Die Heiligkeit des Priesterlebens

Hut, bischöflicher Krummstab, Kleidungsstücke eines Papstes

Menti nostrae – Die Heiligkeit des Priesterlebens

Apostolische Ermahnung von Papst Pius XII.

vom 23. September 1950

Apostolische Ermahnung über die Förderung der Heiligkeit des Priesterlebens. AAS XLII (1950) 657-702

Porträt von Pius XII. in seiner päpstlichen Kleidung, ernst schaut er mit seiner Brille

Auszug

Das große Geschenk des Priestertums

1325 Wie Unsere Vorgänger, insbesondere Pius X. [1] und Pius XI. [2] dargelegt und Wir selber in den Enzykliken Mystici Corporis [3] und Mediator Dei [4] angedeutet haben, ist das Priestertum wirklich das große Geschenk des göttlichen Erlösers: damit das Werk der Erlösung der Menschheit, das er am Kreuze vollendet hat, bis zum Ende der Zeiten fortgesetzt werde, hat er seine Gewalt der Kirche übertragen, die er zur Teilhaberin seines einzigen und ewigen Priestertums machen wollte. Der Priester ist ein „anderer Christus“, denn er ist mit einem unauslöschlichen Merkmal gezeichnet, das ihn gleichsam zum lebenden Abbild unseres Erlösers macht; der Priester stellt Christus dar, der gesagt hat: Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch [Joh. 20, 21]; Wer euch hört, der hört mich [Luk. 10, 16]. Durch göttliche Berufung zu diesem höchsten Dienst geweiht, wird er für die Menschen in ihrem Verhältnis zu Gott bestellt, damit er Gaben und Opfer für die Sünden darbringe [Hebr. 5, 1]. An ihn muss sich also jeder wenden, der das Leben des göttlichen Erlösers leben und Kraft, Trost und geistige Nahrung empfangen will; von ihm wieder jeder, der aus dem Sittenzerfall auf den rechten Weg zurück kehren will, die notwendigen Heilmittel erbitten. Daher können alle Priester mit Recht das Wort des Völkerapostels auf sich beziehen: Wir sind die Gehilfen Gottes [1. Kor. 3, 9].

Doch eine solch außerordentliche Würde verlangt vom Priester, daß er mit größter Treue seiner verantwortungsvollen Sendung entspreche. Bestimmt, die Ehre Gottes auf Erden zu verkünden, daß Wachstum durch seine Fürsorge zu fördern, muss er sich so sehr durch Heiligkeit auszeichnen, daß durch ihn der Wohlgeruch Christi [2. Kor. 2, 15] überall verbreitet werde.

[1] Vgl. Pius X., Ermahnung Haerent animo an den katholischen Klerus, vom 4. August 1908. Acta Pii X, IV, 237ff.; ASS XLI (1908) 55-577. Vgl. HK Nrn. 1182-1216.
[2] Vgl. Pius XI., Rundschreiben Ad catholici sacerdotii vom 20. Dezember 1935. AAS XXVIII (1936) 5-53. Vgl. HK Nrn. 1217-1282.
[3] Vgl. Pius XII., Rundschreiben Mystici Corporis vom 29. 29. Juni 1943. AAS XXXV (1943) 193-248. Vgl. HK Nrn. 752-846.
[4] Vgl. Pius XII., Rundschreiben Mediator Dei vom 20. November 1947. AAS XXXIX (1947) 521-595. Vgl. HK Nrn. 212-376.

Die standesgemäße Selbstheiligung des Priesters

Die Liebe als Band der Vollkommenheit

1327 Nach der Lehre des göttlichen Meisters besteht die Vollkommenheit des christlichen Lebens in der Liebe zu Gott und dem Nächsten [Vgl. Matth. 22, 37-39], einer Liebe, die jedoch wahrhaft glühend, eifrig, tätig sein muss. Wenn sie diese Eigenschaften hat, dann umfaßt sie wirklich alle Tugenden [Vgl. 1. Kor. 13, 4-7]; dann kann sie mit Recht das Band der Vollkommenheit [Kol. 3, 14] genannt werden. Unter welchen Verhältnissen der Mensch auch immer lebt, es ist seine Aufgabe, sein Denken und Handeln nach diesem Ziel zu richten.

