Die zwei Pflichten der christlichen Ehefrau
So sehr es zu wünschen ist, daß möglichst wenige Ehen geschlossen werden, in denen das Leben beider Gatten so schmerzvoll bitter ist, wie das Godoleva`s und Bertulf`s: ebenso wünschenswert ist es, daß alle christlichen Ehefrauen die zwei vorzüglichsten Standespflichten mit vollendeter Treue halten, wie die hl. Godoleva.
1. Auf die Frage: „In welcher Absicht und zu welchem Endziel willst du heiraten?“ soll und darf die christliche Jungfrau in erster Linie keine andere Antwort geben als diese: „Ich wähle diesen Stand, um in demselben Gott lieben, Gott zu dienen und ewig selig zu werden. Ich wähle diesen Gatten, damit er mir in heiliger Treue helfe, dieses wichtigste Geschäft meiner Seele und Seligkeit glücklich fort zu führen und zu vollenden.“ Es ist ja von selbst klar, daß Jesus Christus die christliche Ehe gewiß nicht wegen des Geldes, wegen des Adels, wegen körperlicher Schönheit oder sinnlicher Vergnügen zum Sakrament erhoben hat, sondern zum ewigen Seelenheil der sich Verbindenden. Folglich ist es unstreitig die erste und höchste Pflicht der christlichen Ehegattin, daß sie alle ihre Obliegenheiten, alle Vorkommnisse, ihre Leiden und Freuden von dem Standpunkt aus betrachtet: „Wie kann ich damit meinen Gott und Vater kindlich ehren und lieben?“ In dieser Gesinnung ist sie sehr dankbar ihrem Gatten, wenn er sie aufmerksam macht auf ihre sittlichen Fehler und Mängel, wenn er sie zur Demut, Genügsamkeit und Sanftmut ermahnt, zum Besuch des Gottesdienstes und zum Empfang der heiligen Sakramente aufmuntert. Der Gehorsam in diesem Stück ist ihr eine angenehme und süße Pflicht, weil ihr bester Freund, der teure Gatte, um Gottes willen sie dazu anhält. So hat Godoleva ihre Ehe mit Bertulf geschlossen, um in kindlicher Ehrfurcht Gott zu dienen, und hat deshalb nie gemurrt und geklagt wider ihren Mann, den ihr ja Gott verbunden hatte.
2. Die zweite Hauptpflicht der christlichen Ehefrau besteht darin, daß sie um Gottes willen eine Gehilfin ihres Mannes sei, damit er desto treuer Gott diene, desto leichter selig werde. Es wäre gewiß eine heidnische und keine christliche Auffassung der sakramentalen Ehe, wenn der Frau nur die Pflicht obliegen sollte, dem Manne zu kochen, zu waschen, die Kleider zu reinigen und das Hauswesen zu führen, damit er desto ungehinderter seinem Gewerbe und Geschäft nachgehen könne. Nein, die sakramentale Gnade hat sie weit mehr dazu empfangen, um ihrerseits dem Gatten die Liebe edelster Freundschaft zu erweisen, ihn durch ihre sanften Worte und noch mehr durch ihr tägliches Beispiel zur Besserung seiner Fehler, zum Gebet, zur Selbstverleugnung und so zur Heiligung seiner Seele aufzumuntern; um durch ihre Anmut seine Heftigkeit zu mäßigen, durch ihre Liebenswürdigkeit seine Niedergeschlagenheit aufzurichten, durch ihre Zärtlichkeit seine Mühsale zu versüßen und in stiller Andacht den Segen des Himmels herab zu flehen, eingedenk des schönen Wortes des heiligen Geistes: „Ein fleißiges Weib ist die Krone ihres Mannes.“ (Sprichw. 12,4) Auch diese Pflicht hat Godoleva heldenmütig erfüllt, indem sie ihrem Mann keinen Anlaß zu einer Klage, wohl aber das anziehendste Beispiel zur Liebe und Ergebenheit in den heiligen Willen Gottes gab und durch eifriges Beten wie auch durch stilles Leiden die Gnade seiner Bekehrung von Gott erflehte.
Diese zwei Pflichten sind selbstverständlich auch die Hauptpflichten des christlichen Ehegatten. Ohne Kinder kann eine Ehe bestehen und wahrhaft glücklich sein, aber niemals ohne treue Erfüllung dieser zwei Pflichten. –
aus: Otto Bitschnau OSB, Das Leben der Heiligen Gottes, 1881, S. 508 – S. 509