Autorität der Päpste als Nachfolger Christi

Hut, bischöflicher Krummstab, Kleidungsstücke eines Papstes

Papst Leo XIII. sitzt in seiner päpstlichen Kleidung in seinem Arbeitszimmer, links von ihm sieht man auf einem Art Altar ein Kruzifix, rechts ist ein Bücherschrank

Christus hat seiner Kirche eine höchste Obrigkeit verliehen

Auszug aus dem Schreiben „Satis cognitum“

von Leo XIII. v. 29. Juni. 1896

638 … Nun aber ist keine menschliche Gesellschaft denkbar ohne eine oberste Regierungsgewalt. Gewiss hat also Jesus Christus seiner Kirche eine höchste Obrigkeit verliehen, der sich alle Christen im Gehorsam unterwerfen müssen.

Das göttliche Oberhaupt: Christus

639 Welches nun Wesen und Eigenart jener höchsten Gewalt ist, das kann man nur bestimmen, wenn man den Willen Jesu Christi erforscht und erkannt hat. Christus ist zweifellos König in Ewigkeit, und er fährt fort, vom Himmel aus auch unsichtbar sein Reich zu leiten und zu schützen. Da er aber ein sichtbares Reich wollte, musste er jemanden bezeichnen, um auf Erden seine Stelle zu vertreten, nachdem er selbst in den Himmel zurückgekehrt war. „Wenn nun jemand sagt, Christus sei das eine Haupt und der eine Hirt, wie er auch der eine Bräutigam der einen Kirche ist, so genügt diese Antwort nicht. Es ist zwar klar, dass Christus die Sakramente der Kirche spendet; er ist es, der tauft; er ist es, der die Sünden nachlässt; er ist der wahre Priester, der sich auf dem Altare des Kreuzes opferte und kraft dessen täglich sein Leib auf dem Altare konsekriert wird. Weil er aber nicht körperlich allen Gläubigen gegenwärtig sein kann, so hat er sich dennoch Diener erwählt, um durch deren Vermittlung die genannten Sakramente zu spenden, wie oben (Kap. 74) gesagt wurde. Aus demselben Grunde musste er, weil er seine leibliche Gegenwart der Kirche entziehen wollte, jemanden beauftragen, der an seiner Stelle die Sorge für die ganze Kirche übernehmen sollte. Darum hat er vor der Himmelfahrt zu Petrus gesagt: Weide meine Schafe“. (1)

Die menschlichen Stellvertreter: Der heilige Petrus

640 Jesus Christus hat demnach den heiligen Petrus zum obersten Lenker der Kirche bestimmt; und er ordnete an, dass dieses obrigkeitliche Amt, zum Heile aller für alle Zeiten eingesetzt, auf dessen Nachfolger übergehe, in denen somit Petrus durch seine Gewalt für immer fortleben sollte. Tatsächlich machte er jene große Verheißung nur dem heiligen Petrus, keinem andern: Du bist Petrus, der Fels, und auf diesen Felsen werde ich meine Kirche bauen. (2) „Zu Petrus sprach der Herr, zu ihm allein, um auf den einen die Einheit zu gründen“. (3) – Ohne ein Wort vorauszuschicken, nennt er des Apostels Vater und ihn selbst mit Namen (Selig bist du, Simon, Sohn des Jonas; [4]) aber er will nicht, dass er weiterhin Simon genannt werde; er nimmt ihn schon kraft seiner Gewalt als den Seinigen für sich in Anspruch und gefällt sich darin, ihn mit dem passenden Vergleich auch Felsenmann (Petrus) zu nennen, da er auf ihn die Kirche bauen will“. (5)

Aus diesen Worten folgt, dass die Kirche nach Gottes Willen und Befehl auf dem heiligen Petrus, wie das Gebäude auf seinem Fundamente, ruht. Nun aber gehört es zur Natur und Wirkung eines Fundamentes, dass es das Gebäude durch feste Verbindung der einzelnen Teile zusammenhalte und für das Ganze das notwendige Band der Unversehrtheit und Sicherheit bilde; wird das Fundament beseitigt, so stürzt das ganze Gebäude zusammen. Petrus hat also die Kirche zu stützen, zu schützen und durch ein unlösbares Band zu einigen und zu festigen. Wie könnte aber jemand dieser wichtigen Aufgabe genügen, ohne die Gewalt, zu befehlen, zu verbieten und zu richten, die wir wahrheitsgemäß und zutreffend als richterliche Vollmacht oder „Jurisdiktion“ bezeichnen? Kein Staat und kein öffentliches Gemeinwesen kann ohne diese Jurisdiktionsgewalt bestehen. Der Vorrang der Ehre und die schwache Vollmacht zu raten und zu mahnen, die man als Oberleitung oder „Direktion“ bezeichnet, nützt einer menschlichen Gesellschaft gar wenig und ist nicht imstande, ihr wahre Einheit und Festigkeit zu verleihen.

