Heiligenkalender
6. Juli
Die heilige Godoleva Ehefrau und Märtyrerin
Selig sind die Trauernden; denn sie werden getröstet werden.“ (Matth. 5) Diese Verheißung hat Jesus wortgetreu und glorreich erfüllt an der hl. Godoleva, indem Er sie in einen überaus trauervollen Ehestand hinein führte und dann ihre erprobte Geduld mit ewigem und himmlischem Trost belohnte.
Zu Landefort in Flandern von adeligen und reichen Eltern geboren, befliß sich Godoleva von Kindheit an, in Gottes Gegenwart zu wandeln und Ihm allein zu gefallen. Ihr Leib war an Größe, Gestalt und Anmut eine seltene Schönheit; aber sie achtete nicht darauf. Ihre einzige Sorge zielte dahin, ihre nach dem Ebenbild Gottes erschaffene und durch die heilige Taufe zur Kindschaft Gottes geadelte Seele zu heiligen. Und wohl ihr, daß ihre fromme Mutter sie von Jugend auf schon in Gott gefestet hat, sie hätte sonst die schweren Prüfungen, die ihrer warteten, kaum gut bestanden. Ehstand – Wehstand – diese Wahrheit sollte ihr durch den Erfahrungs-Beweis sonnenklar werden.
Unter den vielen Bewerbern um ihre Hand war Bertulf, ein sehr reicher Edelmann aus Belgien, der glücklichste. Ihm gab sie der Vater, bezaubert vom Geld, vom Adel und von der leidenschaftlichen Zuneigung des Jünglings. Bertulf war ein Mann ohne Gott, ohne Glauben, ohne Religion, das gerade Gegenteil seiner Verlobten. Und merkwürdig! Schon am Hochzeitstage schlug seine leidenschaftliche Liebe zu Godoleva um in leidenschaftliche Abneigung, in eigentlichen Haß gegen sie. Die glänzende Hochzeitsfeier verursachte ihm Ekel und kaum eines finstern Blickes würdigte er die ihm eben angetraute Gemahlin.
Wer könnte beschreiben, wie schmerzlich dieses Benehmen Godoleva`s zartes Herz verwundete? Dennoch liebte sie ihn, hoffte, diese ihr unerklärliche Stimmung durch Zärtlichkeit zu verscheuchen und flehte bekümmerten Herzens zu Gott um Beistand.
Bertulf führte seine Frau zwar am Abend in das prächtig eingerichtete Haus, ging aber sogleich heim zu den Eltern, um sie lange nicht mehr zu sehen. Denn, um das Unglück voll zu machen, schürte noch seine eigene Mutter den Haß durch den Vorwurf: „Warum hast du diese Krähe (Godoleva hatte schwarze Haare und Augenbrauen) aus der Fremde geholt? Du hättest im eigenen Lande Bessere und Vornehmere gefunden.“
Godoleva, verstoßen von ihrem Manne, fern von ihren Eltern und Verwandten, beraubt jedes menschlichen Trostes, klagte mit rot geweinten Augen ihre Bedrängnis dem Vater im Himmel, der in gütigster Fürsorge ihre Jungfräulichkeit erhalten und im Feuer der Trübsal verherrlichen wollte. Sie widmete sich mit umsichtigem Fleiß dem Hauswesen, behandelte mit freundlicher Milde ihre Dienstboten, lebte so musterhaft fromm, daß auch der boshafteste Spion nichts an ihr zu tadeln fand und betete mit aller Inbrunst um das Heil ihres Mannes.
Bertulf, beleidigt durch den Tugendglanz seiner Gemahlin, und emsig gehetzt von seiner Mutter, gab ihr, um sie recht zu peinigen, einen Hausmeister, der sie erfinderisch grob und verächtlich behandeln und ihr nur Brot und Wasser zukommen lassen sollte. Nur zu treu und boshaft führte dieser den Befehl aus.
