Pius XII Das Wesen des Messopfers

Hut, bischöflicher Krummstab, Kleidungsstücke eines Papstes

Pius XII. über das Wesen des heiligen Messopfers

Rundschreiben Papst Pius XII. vom 20. November 1947

Papst Pius XII Porträt in seiner päpstlichen Reinheit

Mediator Dei et hominum

Rundschreiben über die heilige Liturgie, AAS XXXIX (1947) 521-595

Auszug

Das Wesen des heiligen Messopfers

265. Höhe- und gewissermaßen Mittelpunkt der christlichen Religion ist das Geheimnis der heiligsten Eucharistie, die der Hohepriester Christus einstens eingesetzt hat und die er durch seine Diener in der Kirche immerdar erneuern läßt. Da es sich hier um den Höhepunkt der heiligen Liturgie handelt, scheint es Uns angebracht, ein wenig dabei zu verweilen und eure Aufmerksamkeit, ehrwürdige Brüder, auf diesen überaus wichtigen Gegenstand hinzulenken.
Christus der Herr, Priester von Ewigkeit nach der Ordnung des Melchisedech (Ps. 109, 4) wollte, da er die Seinen, die in der Welt waren, liebte (Joh. 13, 1) „beim Letzten Abendmahle, in der Nacht, da er verraten wurde, seiner geliebten Braut, der Kirche, ein sichtbares, einer Forderung der Menschennatur entsprechendes Opfer hinterlassen; dadurch sollte das blutige, am Kreuze zu vollziehende Opfer vergegenwärtigt, das Andenken daran bis zum Ende der Zeiten bewahrt und uns seine heilbringende Kraft zur Vergebung unserer täglichen Sünden zugewendet werden. Seinen Leib und sein Blut brachte er Gott dem Vater dar unter den Gestalten von Brot und Wein, reichte sie den Aposteln, die er damals zu Priestern des Neuen Bundes bestellte, unter denselben Zeichen zum Empfang und befahl ihnen und ihren Nachfolgern im Priestertum, dieses Opfer darzubringen“ (Konzil von Trient, Sess. XXII, c. 1. Denzinger Nr. 938)

Vergegenwärtigung des Kreuzesopfers

266. Das hochheilige Opfer des Altares ist also kein bloßes und einfaches Gedächtnis des Leidens und Todes Jesu Christi, sondern eine wahre und eigentliche Opferhandlung, bei welcher der göttliche Hohepriester durch seine unblutige Hinopferung das tut, was er schon am Kreuze getan, sich selbst dem ewigen Vater als wohlgefälligste Opfergabe darbringend. „Es ist ein . . . und dieselbe Opfergabe und es ist derselbe, den jetzt durch seinen Dienst der Priester opfert und der sich selbst damals am Kreuze darbrachte, nur die Opferweise ist verschieden“ (ebd. c. 2. Denzinger Nr. 940)

267. Es ist demnach der gleiche Priester, Christus Jesus, dessen heilige Person sein geweihter Diener vertritt. Durch die Priesterweihe dem Hohenpriester angeglichen, besitzt er die Vollmacht, mittels der Kraft und an Stelle der Person Christi selbst zu handeln (Vgl. Thomas von Aquin, Sum. Theol. III q. 22 a. 4). Durch seine priesterliche Handlung leiht „er also Christus gleichsam seine Zunge und reicht ihm seine Hand“ (Johannes Chrysostomus, In Joann. Hom., 86, 4. PG 59, 473).

268. Es ist auch die gleiche Opfergabe, nämlich der göttliche Erlöser nach seiner menschlichen Natur und in der Wirklichkeit seines Leibes und Blutes. Verschieden jedoch ist die Art und Weise, wie Christus sich opfert: Am Kreuze hat er ganz sich selbst und seine Leiden Gott dargebracht, und die Hinopferung der Opfergabe geschah durch den blutigen Tod, den er mit freiem Willen auf sich nahm. Auf dem Altare aber hat, infolge des verklärten Zustandes seiner menschlichen Natur, der Tod keine Macht mehr über ihn (Röm. 6, 9), und darum ist das Vergießen seines Blutes nicht mehr möglich; auf Beschluss der göttlichen Weisheit wird jedoch die Hinopferung unseres Erlösers durch äußere Zeichen, die Sinnbilder des Todes sind, in wunderbarer Weise deutlich gemacht. Durch die Wesensverwandlung des Brotes in den Leib und des Weines in das Blut Christi ist nämlich sein Leib ebenso gegenwärtig wie sein Blut; die eucharistischen Gestalten aber, unter denen er gegenwärtig ist, versinnbilden die gewaltsame Trennung des Leibes und des Blutes. So wird das Gedächtnis seines Todes, der sich auf Kalvaria wirklich vollzogen hat, in jedem Opfer des Altares neu begangen, insofern durch deutliche Sinnbilder Jesus Christus im Opferzustand dargestellt und gezeigt wird.

