Gefahren für einen dauerhaften Frieden

Tiara des Papstes, Bischofsstab, Schlüssel

Aus der Weihnachtsansprache Pius XII. am 24. Dezember 1941

Porträt von Pius XII. in seiner päpstlichen Kleidung, ernst schaut er mit seiner Brille

Über die Gefahren für einen dauerhaften Frieden

Hat das Christentum versagt?

Wenn man nach den Ursachen der heutigen Ruinen forscht, vor denen die betrachtende Menschheit erschüttert steht, wagt man nicht selten zu behaupten, das Christentum habe versagt. Von wem und woher kommt diese Anklage? Vielleicht von den Aposteln, die der Ruhm Christi sind, den heroischen Eiferern für Glauben und Gerechtigkeit? Von den Hirten und Priestern, den Herolden des Christentums, die durch Verfolgungen und Martyrium hindurch die Barbarei veredelten und sie in Andacht vor den Altar Christi beugten; die die christliche Kultur einführten, die Überreste der Weisheit und Kunst Athens und Roms retteten, die Völker im christlichen Namen einten, Wissen und Tugend verbreiteten, das Kreuz auf den luftigen Zinnen und Gewölben der Kathedralen errichteten, diesen Bildern des Himmels, Denkmälern des Glaubens und der Frömmigkeit, die noch immer ihr ehrwürdiges Haupt über den Ruinen Europas erheben? Nein, das Christentum, dessen Kraft von Dem kommt, Der der Weg, die Wahrheit und das Leben ist, steht und wird stehen mit Ihm bis zum Ende der Zeiten. Es hat seine Aufgabe erfüllt.

Die Menschen haben sich gegen das christustreue Christentum aufgelehnt

Aber die Menschen haben sich gegen das wahre, christustreue Christentum und seine Lehre aufgelehnt. Sie haben sich ein Christentum nach ihrer Art geformt, ein neues Idol, das nicht rettet, das den Leidenschaften fleischlicher Begierlichkeit, der Sucht nach Gold uns Silber, die das Auge blendet, der Hoffart des Lebens nicht widerspricht, eine neue Religion, eine Maske toten Christentums, ohne den Geist Christi; und dann haben sie proklamiert, das Christentum habe seine Sendung nicht erfüllt. Dringen wir vor auf den Grund des Gewissens der modernen Gesellschaft, suchen wir die Wurzel des Übels! Wo liegt sie? Selbstverständlich wollen Wir hier nicht das schuldige Lob der Weisheit jenen Regierungen vorenthalten, die die Werte der christlichen Kultur in den Beziehungen zwischen Kirche und Staat, im Schutz der Heiligkeit der Ehe, in der religiösen Erziehung der Jugend, zum Vorteil des Volkes entweder immer begünstigten oder aber wieder zu Ehren zu bringen suchten. Aber wir können die Augen nicht schließen vor der traurigen Schau der fortschreitenden Entchristianisierung des Einzelnen und der Gesellschaft, die von der Lockerung der Sitten übergegangen ist zur Abschwächung und offenen Leugnung der Wahrheit und der Kräfte, die bestimmt sind, den Geist über Gut und Böse zu erleuchten, das Familienleben, das Privatleben, das staatliche und öffentliche Leben zu stärken.

Eine Seuche der religiösen Leere hat Europa erfaßt

Eine religiöse Blutarmut, gleichsam eine Seuche, die um sich greift, hat so viele Völker Europas und der Welt betroffen und in den Seelen eine derartige religiöse Leere verursacht, daß kein Religionsersatz und keine nationale oder internationale Mythologie sie erfüllen könnte. Was wußte man denn seit Jahrzehnten und Jahrhunderten Besseres und Schlechteres zu tun, als mit Wort und Tat und Maßnahmen, den Glauben aus den Menschenherzen zu reißen, von der Kindheit bis zum Greisenalter? Den Glauben an Gott, den Schöpfer und Vater aller, den Lohner des Guten und den Rächer des Bösen? Man hat Erziehung und Unterricht verfälscht. Man hat auf alle Art und Weise durch Rede und Presse, unter missbrauch von Wissenschaft und Macht, die Religion und die Kirche Christi bekämpft und unterdrückt.

Der Geist wurde Gott und dem christlichen Leben entfremdet und so in einen moralischen Abgrund gestürzt. Da blieb nichts anderes übrig, als daß Gedanken, Pläne, Ausrichtung, Wertung der Dinge, Tätigkeit und Arbeit der Menschen sich ganz der materiellen Welt zuwandten…
Die Würde des Menschen wurde ertötet

Die Majestät und Würde der menschlichen Person und der einzelnen Gemeinschaften wurden ertötet, herab gemindert und unterdrückt von der Idee der Gewalt, die das Recht schafft. Das Privateigentum wurde bei den einen zur Macht für die Ausbeutung der Arbeit; bei den anderen zeugte es Eifersucht, Ungeduld und Hass. Die Organisation, die daraus folgte, wandelte sich in eine starke Kampfwaffe, um Parteiinteressen durchzusetzen. In einigen Staaten fesselte eine atheistische oder antichristliche Staatsauffassung in ihren weit gesponnenen Fäden derart das Individuum, daß sie ihm fast die Unabhängigkeit im privaten wie im öffentlichen Leben raubte.