1328 In besonderem Maße ist aber der Priester dazu verpflichtet. Jede seiner priesterlichen Handlungen muss schon ihrer Natur nach darauf hinzielen; eben darum ist er von Gott zum Verwalter der heiligen Geheimnisse berufen und mit einem göttlichen Amt und göttlichen Charisma ausgezeichnet worden. Er soll Christus, dem einzigen und ewigen Priester, seine Mitwirkung leihen, er soll dem nachfolgen, den nachahmen, der während seines irdischen Lebens kein anderes Ziel hatte, als seine glühende Liebe zum Vater zu beweisen und den Menschen die unerschöpflichen Schätze seines Herzens mitzuteilen.

Der Priester in der Nachfolge Christi

1329 Der wichtigste Antrieb, der die Seele des Priesters bewegen soll, muss darauf ausgehen, aufs engste mit dem göttlichen Erlöser verbunden zu sein, so daß er die Gebote der christlichen Lehre uneingeschränkt und gehorsam annimmt und sie in jedem Augenblick seines Lebens mit solchem Eifer verwirklicht, daß der katholische Glaube stets seinem Handeln voran leuchte und sein handeln die Leuchtkraft seines Glaubens widerspiegle.
Vom Glanz dieser Tugend geführt, soll er seinen Blick stets auf Christus gerichtet halten und Christi Gebote, Handlungen und Beispiele eifrig befolgen; er soll überzeugt sein, daß es für ihn nicht genügt, die Pflichten zu erfüllen, die für alle Christgläubigen gelten, sondern daß er von Tag zu Tag mit größerer Hingabe nach jener Vollkommenheit streben muss, die seine hohe priesterliche Würde erfordert, gemäß der Vorschrift: „Die Kleriker müssen nach innen und nach außen ein heiligeres Leben führen als die Laien und sie an Tugenden und guten Werken übertreffen“ [Cod. iur. Can. c. 124].

Zölibat und priesterliche Keuschheit

1333 Das Wirken des Priesters vollzieht sich in der Ordnung jener Dinge, die das übernatürliche Leben betreffen, da er für das Wachstum eben dieses übernatürlichen Lebens zu sorgen und es dem mystischen Leib Christi mitzuteilen hat. Darum muss er allem entsagen, was von dieser Welt ist, um sich nur um das zu kümmern, was des Herrn ist [1. Kor. 7, 32, 33]. Da er also von allen irdischen Sorgen frei sein und sich ganz dem göttlichen Dienst widmen muss, hat die Kirche das Gesetz des Zölibates eingeführt, damit alle immer deutlicher erkennen, daß er ein Diener Gottes und Vater der Seelen ist. Durch den gebotenen Zölibat gibt der Priester keineswegs das Amt der Vaterschaft auf, er steigert es vielmehr ins Unermeßliche, da er nicht für dieses irdische und vergängliche Leben Nachkommenschaft zeugt, sondern für das himmlische und ewige Leben.
Je heller die priesterliche Keuschheit erstrahlt, desto mehr wird der Priester mit Christus zusammen „ein reines, ein heiliges, ein makelloses Opfer“ [Römisches Missale, Canon].

1334 Um aber diese Keuschheit als unschätzbares Gut mit aller Sorgfalt unversehrt bewahren zu können, ist es angezeigt und nützlich, jener Ermahnung des Apostelfürsten zu folgen, die wir täglich im Stundengebet wiederholen: Seid nüchtern und wachsam [1. Petr. 5, 8].
Ja, wacht, geliebte Söhne, denn eure Keuschheit ist von vielen Gefahren bedroht, sowohl durch den allgemeinen Sittenzerfall, als auch durch die Verlockungen der Laster, die euch heute allzu leicht umlauern, wie endlich durch die große Freiheit im Verkehr zwischen den beiden Geschlechtern, die sogar in die Ausübung des heiligen Amtes einzudringen wagt. Wachet und betet [Mark. 14, 38] und vergeßt nie, daß ihr Gott geweiht seid und nur ihm allein dienen dürft. Selbst die Kleidung, die ihr tragt, erinnert euch daran, daß ihr nicht der Welt, sondern Gott lebt. Bemüht euch daher mit aller Kraft und allem Eifer, daß ihr täglich unter dem mütterlichen Schutz der jungfräulichen Gottesmutter „rein, unbefleckt und keusch seid, wie es Dienern Christi und Spendern der göttlichen Geheimnisse ziemt“ [Römisches Pontificale, Diakonatsweihe].

