Die katholische Sicht einer Neuen Ordnung

Tiara des Papstes, Bischofsstab, Schlüssel

Aus der Weihnachtsansprache Pius XII. am 24. Dezember 1941

Porträt von Pius XII. in seiner päpstlichen Kleidung, ernst schaut er mit seiner Brille

Die katholische Sicht einer „Neuen Ordnung“ (Auszug)

Wir fassen nun das zusammen und ergänzen, was Wir bei anderen Gelegenheiten auseinander setzten, und weisen mit besonderem Nachdruck auf einige wesentliche Voraussetzungen einer internationalen Ordnung hin, die allen Völkern einen gerechten und dauerhaften Frieden sichert und einen blühenden Wohlstand zeitigt.

1. Im Rahmen einer sittlich begründeten neuen Ordnung ist kein Platz für Verletzung der Freiheit, Unversehrtheit und Sicherheit anderer Nationen, welcher Art auch ihre territoriale Ausdehnung oder ihre Verteidigungs-Möglichkeiten sein mögen…

2. Im Rahmen einer sittlich begründeten neuen Ordnung ist kein Platz für die offene und hinterlistige Unterdrückung der kulturellen und sprachlichen Eigenarten der nationalen Minderheiten durch die Behinderung und Beschränkung ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, durch die Begrenzung oder Vernichtung ihrer natürlichen Fruchtbarkeit.

3. Im Rahmen einer sittlich begründeten neuen Ordnung ist kein Platz für enge, selbstsüchtige Berechnungen, die auf eine derartige Aneignung der gemeinnützigen wirtschaftlichen Hilfsquellen und Rohstoffe abzielen, daß die weniger von der Natur begünstigten Nationen davon ausgeschlossen bleiben…

4. Im Rahmen einer sittlich begründeten neuen Ordnung ist, wenn einmal die gefährlichsten Brandherde bewaffneter Konflikte ausgeschieden sind, kein Platz für einen totalen Krieg und für eine hemmungslose Aufrüstung. Man darf nicht zulassen, daß das Grauen eines Weltkrieges mit seiner wirtschaftlichen Not, seinem sozialen Elend und seinen sittlichen Verirrungen zum dritten Mal über die Menschheit komme…

5. Im Rahmen einer sittlich begründeten neuen Ordnung ist kein Platz für die Verfolgung der Religion und der Kirche. Von einem lebendigen Glauben an einen persönlichen, überweltlichen Gott strömt eine echte und dauerhafte sittliche Kraft aus, die den ganzen Lebenslauf durchformt; denn der Glaube ist nicht allein eine Tugend, sondern das göttliche Tor, durch das in den Tempel der Seele alle Tugenden einziehen und wodurch jener starke und zähe Charakter begründet wird, der nicht wankt bei den Fährnissen des Urteilens und des Rechtsempfindens. Das gilt immer; aber besonders muss der Glaube seine Leuchtkraft zeigen, wenn wie vom Staatsmann so auch vom letzten der Bürger das Höchste an Mut und sittlicher Stärke verlangt wird, um ein neues Europa und eine neue Welt auf den Ruinen wieder aufzubauen, die der Weltkonflikt mit seiner Gewalt, seinem Hass, seiner Spaltung der Geister angehäuft hat. Was die soziale Frage angeht, die am Ende des Krieges noch brennender sein wird, so haben unsere Vorgänger und auch Wir Grundsätze zur Lösung aufgezeigt.

Dabei muss man jedoch beachten, daß sie nur dann ganz befolgt werden können und volle Frucht bringen, wenn Staatsmänner und Völker, Arbeitgeber und Arbeitnehmer beseelt sind vom Glauben an einen persönlichen Gott, den Gesetzgeber und Richter. Dem sie für ihr Tun Rechenschaft schuldig sind. Denn während der Unglaube, der sich gegen Gott, den Ordner des Weltalls stellt, der größte Feind einer gerechten Neuordnung ist, ist jeder, der an Gott glaubt, ihr mächtiger Förderer und Hüter. Wer an Christus glaubt, an Seine Gottheit, Sein Gesetz, Sein Werk der Liebe und Verbrüderung der Menschen, trägt besonders wertvolle Bausteine zum sozialen Wiederaufbau bei. Das gilt in noch höherem Maß für die Staatsmänner, wenn sie sich bereit zeigen, weit die Tore zu öffnen und den Weg zu ebnen für die Kirche Christi, damit sie frei und ohne Störung ihre übernatürlichen Kräfte in den Dienst der Verständigung der Völker und des Friedens stellen und mit ihrer eifernden Liebe an dem gewaltigen Werk der Heilung der Wunden des Krieges mitarbeiten kann.

