Einheit und Unauflöslichkeit der Ehe

Tiara des Papstes, Bischofsstab, Schlüssel

Papst Pius XII Porträt in seiner päpstlichen Reinheit

Ansprache Pius XII. an Neuvermählte (22. April 1942)

I. Einheit und Unauflöslichkeit als Grundlage der christlichen Ehe

Einführung

Es wird Euch, liebe Neuvermählte, nicht schwer fallen, Euch einen hohen Begriff von der Heiligkeit des von Euch begonnenen Ehelebens zu bilden, wenn Ihr nur aufmerksam an Hand Eures Gebetbuches die ergreifenden Zeremonien der Trauung wieder betrachtet, wo die heilige Liturgie ganz und gar aufgeht im Gedanken an da Band, das von jenem Augenblick an Braut und Bräutigam verknüpft.
Wieviel süße Gedanken, welches Wonnegefühl haben Euch zum heiligen Altar geführt! Wieviele Hoffnungen, wieviel glückliche Zukunftsbilder haben Eure Schritte erleuchtet! Doch jenes Band ist ein einziges und unauflösliches. „Ich verbinde Euch im Namen Gottes“, sagt der Priester als berufener Zeuge der eingegangenen Verbindung, und die Kirche hat diesen Bund, den Ihr geschlossen habt, mit der Weihe und Kraft eines Sakramentes unter ihren Schutz und ihre Obhut gestellt, indem sie Eure Namen in das große Buch der christlichen Ehen eintrug, während sie Euch am Schluß des Trauritus im Gebet Gott empfahl: „Ut qui te auctore jununtur, te auxiliante serventur!“ – „Auf daß, was du selbst verbunden hast, durch deine Hilfe auch behütet bleibe!“ (Aus der Brautmesse (Brautsegen nach dem Paternoster)

Das Eheband ist von Natur aus ein einziges und unauflöslich

Das Eheband ist ein einziges. Betrachtet im irdischen Paradies, dem Urbild des Familienparadieses, das erste Band, mit dem der Schöpfer Mann und Frau verbunden hat, von dem der fleischgewordene Gottessohn eines Tages das Wort sprechen sollte: „Quod Deus conjunxit, homo non separat“ – „Was Gott verbunden hat, soll der Mensch nicht trennen“, denn „iam non sunt duo, sed una caro“ – „sie sind nicht mehr zwei, sondern ein Fleisch“ (Matth. 19, 6). – In jener Verbindung unserer Stammeltern im Garten der Wonne war schon das ganze Menschengeschlecht einbeschlossen, die ganze Reihe der kommenden Generationen, welche die Erde erfüllen und kämpfend erobern und ihr im Schweiß des Angesichtes das tägliche Brot abringen sollten, ein Brot, eingetaucht in die Bitterkeit der ersten Schuld, die hervor ging aus der verletzten Frucht des Paradieses.
Wozu denn hat Gott im Paradies Mann und Frau zusammen geschlossen? Nicht nur, daß sie jenen Garten des Glücks bewachten; nein, sondern auch deshalb, weil sie – nach den Worten des großen Kirchenlehrers von Aquin – durch die Ehe hingeordnet waren auf den Zweck der Zeugung und Erziehung von nachkommen und darüber hinaus auf ein gemeinsames Familienleben (Thomas von Aquin, S. Th. Suppl. q. 44 a. 1)
In der Einheit des Ehebandes erblickt Ihr das Siegel der Unauflöslichkeit. Wohl ist es ein band, das auf einer Neigung der Natur gründet, doch geht es nicht notwendiger Weise aus den Prinzipien der Natur hervor, da es ja durch den freien Willen zustande kommt; der freie Wille der Vertragschließenden vermag es jedoch nur zu knüpfen, nicht aber wieder zu lösen. Das gilt nicht nur für die christlichen Ehen, sondern allgemein für jede gültige Ehe, die irgendwo auf Erden durch das gegenseitige Jawort der Ehegatten geschlossen wurde. Das Ja, das unter dem Antrieb Eures Willens von Euren Lippen kam, schlingt um Euch das eheliche Band und bindet zugleich Euren Willen auf immer. Seine Wirkung ist unwiderruflich: der Laut, der wahrnehmbare Ausdruck Eurer Zustimmung, geht wohl vorüber; die Zustimmung selbst ist ausdrücklich festgelegt und vergeht nicht, sie ist ewig, denn sie bedeutet Zustimmung zu ewiger Dauer des Bundes, während ein Jawort zu einer nur zeitweiligen Lebensgemeinschaft noch keine Ehe zu begründen vermöchte. Die Einheit Eures beidseitigen Jawortes ist unteilbar; daher gibt es keine wahre Ehe ohne Unauflöslichkeit, noch gibt es eine Unauflöslichkeit ohne wahre Ehe. (Vgl. Thomas von Aquin, S. Th. Suppl. q. 41 a. 1; q. 49 a. 3)

Die rechtmäßig geschlossene und durch den Gebrauch vollzogene christliche Ehe ist absolut unauflösbar.

