Lexikon für Theologie und Kirche
Stichwort: Paradies
I. Das Paradies im Alten Testament. 1) Das urzeitliche Paradies ist nach Gn. 2, und 3 ein von Gott selber in der Landschaft Eden (*) gepflanzter Garten mit Zier- und Nutzbäumen, vor allem mit den 2 Wunderbäumen, dem Baum des Lebens und dem Baum der Erkenntnis von Gut und Bös. Die Flora des Paradieses (vielleicht auch auch die Fauna) existiert vor der Erde überhaupt. Auf der Erde fehlen noch die Existenz-Bedingungen dafür; im Paradies sind sie durch aus dem Boden stammendes Wasser gegeben, namentlich aber durch einen Strom, der in Eden entspringt und in 4 armen das Paradies bewässert (nach gewöhnlicher Annahme allerdings sich erst nach Durchfließen des Gartens in 4 Arme teilt.) Der Mensch wird nach Erschaffung ins Paradies versetzt, um es zu bebauen und als Herrschaftsgebiet Gottes zu hüten. Das Paradies dient zur äußeren Vollendung des inneren Glücks der ersten Menschen in ihrem Gnadenzustand. Es ist Schauplatz der Ur-Offenbarung sowie der Prüfung und des Sündenfalls der ersten Menschen. Seine Geschichtlichkeit ergibt sich aus einer gewissenhaften Exegese des Genesis-Berichtes; auch sind die Paradies-Traditionen bei einer Unzahl von Völkern nur auf Grund einer wirklichen Tatsache am Anfang der Menschheits-Geschichte erklärbar.
II. Vom urzeitlichen Paradies ist im Neuen Testament nicht die Rede. In Lk. 23, 43 spricht Jesus vom Paradies als dem Aufenthalt der Gerechten, während des Zwischenzustandes (Limbus). 2. Kor. 12, 4 und Apk. 2, 7 meinen das Paradies im Sinne von Himmel, durchflossen von einem Strom lebendigen Wassers, der vom Throne Gottes und des Lammes ausgeht; in ihm steht der Lebensbaum mit seinen Früchten und heilbringenden Blättern (Apk. 2, 7; 22, 2). Diese neutestamentlichen Vorstellungen sind auch in der apokryphen und rabbinischen Literatur des Judentums vorhanden, wo sich eine reichhaltige Tradition über das Paradies Adams, das Paradies der Seelen und das endzeitliche Paradies mit vielem Sondergut gegenüber den alt- und neutestamentlichen Angaben gebildet hat.
Die Ähnlichkeiten zwischen der biblischen Paradies-Tradition und den einzelnen Traditions-Elementen über das Paradies bei den zahlreichen Kultur- und primitiven Völkern werden am besten dadurch erklärt, daß man die biblische Paradies-Geschichte wie die außerbiblischen Fragmente einer Paradies-Vorstellung auf eine gemeinsame Urquelle zurück führt, auf die Uroffenbarung mit der ihr zu Grunde liegenden geschichtlichen Tatsache des Paradieses.
(*) Eden (= Steppe, sumerisch fruchtbares bearbeitetes Land). In Gn. 2, 8ff; Is. 51, 3; Ez. 28, 13; 31, 9 die fruchtbare, gut bewässerte Landschaft, worin das Paradies lag. Der Hebräer hörte aus dem Wort die Bedeutung „Lieblichkeit, Wonne“ heraus. Vulg.: paradisus voluptatis, nur Gn. 4, 16 Eden. (Bd. III, S. 535) –
aus: Michael Buchberger, Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. VII, 1935, Sp. 948 – Sp. 953