1335 In diesem Zusammenhang scheint es Uns angezeigt, euch in besonderer Weise zu mahnen, daß ihr bei der Leitung von Frauenverbänden oder Frauenvereinen euch so betraget, wie es Priestern ziemt; meidet alle Vertraulichkeiten; und wo eure Mitarbeit nötig ist, leistet sie als Priester. Bei der Führung dieser Vereine beschränkt eure Tätigkeit auf das, was euer priesterliches Amt von euch fordert.

Heiligkeit und Erfordernisse des Priesteramtes

Der Priester: ein Abbild Christi

1362 Doch muss der Priester bedenken, daß das überaus  bedeutungsvolle, ihm anvertraute Seelsorgeramt umso reichere Früchte bringen wird, je inniger er selber mit Christus verbunden ist und sich bei seinem Wirken von Christi Geist leiten läßt. Dann wird seine priesterliche Tätigkeit nicht in rein natürlicher Betriebsamkeit aufgehen, die Leib und Seele ermüdet und den Diener des Heiligtums, zum nicht geringen Schaden sowohl seiner selbst wie der Kirche, vom rechten Weg ablenken könnte; seine Arbeit und seine ständigen Bemühungen werden vielmehr durch die Kraft der göttlichen Gnade gestärkt werden, welche Gott den Hochmütigen versagt, jenen hingegen, die demütigen Herzens im „Weinberg des Herrn“ arbeiten und nicht sich und ihren Vorteil [Vgl. 1. Kor. 10, 33], sondern die Ehre Gottes und das Heil der Seelen suchen, reichlich und gern schenkt. Daher möge er, wie Wir schon gesagt haben, im Gehorsam gegen die Gebote des Evangeliums nicht auf sich selber und seine Kräfte vertrauen, sondern auf die Hilfe von oben gemäß dem Wort: Weder derjenige, der pflanzt, noch derjenige, der begießt, ist etwas, sondern der das Gedeihen gibt, Gott [1. Kor. 3, 7].

1363 Wird das Apostolat in dieser Weise aufgefaßt, so kann es nicht anders sein, als daß der Priester sozusagen mit übernatürlicher Kraft alle Herzen an sich zieht. Wenn er nämlich sich und seine Lebensführung gleichsam zu einem lebendigen Abbild Jesu Christi gestaltet, werden alle, die ihm als ihrem Lehrer folgen, von innerster Überzeugung getrieben, leicht erkennen, daß er nicht seine, sondern Gottes Worte spricht, und daß er nicht aus eigener, sondern aus göttlicher Kraft wirkt. Wer spricht, trage Gottes Wort vor, wer ein Amt hat, verwalte es mit der Kraft, die Gott verleiht [1. Petr. 4, 11]. Ja, noch mehr; wenn er nach Heiligkeit strebt und seines Amtes mit größter Vollkommenheit waltet, muss er sogar die Person Christus mit solcher Hingabe vertreten, daß er in ehrfürchtiger Scheu das Wort des Völkerapostels wiederholen kann: Nehmet mich zum Vorbild, so wie ich Christus [1. Kor. 4, 16].

Warnung vor der „Häresie der Aktion“

1364 Aus diesen Gründen zollen Wir jenen wohl verdientes Lob, die aus Liebe zu Gott und aus Liebe zu den Mitmenschen in den Jahren, die auf den entsetzlichen und langwierigen Krieg folgten, mit allen Kräften darauf bedacht waren, unter der wegweisenden Führung ihrer Bischöfe so viel materielles und geistiges Elend zu lindern. Doch können Wir Uns nicht enthalten, jenen gegenüber Unsere Sorge und Angst auszudrücken, die sich wegen der besonderen Zeitverhältnisse nur zu oft derart in den Strudel der Betriebsamkeit stürzten, daß sie die erste Pflicht des Priesters vernachlässigten, nämlich die Pflicht, nach persönlicher Heiligung zu streben. Wir haben schon öffentlich kund getan [5], daß diejenigen, die der verwegenen Meinung sind, den Menschen könne das Heil durch die mit Recht so genannte „Häresie der Aktion“ gebracht werden, auf den rechten Weg zurück gerufen werden müssen. Unter Aktion verstehen Wir hier die Tätigkeit, die sich nicht auf die Hilfe der göttlichen Gnade stützt und nicht beständig jene zur Erlangung der Heiligkeit notwendigen Mittel anwendet, die von Jesus Christus verliehen worden sind. Immerhin hielten Wir es für ebenso angebracht, diejenigen zu den Werken ihres heiligen Amtes anzutreiben, die sich zu sehr von der Außenwelt fern halten und, als ob sie der Macht der Hilfe von oben mißtrauten, sich nicht genug bemühen, nach Maßgabe ihrer Fähigkeiten dem christlichen Geist mit allen zeitgemäßen Methoden im praktischen Leben Geltung zu verschaffen. [6]