Erhebt Euch nun in Gedanken, liebe Neuvermählten, und erinnert Euch, daß die Ehe nicht nur eine Einrichtung der Natur, sondern für christliche Seelen vielmehr ein großes Sakrament ist, ein großes Zeichen der Gnade und einer heiligen Sache, nämlich die Brautschaft Christi mit der Kirche, die er sich zur Braut gemacht und erworben hat mit seinem Blut, um die Menschenkinder neu zu schaffen zu einem Leben des Geistes, jene, die an seinen Namen glauben, die nicht auf dem Wege des Blutes, nicht aus dem Begehren des Fleisches noch durch den Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind. (Joh. 1, 12-13) Das Siegel und das Licht des Sakramentes, das die die Einrichtung der Natur gleichsam über sich selbst hinaus hebt, verleihen der Ehe einen Adel hoher Würde, die nicht nur die Unauflöslichkeit, sondern auch alles, was sich auf den Zeichengehalt des Sakramentes bezieht, umschließt und in sich vereinigt. (Vgl. Thomas von Aquin, S. Th. Suppl. q. 49 a. 2 ad 4 u. 7)

Wenn jedoch der Wille der Gatten den einmal geschlossenen Ehebund nicht zu lösen vermag, kann es dann vielleicht die von Christus für das religiöse Leben der Menschen eingesetzte, den Ehegatten übergeordnete Obrigkeit? – Nein! Das christliche Eheband ist so stark, daß keine Gewalt der Erde, nicht einmal die Unsere, d. h. die Macht des Statthalters Christi, es zu lösen vermag, sobald es einmal mit dem Gebrauch der ehelichen Rechte seine volle Festigkeit erlangt hat. Wohl können Wir anerkennen und erklären, daß eine scheinbar gültig eingegangene Ehe in Wirklichkeit nichtig war wegen eines trennenden Hindernisses oder wegen eines wesentlichen Mangels in der Zustimmung oder wegen eines Fehlers in der wesentlichen Eheschließungsform. Wir können auch in bestimmten Fällen aus gewichtigen Gründen Ehen auflösen, die des sakramentalen Charakters entbehren. Endlich können Wir, wenn ein gerechter und entsprechend wichtiger Grund vorliegt, den Ehebund christlicherGatten und ihr vor dem Altar gesprochenes Jawort lösen, wenn feststeht, daß es nicht zu seiner Vollendung gelangt ist durch den Vollzug des ehelichen Zusammenlebens. Ist dieser jedoch einmal geschehen, so bleibt das betreffende Eheband jedweder menschlichen Einmischung entzogen.

Die Heiligung des Ehebandes und seine Festigung durch Christus

Hat nicht Christus die eheliche Gemeinschaft wieder empor gehoben zu jener ursprünglichen Würde, die ihr der Schöpfer verliehen hatte am Paradieses-Morgen des Menschengeschlechtes, zur unverletzlichen Würde der einen und unauflöslichen Ehe? Jesus Christus, der Erlöser der gefallenen Menschheit, war ja nicht gekommen, das Gesetz Gottes aufzuheben, sondern es zu vollenden und wieder herzustellen, er war gekommen, um als Gesetzgeber mehr denn Moses, als Weiser ,ehr denn Salomon, als Prophet mehr denn die Propheten alles zu erfüllen, was von ihm voraus gesagt worden war, von ihm, der gleich einem Moses vorher verkündet und erweckt war aus dem Stamme Israel, auf dessen Lippen der Herr sein Wort legen, während jeder, der nicht auf ihn hören würde, aus dem Gottesvolk ausgestoßen sein sollte. (Vgl. Deut. 18, 15ff; Apg. 3, 22-23)
So hob Christus durch sein unvergängliches Wort den Mann in der Ehe empor und richtete die Frau wieder auf, welche die Jahrhunderte der Antike zur Sklavin erniedrigt hatten und welche der überstrenge Sittenrichter Roms mit einer „zügellosen Natur und einem ungebändigten Tier“ verglichen hatte (T. Livii ab Urbe condita, lib. XXXIV, c. 2) Der Erlöser aber hat schon in seiner eigenen Person nicht bloß den Mann geadelt, sondern auch die Frau, indem er von einer Frau die menschliche Natur nahm und diese Frau, die Gebenedeite unter den Weibern, für die christlichen Familien aller Jahrhunderte zum makellosen Spiegel der Tugend und Gnade erhob und sie im Himmel zur Königin der Engel und Heiligen krönte.
Durch ihre Gegenwart heiligten Jesus und Maria die Hochzeit zu Kana: dort wirkte der göttliche Sohn der Jungfrau sein erstes Wunder, gleichsam als wollte er recht früh dartun, daß seine Sendung in der Welt und das Reich Gottes seinen Ausgang nehmen müssten von der Heiligung der Familie und der ehelichen Gemeinschaft, dem Quell des Lebens. Dort begann er, die Ehe zu erhöhen, die noch höher steigen sollte in die übernatürliche Welt jener Zeichen, welche die heiligmachende Gnade bewirken, ja bis zum Symbol der Vereinigung Christi mit der Kirche. (Eph. 5, 32) Diese Vereinigung aber ist unauflöslich und untrennbar, weil sie genährt wird von der vorbehaltlosen und ewigen Liebe, die da hervor quillt aus dem Herzen Christi. Wie könnte demnach die eheliche Liebe das Symbol einer solchen Vereinigung sein und heißen, wenn sie absichtlich begrenzt, bedingt und auflösbar wäre, eine Liebesflamme nur auf Zeit? Nein, nachdem sie zur hohen und heiligen Würde eines Sakramentes erhoben wurde und nachdem sie in so innige Verbindung mit der Liebe des Erlösers und seinem Heilswerk gebracht wurde, kann sie niemals anders sein und bleiben als unaufhörlich und dauerhaft.

