Wie fromme katholische Fürsten ihre Reiche der Lieben Frau durch ein feierliches Gelübde widmen
III. Kaiser Ferdinand III. von Österreich.
Als im Jahre 1647 der Kaiser von Deutschland, Ferdinand III., von seinen Feinden, besonders von den Schweden, hart bedrängt wurde, und nicht bloß dem katholischen Glauben, sondern auch der Freiheit und Unabhängigkeit Deutschlands die größte Gefahr drohte, da sah der fromme Monarch kein zuverlässigeres Mittel, um Kirche und Staat vor dem Untergang zu retten, als indem er sich unter den Schutz Maria flüchtete, die mit Recht die „Hilfe der Christen“ genannt wird. Er beschloss daher, seine Person, seine Familie und sein ganzes Land dem besonderen Schutze Maria anzuvertrauen, sich durch ein Gelübde zu ihrer Verherrlichung zu verbinden, und zu ihrer Ehre auf dem Platze am Hofe ein würdiges Denkmal zu errichten.
Sobald die Absicht des Kaisers bekannt war, wurde sie von dem Magistrat und der Bürgerschaft Wiens, von den Ständen Österreichs, von der Geistlichkeit, von dem gesamten Volk mit Freuden ausgenommen, und es wurde einmütig beschlossen, daß man sich und seine Nachkommen durch ein Gelübde verpflichten wolle, um in Zukunft auf ewige Zeiten das Fest der unbefleckten Empfängnis Mariä am 8. Dezember alljährlich mit aller möglichen Feierlichkeit zu begehen, und am vorher gehenden Tag zu fasten, und daß Maria als Patronin und Beschützerin Österreichs ernannt werden sollte. Zur Abhaltung dieser Feierlichkeit wurde der 18. Mai 1647 bestimmt. Wien feierte noch nie ein schöneres Fest als dieses. Der Hof, der Adel, die Geistlichkeit, die Bürgerschaft, das ganze Land, alle Stände und Klassen, wollten Teil nehmen an diesem freudenvollen Ereignis. Schon beim Anbruch des ersehnten Tages waren alle Plätze und Strassen Wiens mit Menschen übersät. Um 8 Uhr Morgens begab sich der Kaiser zu Fuß im feierlichen Aufzug aus der Kirche der Augustiner zu der Kirche der Jesuiten am Hof, wo dieses herrliche Fest gefeiert werden sollte. Der Kaiser war umgeben von seinem ganzen Hofstaat. Ihm zur Rechten und Linken gingen Ferdinand der IV., damals König von Böhmen, und die Erzherzogin Maria Anna, verlobte Königin von Spanien. Im Gefolge waren der päpstliche Nuntius, die Botschafter von Spanien und Venedig, alle fremden Gesandten, der Adel, der gesummte Säkular- und Regularklerus, alle Behörden und Stände und Klassen. Auf dem Platze am Hofe im Angesicht der eben errichteten Säule, wurde zuerst im Freien eine ergreifende Predigt über die Feier des Tages und über die Herrlichkeit Mariens gehalten.
Darauf feierte Fürstbischof von Wien, Philipp Friedrich, in der Kirche das Hochamt. Und als der Kaiser nach dem Agnus Dei, wie gewöhnlich, von dem Subdiakon den Friedenskuss empfangen hatte, trat er zum Hochaltar hervor, und übergab dem Oberstkämmerer seinen Degen, kniete in Demut vor dem Altar nieder, und während der pontifizierende Bischof mit der heiligen Hostie in der Hand sich umdrehte, legte er mit lauter Stimme folgendes Gelübde ab:
„Allmächtiger, ewiger Gott, durch welchen die Könige regieren, und in dessen Hand alle Gewalt und alle Gerechtsamen der Königreiche liegen: Ich, Ferdinand, werfe mich vor deiner göttlichen Majestät in Demut nieder, und in meiner und meiner Nachfolger Namen, sowie im Namen dieser ruhmvollen Provinz Österreich, ernenne ich und erwähle ich heute die unbefleckte jungfräuliche Mutter deines Sohnes zur besonderen Gebieterin und Schutzfrau dieses Erzherzogtums. Überdies verspreche und gelobe ich, daß das Fest ihrer unbefleckten Empfängnis, welches auf den 8. Dezember fällt, alljährlich mit.vorhergehendem Fast- und Abstinenztag in dieser ganzen Provinz als ein gebotener Festtag feierlich gehalten werden soll. Dich bitte ich, o allerhöchste Beherrscher des Himmels und der Erde, der, du, was deiner Mutter geschieht, so ansiehst, als wenn es dir selbst geschehen wäre, nimm doch dieses mein Gelübde, welches du mir eingegeben hast, gnädiglich auf, und strecke deine Hand aus, um mich, mein Haus und die mir untergebenen Völker zu schützen. Amen.“
Als der Monarch dieses Gelübde abgelegt hatte, empfing er aus der Hand des Fürstbischofs die heilige Kommunion und kehrte darauf zu seinem Thron zurück. Nach beendigtem Hochamt begab sich der Kaiser mit dem nämlichen Gefolge aus der Kirche auf den Platz, wo das Denkmal zur Ehre Mariä errichtet war. Die Einsegnung desselben wurde dann vom Fürstbischof unter freudigen Lob- und Dankgesängen und unter dem Donner der Kanonen vollzogen. Des Abends wurde der ganze Platz, besonders aber die herrliche Säule mit dem Bildnis Mariä auf das Prachtvollste beleuchtet; und der Kaiser, die Kaiserin, die Prinzen und Prinzessinnen wohnten wiederum diesem freudigen Schauspiel bei. Vor dem Bild Mariä wurde darnach die Lauretanische Litanei mit anderen Lobgesängen abgesungen, und zum Schlüsse der Feierlichkeit wurde vom Bischöfe dem gesamten Volk der Segen gegeben. So endigte dieser glorreiche Tag, und das Vertrauen, welches man auf die unbefleckte jungfräuliche Mutter gesetzt hatte, wurde alsbald auf die erfreulichste Weise belohnt. Der Gott der Heerscharen verlieh den Waffen des Kaisers den Sieg. Die Schweden wurden geschlagen und aus dem Land vertrieben; Deutschlands Freiheit wurde gerettet; Österreich blieb im Besitze des kostbarsten Kleinodes, des Glaubens, und noch bis auf den heutigen Tag ist es unter dem Schutze Mariä mächtig und glücklich. Die prachtvolle Bildsäule mit ihren verschiedenen Sinnbildern, welche Ferdinand inmitten auf dem Platz am Hof errichtete, erinnert noch heute die Bewohner Wiens, die Völker Österreichs, daß Maria ihre Patronin, ihre Schutzfrau sei. — Welch‘ ein Trost, welch‘ eine Aufmunterung liegt nicht in diesem Gedanken! –
Und wenn wir fortfahren, auf Maria unser Vertrauen zu setzen, sie zu verehren und anzurufen, und durch Treue und Eifer im Glauben, sowie durch Reinheit der Sitten ihres mächtigen Schutzes uns würdig machen, gewiß, sie wird auch ferner mütterlich für uns sorgen und uns beistehen in allen Gefahren und Nöten! –
aus: Georg Ott, Marianum Legende von den lieben Heiligen, Zweiter Teil, 1869, Sp. 1945 – Sp. 1947