269. Ferner sind es die gleichen Opferzwecke, deren erster die Ehrung des himmlischen Vaters ist. Von der Geburt bis zum Tode war Jesus Christus vom Eifer für die Ehre Gottes beseelt, und vom Kreuze stieg die Hinopferung seines Blutes mit lieblichem Wohlgeruch zum Himmel empor. Damit nun diese Huldigung niemals unterbrochen werde, vereinigen sich im eucharistischen Opfer die Glieder mit ihrem göttlichen Haupt und bringen zugleich mit ihm und mit den Engeln und Erzengeln Gott immerwährenden Lobpreis dar (Vgl. Römisches Missale, Präfation) indem sie dem allmächtigen Vater alle Ehre und Verherrlichung zuteil werden lassen (Vgl. Römisches Missale, Canon)

270. Der zweite Opferzweck ist die Gott geschuldete Danksagung. Nur der göttliche Erlöser kannte als des ewigen Vaters vielgeliebter Sohn dessen unermeßliche Liebe und war imstande, ihm eine würdige Huldigung des Dankes zu entbieten. Das beabsichtigte und das wollte er, als er beim letzten Abendmahle Dank sagte (Mark 14, 23). Davon ließ er nicht ab, als er am Kreuze hing, und davon läßt er nicht ab im hochheiligen Opfer des Altares, das ja „Eucharistische Handlung“, d.h. Danksagung bedeutet; und das ist ja auch „wahrhaft würdig und recht, billig und heilsam“ (Römisches Missale, Präfation)

271. Der dritte Zweck ist Sühne, Genugtuung und Versöhnung. Zweifellos konnte kein anderer als Christus dem allmächtigen Gott für die Schuld der ganzen Menschheit volle Genugtuung leisten; darum wollte er am Kreuze geopfert werden als Sühnopfer für unsere Sünden, und nicht nur für die unsrigen, sondern auch für die der ganzen Welt (1. Joh. 2, 2). Ebenso opfert er sich auf den Altären täglich für unsere Erlösung, damit wir vor der ewigen Verdammnis bewahrt und in die Schar der Auserwählten eingereiht werden. Und dies nicht allein für uns, die wir uns in diesem sterblichen Leben befinden, sondern auch „für alle in Christus Ruhenden, die uns mit dem Zeichen des Glaubens vorangegangen und im Frieden entschlafen sind“ (Römisches Missale, Canon); denn ob wir leben oder sterben, „wir trennen uns doch nicht von dem einen Christus“ (Augustinus, De Trinitate, lib. XIII, c. 19. PL 42, 1034).

272. Der vierte Zweck schließlich ist die demütige Bitte. Als verlorener Sohn hat der Mensch alle vom himmlischen Vater empfangenen Güter vertan und vergeudet und ist daher in äußerste Bedürftigkeit und tiefstes Elend geraten. Doch vom Kreuze aus brachte Christus Gebet und Flehen unter lautem Rufen und Weinen vor . . . und fand wegen seiner Gottesfurcht Erhörung (Hebr. 5, 7). Desgleichen ist er auf den heiligen Altären in derselben wirksamen Weise unser Mittler bei Gott, auf daß wir mit jeglicher Segnung und Gnade erfüllt werden.
Man versteht also, warum die heilige Kirchenversammlung von Trient versichert, daß durch das eucharistische Opfer die heilbringende Kraft des Kreuzes uns zugewendet wird zur Vergebung unserer täglichen Sünden (Konzil von Trient, Sess. XXII, c. 1. Denzinger Nr. 938).

Unendlicher Wert des Opfers

273. Der Völkerapostel aber verkündet die reiche Fülle und Vollkommenheit des Kreuzesopfers, wenn er erklärt, daß Christus mit dem einen Opfer für immer jene vollendet hat, die sich heiligen lassen (Vgl. Hebr. 10, 14). Da nämlich die Verdienste dieses Opfers einfachhin unendlich und unermeßlich sind, kennen sie keine Grenzen; sie erstrecken sich auf die Gesamtheit der Menschen aller Zeiten und Zonen, und dies insofern der Gottmensch dessen Priester und Opfergabe ist; insofern seine Hinopferung wie seine Willfährigkeit gegenüber dem Willen des ewigen Vaters ganz vollkommen war, und insofern er selbst den Tod auf sich nehmen wollte als das Haupt der ganzen Menschheit: „Betrachte den Vollzug unseres Loskaufs; Christus hängt am Kreuzesholz; schau, um welch hohen Preis er kaufte; … sein Blut vergoß er, mit seinem Blute hat er erkauft, mit dem Blute des makellosen Lammes, mit dem Blute des einzigen Sohnes Gottes hat er erkauft. . . Der Käufer ist Christus, der Kaufpreis ist sein Blut, der erworbene Besitz ist der Erdkreis“ (Augustinus, Enarr. In Ps. CXLVII, n. 16. PL 37, 1925).