Last und Gnade des unauflöslichen Bandes

Angesichts dieses Gesetzes der Unauflöslichkeit haben die menschlichen Leidenschaften, die von ihm in der zügellosen Befriedigung ihrer ungeordneten Begierden eingeschränkt und behindert wurden, zu allen Zeiten versucht, auf jede Art und Weise das Joch abzuschütteln, und wollten darin nur eine harte Tyrannei erblicken, die nach Willkür die Gewissen mit einer untragbaren Last beschwere, mit einer Sklaverei, die den heiligen Rechten der menschlichen Person widerspreche. Es ist freilich wahr: ein band kann bisweilen zu einer Last werden, zu einer Knechtschaft, einer Bedrückung, so wie die Ketten, die den Gefangenen fesseln. Doch kann es auch eine mächtige Hilfe und ein Unterpfand der Sicherheit sein, wie das Seil, das den Alpinisten an seine Bergkameraden bindet, oder wie die Bänder, welche die Glieder des menschlichen Körpers verbinden und diesen in seinen Bewegungen frei und behende machen, und so ist es auch mit dem unauflöslichen Band der Ehe.
Dieses Gesetz der Unauflöslichkeit wird als Ausdruck einer wachen Mutterliebe erscheinen und verstanden werden, vor allem dann, wenn man es in jenem übernatürlichen Licht betrachtet, in das Christus es hinein gestellt hat. Inmitten der Schwierigkeiten, der Zusammenstöße, der Begierden, die das Leben auf Eurem Weg sät, werden sich Eure beiden so untrennbar verbundenen Seelen nie allein noch unbewaffnet finden: die allmächtige Gnade Gottes, die eigentliche Frucht des Sakramentes, wird beständig mit ihnen sein, um ihrer Schwäche unaufhörlich beizustehen, um jedes Opfer zu versüßen, um sie zu stärken und zu trösten selbst in den längsten und härtesten Prüfungen.
Wenn es sein muss, um des Gehorsams willen gegen Gottes Gesetz den Verlockungen irdischer Freuden, die in der Stunde der Versuchung aufsteigen, zu widerstehen, wenn es gilt, auf ein Sichausleben zu verzichten, dann wird die Gnade wiederum da sein, um die Lehren des Glaubens in der ganzen Bedeutung in Erinnerung zu bringen, nämlich, daß das einzig wahre Leben, das man nie aufs Spiel setzen darf, jenes des Himmels ist, eben jenes Leben, das solche Verzichte, so hart sie sein mögen, sicher stellen, Verzichte, die, wie alle Ereignisse des gegenwärtigen Lebens, etwas Vorübergehendes sind, etwas, das einfach dazu da ist, den endgültigen Zustand des künftigen Lebens vorzubereiten, der umso glücklicher und strahlender sein wird, je mutiger und großherziger die unvermeidlichen Drangsale des irdischen Lebensweges angenommen wurden.

Nur Gott kann die Einheit des Ehebandes erhalten

„Das sind aber ernste Erwägungen“, seid Ihr nun vielleicht versucht zu sagen, „jetzt, da doch alles uns entgegen lächelt auf dem Weg, der sich vor uns auftut. Verbürgt denn nicht unsere gegenseitige Liebe, deren wir so sicher sind, allein schon die unvergängliche Einheit unserer Herzen?“
Liebe Söhne und Töchter! Denkt an die Mahnung des Psalmisten: „Wenn der Herr die Stadt nicht bewacht, so wachen die Wächter vergebens“ (Ps. 126, 1) Auch die schöne und starke Stadt Eures augenblicklichen Glückes kann nur Gott allein mit seiner Gnade und durch sein Gesetz unversehrt erhalten. Alles, was bloß menschlich ist, ist zu gebrechlich und zu unsicher, um sich selbst genügen zu können. Doch die Treue zu den göttlichen Geboten wird den unverletzlichen Bestand Eurer Liebe und Eurer Freude sichern durch alle Wechselfälle des Lebens hindurch. Das erflehen Wir vom Herrn für Euch, während Wir Euch von ganzem Herzen Unseren väterlichen Apostolischen Segen erteilen. –
aus: Utz OP/Groner OP, Aufbau und Entfaltung des gesellschaftlichen Lebens, Soziale Summe Pius XII., Bd. I, 1954, S. 446 – S. 452

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