Es ist deshalb unerklärlich, wie in einigen Gegenden vielfältige Maßnahmen den Weg der Botschaft des christlichen Glaubens versperren, während sie einer Propaganda, die ihn bekämpft, weitgehend freie Bahn lassen. Man entzieht die Jugend dem segensreichen Einfluss der christlichen Familie und entfremdet sie der Kirche; man erzieht sie in christus-feindlichem Geist, indem man ihr antichristliche Begriffe, Grundsätze und Lebenshaltung einflößt; man erschwert und behindert die Seelsorge und die karitative Tätigkeit der Kirche; man verkennt und lehnt ihren moralischen Einfluss auf den Einzelnen und die Gesellschaft ab: alles Maßnahmen, die im Lauf des Krieges durchaus nicht gemildert oder abgeschafft sind, sondern vielmehr unter mancher Rücksicht sich noch verschärften. Daß alles dieses und noch anderes fortgesetzt werden kann im Leid der gegenwärtigen Stunde, ist ein trauriges Zeichen des Geistes, in dem die Feinde der Kirche den Gläubigen inmitten all der anderen nicht leichten Opfer die kummervolle Last bitterer Sorge auferlegen, die das Bewusstsein beschwert.

Wir lieben, dessen ist Gott Zeuge, mit gleicher Liebe alle Völker ohne irgendeine Ausnahme; um auch nur den Anschein des Parteigeistes zu vermeiden, haben Wir Uns bis jetzt die größte Zurückhaltung auferlegt; aber die Maßnahmen gegen die Kirche und die Ziele, die sie verfolgen, sind derartig, daß wir Uns im Namen der Wahrheit verpflichtet fühlen, ein Wort zu sagen, auch damit nicht unheilvolle Verwirrung unter den Gläubigen entsteht.

Wir blicken heute auf den Gottmenschen, Der in einem Stall geboren ward, um den Menschen zu jener Größe zu erheben, von der ihn seine eigene Schuld herab gestürzt hatte; ihn wieder einzusetzen in die Kronrechte der Freiheit, Gerechtigkeit und Ehre, die ihm die Jahrhunderte des Götzendienstes verweigert hatten. Die Grundlage dieser Würde wird Calvaria sein, ihr Schmuck nicht Gold und Silber, sondern Christi Blut, göttliches Blut, das seit zwei Jahrtausenden die Welt entsühnt und die Wangen Seiner Braut, der Kirche rötet und ihre Kinder reinigt, weiht, heiligt und verherrlicht mit himmlischem Glanz.

Wir können an euch alle nur dem sehnlichen Wunsch und der beschwörenden Mahnung Ausdruck verleihen, es möge der Tag nicht mehr fern sein, an dem überall da, wo heute Feindschaft gegen Gott und Christus die Menschen zeitlichem und ewigem Unglück zutreibt, tieferes Erfassen der Religion und neues Wollen wachsen; der Tag, da über der Wiege der „Neuen Ordnung“ der Stern von Bethlehem steht als Sinnbild und Künder eines neuen Geistes; eines Geistes, der wieder mit den Engeln das Gloria in excelsis Deo anstimmt und endlich allen Völkern das „Friede den Menschen auf Erden, die eines guten Willen sind“, als Himmelsgeschenk verkünden kann… –
aus: (Hrsg.) Wilhelm Jussen SJ, Papst Pius XII., Gerechtigkeit schafft Frieden, Reden und Enzykliken, 1946, S. 57 – S. 64

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