Gott stärkte die Dulderin wunderbar. Sie verkostete im Gebet süße Freude, aß mit Dank gegen Gott ihr Stücklein Brot mit Wasser und gab die Hälfte davon den Armen, weil ihr gutes Herz sonst nichts geben konnte: aber kein Wort der Klage kam über ihre Lippen, nur mit Achtung und Ehrfurcht sprach sie von ihrem Mann und ihrer Schwiegermutter, und stundenlang kniete sie vor dem heiligen Kreuz, um Verzeihung und Gnade für sie flehend.
Als Bertulf sich überzeugt hatte, daß er mit diesen Mitteln Godoleva nicht töten könne, verschärfte er dieselben, verkleinerte die Portion Brot und vermehrte die Kränkungen derart, daß sie fliehen und den Schutz ihres Bischofes anrufen musste. Dieser hielt genaue Untersuchung und verpflichtete den Bertulf, seine Gemahlin standesgemäß zu ehren und zu schützen. Der Heuchler versprach es, zeigte sogar Reue über das Geschehene und spielte so den Liebreichen, daß Godoleva nicht ganz ohne Hoffnung in ihr Haus zurück kehrte; aber sein Herz war nur um so verhärteter und sein Entschluss um so fester, sie gewaltsam zu töten.
Um jeden Verdacht zu beseitigen, prahlte er mit seiner Liebe zu ihr, besuchte sie öfters, lobte ihre standhafte Frömmigkeit und verabschiedete sich zärtlich, weil ein dringendes Geschäft ihn nach Lüttich rufe. In der folgenden Nacht, da schon Alle im Hause schliefen, und nur noch Godoleva vor dem gekreuzigten Jesus im Gebet wachte, klopften zwei Fremde an und meldeten, daß sie von Bertulf einen pressanten Auftrag abzugeben hätten. Godoleva öffnete die Türe. Sogleich steckte ihr der Eine ein Tuch in den Mund, damit sie nicht um Hilfe rufen könne; der Andere warf eine Seidenschnur um ihren Hals und erwürgte sie. Beide trugen die Leiche ins Bett und entflohen. Auch Bertulf eilte herbei, weinte am Grabe seiner Gemahlin und hoffte, die schweigende Erde werde den Frevel auf immer zudecken; aber die vielen Wunder, die Godoleva`s Grab verherrlichten, verschärften seine Gewissensbisse und quälten ruhelos seine Seele Tag und Nacht: „Du, Ungeheuer, du hast eine Heilige, die dein eigen Weib war, grausam ermordet!“ Er verehelichte sich zwar bald wieder; aber die Frucht dieser zweiten Ehe war eine blinde Tochter, eine neue Qual für ihn.
Nach dreizehn Jahren starb ihm die zweite Frau, ein harter Schlag für sein wundes Herz, das nur durch die Liebe der ersten Frau gesunden sollte. Seine blinde Tochter, die so Vieles von den Wundern der hl. Godoleva erfuhr, ließ sich, da der Vater es nicht erlauben wollte, heimlich auf das Grab derselben führen, rief voll Vertrauen ihre Fürbitte an und kehrte mit vollkommen gesunden Augen zurück. Dieses Wunder öffnete dem verstockten Vater die Augen. Er eilte zum Grab seiner Gondoleva, weinte heiße Reue-Tränen, bat sie laut um Verzeihung und um ihre Fürbitte bei Gott, daß Er ihm den Weg der Buße zeige. Auch er wurde wunderbar erhört. Sein ganzes Vermögen gab er der Tochter mit dem Wunsch, daß sie über Gondoleva`s Grab ein Frauenkloster baue; er selbst bat, im Benediktinerkloster des hl. Winock an der Pforte nieder kniend, um einen Winkel, damit er seine Missetaten durch strenge Buße sühne. Ein seliger Tod vereinte den standhaften Büßer wieder mit seiner glorreichen Gemahlin im Himmel. –
aus: Otto Bitschnau OSB, Das Leben der Heiligen Gottes, 1881, S. 506 – S. 508