste Pflicht nicht vernachlässigen. Fluch und Segen knüpften sich daran für die Christenheit. Tut sie nun wirklich, was sie kann, um diese heiligste Pflicht zu erfüllen? –
Aber nicht nur die Pflicht muss uns dazu zwingen, für die Ehre Gottes zu eifern, auch Dankbarkeit und Liebe müssen uns dazu drängen. Kann ein Katholik mit glaubensvollem Herzen, der seinem göttlichen Wohltäter aufrichtig zugetan ist, gleichgültig auf die Heidenwelt hinschauen, die die Ehre Gottes so großen Abbruch tut? Können wir gleichgültig hinblicken auf jene großen, dunklen Ländern mit ihren vielen Millionen Menschen, die ohne Anbetung, ohne Opfer, ohne Dank gegen ihren Schöpfer dahin leben?
Der Gedanke daran hat einem hl. Franziskus Xaverius und unzähligen anderen frommen Christen heiße Tränen ausgepreßt und sie angetrieben, alles zu verlassen und unter den größten Entbehrungen und Leiden hinaus zu eilen in die Heidenländer, um die Heiden zu Anbetern des einen wahren Gottes zu machen. Das ist der praktische Ausdruck zu dem Wunsche und Gebet: „Geheiligt werde Dein Name!“ „Dann kann von jemand gesagt werden, daß er für Gott eifert, wenn er dasjenige, was gegen die Ehre und den Willen Gottes ist, nach Kräften zu verhindern sucht.“ (Thomas von Aquin)
Das Missionswerk ist ein heiliger Kreuzzug für die Ehre Gottes, den der Allerhöchste selbst uns aufgetragen, wozu aber auch die Liebe zu ihm uns naturgemäß drängen muss. Darin gipfelt sein höchster und vornehmster Zweck.
Das katholische Herz kann und darf auf diesen Missionseifer für die Verherrlichung des göttlichen Namens nicht verzichten; es offenbart sich darin die richtige Gottesverehrung. Möge diese Erkenntnis wachsen und durch das Wachsen der katholischen Missions-Betätigung immer machtvoller aus allen Ländern und Völkern der Lobgesang zum Himmel empor rauschen: „Die Ehre sei dem Vater, dem Sohne und dem heiligen Geist!“ –
aus: Hermann Fischer SVD, Jesu letzter Wille, 1923, S. 57 – S. 63
(*) Stand 1923; siehe Statistikdaten