274. Dieser Loskauf hat jedoch nicht sofort seine volle Wirkung: Christus muß nämlich, nachdem er um den hohen Preis seiner selbst die Welt erlöst hat, erst wirklich in den wahren Besitz der Menschenseele gelangen. Damit also ihre Erlösung und Rettung für jeden einzelnen Menschen und für alle bis ans Ende der Zeiten aufeinanderfolgenden Menschengeschlechter sich verwirkliche und von Gott angenommen werde, ist es unerläßlich, daß jeder einzelne Mensch in lebendige Berührung mit dem Kreuzesopfer komme, und daß ihnen also die aus jenem Opfer fließenden Verdienste zuteil werden. Man kann gewissermaßen sagen, daß Christus auf Kalvaria ein Bad der Versöhnung und Heilung errichtet hat, das er mit seinem vergossenen Herzblut füllte; wenn indes die Menschen nicht in dessen Fluten untertauchen und dort nicht die Makel ihrer Sünden abwaschen, können sie sicher nicht gereinigt und gerettet werden.

Notwendigkeit der persönlichen Teilnahme

275. Damit also die einzelnen Sünder im Blute des Lammes rein gewaschen werden, bedarf es der Mitwirkung der Christgläubigen. Denn wenn auch Christus, allgemein gesprochen, die gesamte Menschheit durch seinen blutigen Tod mit dem Vater ausgesöhnt hat, so war es doch sein Wille, daß alle, insbesondere durch die Sakramente und das eucharistische Opfer, zu seinem Kreuze hinzutreten und hingeführt werden sollten, um die von ihm am Kreuze erworbenen Heilsfrüchte zu erlangen. Wie durch diese tätige und persönliche Teilnahme die Glieder immer mehr ihrem göttlichen Haupte angeglichen werden, ebenso wird auch das vom Haupt herabströmende Heil den Gliedern zuteil, so daß auch wir die Worte des heiligen Paulus wiederholen können: Mit Christus bin ich gekreuzigt. Ich lebe, aber nicht mehr ich; Christus lebt in mir (Gal. 2, 19-20). Wie Wir nämlich schon bei anderer Gelegenheit eingehend und ausdrücklich darlegten, hat Christus Jesus, „während er am Kreuze starb, den unermeßlichen Schatz der Erlösung seiner Kirche vermacht, ohne daß sie ihrerseits dazu beitrug. Wo es sich aber darum handelt, den Schatz auszuteilen, läßt er an diesem Werke der Heiligung seine unbefleckte Braut nicht nur teilnehmen, sondern will, daß dies sogar in gewissem Sinn durch ihre Tätigkeit bewirkt werde“ (Pius XII., Rundschreiben Mystici Corporis vom 29. Juni 1943. Vgl. HK Nr. 788)

276. Das hochheilige Opfer des Altares ist sozusagen das überaus kostbare Werkzeug, wodurch die vom Kreuz des göttlichen Erlösers stammenden Verdienste an die Gläubigen ausgeteilt werden: „Sooft die Gedächtnisfeier dieses Opfers begangen wird, vollzieht sich das Werk unserer Erlösung“ (Römisches Missale, Sekret vom 9. Sonntag nach Pfingsten), Ohne jedoch die Würde des blutigen Opfers im geringsten zu beeinträchtigen, hebt es vielmehr dessen Größe und Notwendigkeit noch stärker und klarer hervor, wie das Konzil von Trient betont (Vgl. Konzil von Trient, Sess. XXII, c. 2 und can. 4. Denzinger Nrn. 940 und 949). Durch die tägliche Darbringung erinnert es uns daran, daß es kein anderes Heil gibt als im Kreuze unseres Herrn Jesus Christus (Vgl. Gal. 6, 14) und daß Gott selbst die Fortdauer seines Opfers vom Aufgang der Sonne bis zum Untergang (Mal. 1, 11) gesichert wissen will, damit der Lobpreis der Verherrlichung und Danksagung niemals unterbrochen werde, den die Menschen ihrem Schöpfer schulden, weil sie ständig seiner Hilfe und des Blutes des göttlichen Erlösers bedürfen zur Tilgung der Sünden, die seine Gerechtigkeit herausfordern. –
aus: Anton Rohrbasser, Heilslehre der Kirche, Dokumente von Pius IX. bis Pius XII., 1953, S. 161 – S.166

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