641 Jene volle Gewalt hingegen, von der Wir reden, ist ausgedrückt und bekräftigt durch die Worte: Und die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen. (6) – „Was werden sie nicht überwältigen? Die heilige Grundlage, worauf Christus die Kirche baut, oder die Kirche selber? Das Wort ist doppelsinnig. Oder gilt dies von bei den zugleich wie von einer und derselben Sache, vom Felsenfundament und von der Kirche? Ich halte dafür: die Pforten der Hölle werden weder den Felsen, auf den Christus die Kirche gründet, noch die Kirche überwältigen“. (7) Dieses göttliche Wort hat folgenden Sinn: Was immer für Gewaltmittel, was immer für Kunstgriffe die sichtbaren und unsichtbaren Feinde anwenden mögen, es wird ihnen nicht gelingen, die auf Petrus gestützte Kirche zu Fall zu bringen oder zugrunde zu richten. „Die Kirche, das Gebäude Christi, der mit Weisheit sein Haus auf Fels gebaut hat (8), ist für die Mächte der Hölle unerreichbar; sie überwinden zwar jeden, der abseits vom Felsen und von der Kirche steht, gegen die Kirche aber vermögen sie nichts“. (9) Gott hat mithin seine Kirche dem Petrus anvertraut, damit er sie stets unversehrt erhalte als unbesiegbarer Schutzpatron. Darum hat er ihn mit der nötigen Gewalt ausgestattet, denn wer eine Gesellschaft von Menschen tatsächlich und wirksam schützen soll, muss auch das Recht haben zu befehlen.

Die Päpste als Nachfolger im Primat

647 Weil diese oberste Autorität als Hauptbestandteil zur Verfassung und Organisation der Kirche gehört, und zwar als die Grundlage der Einheit und als Fundament ihrer dauernden Unversehrtheit, so durfte sie nicht mit dem heiligen Petrus untergehen, sondern musste sich auf seine Nachfolger von einem zum andern fortpflanzen: „Es bleibt also die Anordnung der Wahrheit bestehen, und der heilige Petrus lebt fort in der ihm als Fels verliehenen Kraft, und das einmal erfasste Steuerruder lässt er nicht mehr los“. (10)

Deshalb besitzen die Päpste, die dem Petrus auf dem römischen Bischofsstuhle folgen, kraft göttlichen Rechtes die höchste Gewalt in der Kirche. „Wir erklären, dass der römische Stuhl und der römische Papst den Primat innehat über die ganze Welt, dass der römische Papst der Nachfolger des heiligen Apostelfürsten Petrus und der wahre Stellvertreter sowie das Haupt der ganzen Kirche ist, der Vater und Lehrer aller Christen; dass ihm in der Person des heiligen Petrus durch unseren Herrn Jesus Christus die Vollmacht verliehen wurde, die ganze Kirche zu regieren und zu leiten, wie dies auch in den Verhandlungen der allgemeinen Kirchenversammlungen und in den heiligen Kirchensatzungen enthalten ist“. (11) Ähnlich äußert sich das IV. Laterankonzil: „Die römische Kirche besitzt gemäß der Anordnung Christi den Vorrang der ordentlichen Gewalt über alle anderen Kirchen, denn sie ist ja die Mutter und Lehrmeisterin aller Christen“. (12)

Anmerkungen:

(1) Thomas von Aquin, Contra Gentiles lib. IV cap. 76.
(2) Matth. 16, 18.
(3) Pacian von Barcelona, Epist. III, ad Sempronium n. 11. PL 13, 1071.
(4) Matth. 16, 17.
(5) Cyrillus von Alexandrien, In Evang. Joan. Lib. II, in cap. 1 v. 42. PG 73, 219.
(6) Matth. 16, 18.
(7) Origenes, Comment. In Matth. t. XII n. 11. PG 13, 1003.
(8) Matth. 7, 24.
(9) Origenes, Comment. In Matth. t. XII n. 11. PG 13, 1003-1006.
(10) Leo Magnus, Sermo III cap. 3. PL 54, 146.
(11) Konzil von Florenz, Decretum pro Graecis. Denzinger Nr. 694.
(12) IV. Konzil vom Lateran, cap. 2. Denzinger Nr. 433. –
aus: Anton Rohrbasser, Heilslehre der Kirche, Dokumente von Pius IX. bis Pius XII., 1953, S. 377 – S. 384

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