Die Folgen einer radikalen Opposition gegen die christliche Lehre

Wer kann sich heute wundern, wenn eine solche radikale Opposition gegen die Grundsätze der christlichen Lehre schließlich in einen leidenschaftlichen Zusammenstoß innerer und äußerer Spannungen ausmündete, der zu jener Vernichtung von Menschenleben und Zerstörung von Gütern führte, wie wir sie heute sehen und mit tiefem Schmerz miterleben? Als verhängnisvolle Folge der eben beschriebenen sozialen Verhältnisse bietet der Krieg ihrem Einfluss und ihrer Entwicklung durchaus keinen Einhalt, sondern fördert, beschleunigt und erweitert sie, je länger er dauert, da er die Katastrophe noch allgemeiner macht…

Die Rückkehr zu den christlichen Altären ist nötig

Angesichts der Ausdehnung der Katastrophe, die durch die aufgezeigten Irrtümer verursacht wurde, gibt es nur ein Heilmittel: die Rückkehr zu den Altären, zu deren Stufen ungezählte Generationen von Gläubigen sich schon den Segen und die sittliche Kraft holten für die Erfüllung der eigenen Pflichten; zu dem Glauben, der Einzelne und Gemeinschaft erleuchtete und die Rechte und Pflichten eines jeden lehrte; zu den weisen und unerschütterlichen Normen einer sozialen Ordnung, die im nationalen wie im internationalen Bereich eine wirksame Schranke gegen den Missbrauch der Freiheit wie auch gegen den Missbrauch der Macht errichten. Aber der Aufruf zu diesen Segensquellen muss laut, dauernd, allgemein erhoben werden in dieser Stunde, wo die alte Ordnung verschwindet und eine neue an ihre Stelle tritt… (siehe auch den Beitrag: Pius XI. Der Friede Christi im Reiche Christi)

Der Traum der Menschen von einer neuen Ordnung ohne Gott

Es wäre nicht das erste Mal, daß Menschen, die sich mit den Lorbeeren kriegerischer Siege schmücken wollen, davon träumten, der Welt eine neue Ordnung zu geben, indem sie neue Wege zeigten, die nach ihrer Ansicht zu Wohlstand, Glück und Fortschritt führten. Aber immer wieder, wenn sie der Versuchung nachgaben, ihre Pläne gegen den Spruch der Vernunft, der Mäßigung, der Gerechtigkeit und der edlen Menschlichkeit zu verwirklichen, fanden sie sich enttäuscht und überrascht bei der Betrachtung der Trümmer ihrer Hoffnungen und misslungenen Pläne. So lehrt die Geschichte, daß Friedensverträge, die in einem Geist und unter Bedingungen abgeschlossen wurden, die im Widerspruch stehen zu den sittlichen Grundsätzen wie auch zu einer richtigen politischen Weisheit, nur ein trauriges und kurzes Leben hatten. Sie stellen so klar heraus und bezeugen einen Rechnungsfehler, der zwar menschlich, aber darum nicht weniger verhängnisvoll. Nun sind aber die Ruinen dieses Krieges zu gewaltig, als daß man noch die Täuschung eines Scheinfriedens hinzufügen dürfte. Und um ein so großes Unheil zu verhüten, müssen mit aufrichtigem Willen und Tatkraft, mit dem Vorsatz großmütiger Beisteuer nicht nur diese oder jene Partei, nicht nur dieses oder jenes Volk, sondern alle Völker, ja die Menschheit, zusammen arbeiten. Es ist ein allgemeines Unternehmen für das Gemeinwohl, das die Zusammenarbeit der Christenheit fordert wegen der religiösen und sittlichen Gesichtspunkte des Neubaus, den man errichten will…

Es folgen nun 5 Punkte für einen Frieden, „der die passende Grundlage einer wahren Neuordnung ist und der sehnsüchtigen Erwartung der Völker auf eine ruhigere Zukunft entspricht.“ –
aus: (Hrsg.) Wilhelm Jussen SJ, Papst Pius XII., Gerechtigkeit schafft Frieden, Reden und Enzykliken, 1946, S. 51 – S. 57

Fortsetzung: Die katholische Sicht einer „Neuen Ordnung“

Tags: Fels

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