[5] Vgl. Pius XII., Apostolisches Schreiben Cum proxime exeat vom 16. Juni 1944 AAS XXXVI (1944) 239
[6] Vgl. Pius XII., Ansprache Conforto letizia an die Mitglieder der Katholischen Aktion Italiens, vom 7. September 1947. AAS XXXIX (1947) 425-431

Höchstes Ziel: das Heil der Seelen

1365 Daher ermahnen Wir euch alle eindringlich, aufs innigste mit dem göttlichen Erlöser vereint, in dessen Kraft wir alles vermögen [Vgl. Phil. 4, 13], mit emsiger Sorgfalt für das ewige Heil nach Kräften zu wirken, welche die Vorsehung Gottes eurem apostolischen Eifer anvertraut hat. Es ist Unser dringendster Wunsch, geliebte Söhne, daß ihr Nachahmer jener heiligen Männer seid, die in der Vergangenheit durch die unermeßliche von ihnen geleistete Arbeit herrlich bezeugt haben, was in dieser Welt die Macht der göttlichen Gnade zu wirken imstande ist. Möchte doch jeder von euch nach dem Zeugnis der Gläubigen das Wort des Völkerapostels ehrlich und schlicht auf sich anwenden können: Ich aber will mit Freuden für eure Seelen Opfer bringen und selber aufgeopfert werden [2. Kor. 12, 15]. Erleuchtet die Seelen mit Licht von oben! Leitet die Gewissen auf dem rechten Weg! Bestärkt und tröstet die Herzen, die von Zweifeln zermürbt oder von Schmerzen gepeinigt sind! Fügt aber diesen hauptsächlichsten Betätigungen des Apostolats noch andere hinzu, deren Notwendigkeit die heutige Zeit laut kund tut. Allen muss es jedoch ganz klar werden, daß der Priester mit seiner ganzen Tätigkeit nichts anderes sucht als das Heil der Seelen, nichts anderes im Auge hat als Christus, dem er seine Kräfte und sich selber weihen soll.

Religiöse und sittliche Bildung für den Priester

1393 Wachsame und kluge Sorge muss aufgewendet werden, damit die Rekruten des heiligen Dienstes die Keuschheit hoch schätzen, sie lieben und in ihrem Herzen bewahren; denn an ihr liegt es zum großen Teil, daß sie diesen Lebensstand erwählen und darin verharren. Da diese Tugend im Umgang mit den Menschen zahlreichen Gefährdungen ausgesetzt ist, muss sie im Herzen der Anwärter auf die Priesterwürde schon früh und tief verwurzelt werden. Die Kleriker sollen daher nicht allein in zweckdienlicher Weise belehrt werden über Wesen und Pflichten des priesterlichen Zölibates und der standesgemäßen Keuschheit [Vgl. Cod. jur. Can., c. 132], sondern sie sollen auch vor den Gefahren gewarnt werden, die ihnen diesbezüglich drohen können. Ebenso müssen die Priesteramts-Kandidaten ermahnt werden, schon in ganz jungen Jahren, um den gefahren vorzubeugen, zu jenen Mitteln in der Bekämpfung der Leidenschaften ihre Zuflucht zu nehmen, die ihnen die Lehrmeister des geistlichen Lebens empfehlen. Denn je fester und standhafter die Begierden in Zucht genommen werden, desto größere Fortschritte wird die Seele in den übrigen Tugenden machen, und desto erfolgreicher wird sich ihr priesterliches Wirken gestalten. Erweist es sich bei einem Kleriker, daß er auf diesem Gebiet zum Bösen neigt, und vermag er innert einer angemessenen Probezeit dieser schlimmen Neigung nicht Herr zu werden, muss er unbedingt vor dem Empfang der heiligen Weihen aus dem Seminar entlassen werden. –
aus: Anton Rohrbasser, Heilslehre der Kirche, Dokumente von Pius IX. bis Pius XII., 1953, S. 877 – S. 882; S. 894 – S. 896; S. 908 – S. 909

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