Lexikon für Theologie und Kirche
Stichwort: Melchisedech
Melchisedech (= „Mein König (Gott) ist Gerechtigkeit“, oder „König der Gerechtigkeit“ (Hebr. 7,2); nach andern „Mein König ist Sedek“ (Gottesname), Priesterkönig von Salem (wohl = Jerusalem), kommt dem siegreich heimkehrenden Abraham entgegen, opfert Brot und Wein, segnet ihn und empfängt von ihm den Zehent (Gn. 14,18-20). Die rabbinische Umdeutung (Melchisedech = Sem) zeigt, daß der rechtgläubige Kanaaniter-König, dem Abraham den Zehent gibt, dem späteren Judentum ein Anstoß war, also nicht erfunden ist. – Melchisedech erscheint „ohne Vater und ohne Mutter“ (Hebr. 7,3); er ist Typus Christi (Ps. 109 (110), 4; Hbr. 7,1-17) durch sein Priester-Königtum und sein Opfer. Ohne Opfer, als die dem Priester eigentümlichen Handlung, war die feierliche Begegnung des heimkehrenden Siegers mit dem „Priester des Allerhöchsten“ kaum denkbar. Die Opfergaben (Brot und Wein) waren in verschiedenen Kulten (Babel, Ägypten) üblich, hier zur Erquickung des Heeres im anschließenden Opfermahl angezeigt. – Alte Häretiker hielten Melchisedech für den Logos (Melchisedekiten bei Markus Eremita: Migne PG 65, 1117/40) oder für den Hl. Geist (Hierakas bei Epiphanius, Haer. 67) oder für eine über Christus stehende göttliche Kraft (Theodot der Wechsler bei Hippolyt, Refutatio omnium Haer. 7,36; Athinganer: Migne PG 86,33). – Die christliche Kunst stellt Melchisedech als Priester oder König dar, dem Abraham begegnet bzw. huldigt, manchmal nur den opfernden Melchisedech, mit Vorliebe aber in Verbindung mit dem Opfer Abels und der Opferung Isaaks, also 3 Vorbilder des Opfers Christi, die auch im römischen Canon Missae zusammen gestellt sind. – Eine gewisse Volkstümlichkeit erlangte Melchisedech als eucharistische Lehrgestalt im geistlichen Schauspiel. Im Orient fand Melchisedech kultische Verehrung (Fest am 25. März, 12. April oder 9. September). In der Adamskapelle unter dem Hügel Golgotha ist ihm ein Altar geweiht. – Ziemlich spät und vereinzelt (in Süddeutschland) ist die Verwendung des Namens Melchisedech als Bezeichnung der die Hostie tragenden Lunula. –
aus: Michael Buchberger, Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. VII, 1935, Sp. 62 – Sp. 63