Pius XII. über die oberste Autorität in liturgischen Belangen
Rundschreiben Papst Pius XII. vom 20. November 1947
Mediator Dei et hominum
Rundschreiben über die heilige Liturgie, AAS XXXIX (1947) 521-595
Auszug
258 Deshalb steht nur dem Papst das Recht zu, eine gottesdienstliche Praxis anzuerkennen oder festzulegen, neue Riten einzuführen und gutzuheißen, sowie auch jene zu ändern, die er für änderungsbedürftig hält. (Vgl. Cod. iur. can., c. 1257). Die Bischöfe aber haben das Recht und die Pflicht, sorgfältig darüber zu wachen, daß die kirchenrechtlichen Vorschriften betreffs des Gottesdienstes genau eingehalten werden. (Vgl. Cod. iur. can., c. 1261) Es ist also nicht erlaubt, dem Gutdünken von Privatpersonen, auch wenn sie zum Klerus zählen, all das Heilige und Verehrungswürdige zu überlassen, das zum religiösen Leben der christlichen Gemeinschaft, zur Ausübung des Priestertums Jesu Christi und zum Gottesdienst, zur würdigen Verehrung der Heiligsten Dreifaltigkeit, des menschgewordenen Wortes, seiner gebenedeiten Mutter und der anderen Heiligen, sowie zur seelsorglichen Tätigkeit gehört; und ebenso ist kein Privater irgendwie befugt, auf diesem Gebiet äußere Handlungen anzuordnen, die mit der kirchlichen Disziplin, mit dem Aufbau, der Einheit und Eintracht des Mystischen Leibes Christi, ja nicht selten auch mit der Reinheit des katholischen Glaubens in engster Beziehung stehen.
259 Die Kirche ist ohne Zweifel ein lebendiger Organismus; deshalb wächst sie und entfaltet sich auch im Bereich ihrer heiligen Liturgie und paßt sich den zeitbedingten Notwendigkeiten und Umständen an, immer jedoch unter Wahrung der Unversehrheit ihrer Lehre. Ganz zu verurteilen ist aber das vermessene Unterfangen jener, die mit Absicht neue liturgische Bräuche einführen, oder überlebte, mit den geltenden Gesetzen und Rubriken nicht mehr übereinstimmende Gepflogenheiten wieder aufleben lassen. Daß dies vorkommt, geliebte Söhne und ehrwürdige Brüder, und zwar nicht nur in unbedeutenden Dingen, sondern auch in solchen von sehr großer Tragweite, haben Wir nicht ohne bitteren Schmerz erfahren. Es gibt tatsächlich Leute, die bei der Darbringung des hochheiligen eucharistischen Opfers sich der Volkssprache bedienen; die bestimmte, aus reiflich erwogenen Gründen schon genau festgelegte Feste auf andere Termine verlegen; die schließlich aus den amtlichen Gebetbüchern die Schrifttexte des Alten Testamentes ausmerzen, weil sie nach ihrem Dafürhalten unserer heutigen Zeit wenig entsprechen und nicht recht zu ihr passen.
260 Der Gebrauch der lateinischen Sprache, wie er in einem großen Teil der Kirche Geltung hat, ist ein allen erkennbares und schönes Zeichen der Einheit und eine mächtige Schutzwehr gegen jegliches Verderbnis der wahren Lehre. Bei manchen kirchlichen Zeremonien kann indes die Verwendung der Landessprache dem Volk sehr nützlich sein; nichts desto weniger ist es ausschließliche Sache des Apostolischen Stuhles, dies zu gestatten. Deshalb darf ohne seine Befragung und Billigung nichts Derartiges geschehen, weil eben, wie Wir schon sagten, die Regelung der Liturgie ganz von seinem Entscheid und seinem Willen abhängt. –
aus: Anton Rohrbasser, Heilslehre der Kirche, Dokumente von Pius IX. bis Pius XII., 1953, S. 157 – S.160
siehe auch den Beitrag „Pius XII. Altertumssucht in der Liturgie“