Woher kommen die Uneinigkeiten im Ehestand?
Die allgemeine Ursache aller Uneinigkeit ist die Gottvergessenheit und das sündhafte Leben so mancher Ehegatten. „Die Gottlosen haben keinen Frieden“, spricht der Herr selbst (Isai. 57, 21), dagegen haben viel Frieden diejenigen, welche das Gesetz Gottes lieben. Nur wo guter Wille ist, da ist Ruhe; daher die Engel sangen: „Friede denMenschen, die eines guten willens sind.“ Aber bei lasterhaften, nur den Freuden der Welt, der Eitelkeit ergebenen Ehegatten, da fehlt ja eben der gute Wille, der nur das Wohlgefallen Gottes im Auge hat, daher fehlt auch der Friede. Sind beide Ehegatten lasterhaft, so verbittern sich beide das Leben und machen es sich zur Hölle; ist aber nur Eines der Gatten lasterhaft, so wird der andere Teil immer zu leiden haben, aber doch wenigstens im seligen Frieden mit Gott stehen, wie dies bei Godoleva der Fall war.
Eine besondere Ursache der Uneinigkeit im Ehestand ist gewöhnlich das voraus gehende, sündhafte Leben beider Ehegatten im ledigen Stand. Jahre lang leben sie in verbotener Bekanntschaft, treten, befleckt am Leib und an der Seele, oft nur von Not gezwungen, zum Altar, empfangen unwürdig den Segen des Priesters, weil sie sich nicht wahrhaft bekehrt und durch die Beichte vollkommen gereinigt haben und werden sich nun im Ehestand selbst zur Geißel. Sie finden Ekel an einander, müssen sich, wenn sie einander nur sehen, ihre Lasterhaftigkeit vorwerfen und fühlen, daß Gottes Segen nicht mit ihnen sein kann. Nur eine reumütige, aufrichtige Generalbeichte und der Vorsatz, im Ehestand recht christlich leben und büßen zu wollen, wäre das beste Mittel, so manchen wohl verdienten Strafen zu entgehen.
Eine ferne Ursache ist der Mangel an Überlegung bei der Eingehung einer Ehe, wie es bei Bertulf und Godoleva der Fall war. Eine Ehe einzugehen, ist jedesmal ein wichtiger Schritt, von dem das zeitliche und ewige Wohl abhängt. Eine rechtmäßige Ehe kann in der katholischen Kirche nicht mehr getrennt werden; und wenn die Eheleute nur eine augenblickliche Leidenschaft oder zeitlicher Vorteil zusammen führt, so wandelt sich diese Leidenschaft, wenn sie verraucht ist, gewöhnlich in Überdruss und Widerwillen um, und Geld, Hab und Gut kann ohnehin kein andauerndes Band um die Herzen schlingen.
Da der Ehestand ein Wehestand ist, so brauchen die Eheleute höhere Gnade, göttlichen Beistand, den aber nur jene erhalten, welche ihre Standeswahl mit Gott zuvor beraten haben. – Nie trete daher eine ledige Person in den Ehestand, ohne zuvor zu Gott um Licht gebetet, sorgfältig über das Leben der zu ehelichenden Person Nachfrage gehalten, und einen christlichen Freund, namentlich den Seelsorger oder Beichtvater, um Rat gefragt zu haben. (siehe den Beitrag: Schwierigkeiten des christlichen Ehestandes)
An vielen unglücklichen Ehen sind auch oft Eltern, Anverwandte und Freunde Schuld, die ihren Kindern oder Verwandten aus Stolz, Habsucht, Eigennutz falschen Rat erteilen, sie gar zum Heiraten zwingen, und mehr auf ihre Versorgung als auf ihr ewiges Heil sehen. Auch die Ehen zwischen Blutsverwandten können, wie die Erfahrung vielseitig bestätigt, nicht glücklich sein, da die heilige Kirche dieselben missbilligt.
Eine fernere Ursache unglücklicher Ehen sind oft die Schwiegereltern. Teils wollen dieselben Alles nach ihrem Kopf haben, sind eigensinnig, herrschsüchtig und habsüchtig, und verbittern dann den jungen Eheleuten das Leben, oder hetzen sie gegen einander auf, wie dies auch bei Bertulf und Godoleva der Fall war; teils behandeln auch die jungen Eheleute ihre Schwiegereltern recht schlimm, möchten sie gerne vom Halse haben, vergönnen ihnen das Ausgenommene nicht, oder versagen ihnen sogar dasselbe, wollen sich gar nichts mehr gefallen lassen und Alles besser verstehen, wodurch dann Zwietracht, Uneinigkeit und Prozesse entstehen. Da wäre Demut und Nachgiebigkeit mit christlicher Geduld am rechten Platz. Würden die Jungen und die Alten Jesum, den göttlichen Heiland, recht innig lieben, so würde bald Frieden und Ruhe unter ihnen einkehren.
Wo Jesus ist, da ist Friede und Segen, wo er aber nicht ist, da herrscht der Geist der Zwietracht und Gottes Segen flieht. Darum sollen beide Eheleute das Beispiel des Heilandes und seiner gebenedeiten Mutter nachahmen, geduldig, demütig und ergeben das Kreuz miteinander tragen und ein Gatte für den andern beten.
Godoleva hat doch noch Erhörung gefunden, denn Bertulf hat sich wahrhaft bekehrt; ihre Leiden hat sie Gott für ihn aufgeopfert und Gott hat dies Opfer angenommen und seine Seele war gerettet!
Kann es aber etwas Erhabeneres, als die Rettung einer Seele?
Gebet.
Gütigster Vater im Himmel! Verleihe allen Ehegatten um der Leiden und der Verdienste deiner heiligen Dienerin Godoleva willen Einigkeit und Friede in der Liebe zu dir, durch deinen Sohn Jesus Christus. Amen. –
aus: Georg Ott, Legende von den lieben Heiligen Gottes, Bd. 2, 1904, Sp. 1115 – Sp. 1117
siehe auch den Beitrag: Pius XII.: Einheit und Unauflöslichkeit der Ehe