Schwierigkeiten des christlichen Ehestandes

Das Bild zeigt die Hochzeit zu Kana

I. Der christliche Ehestand

§ 4. Schwierigkeiten des Ehestandes

Gegenseitige Dienstbarkeit

Das Heiraten, das Gründen eines neuen Heimes, in welchem das schöne Wort: „Zwei Seelen und ein Gedanke, zwei Herzen und ein Schlag“ eine lebendige Wahrheit ist, ist keine so leichte und lustige Sache, wie junge Leute und alte Toren gerne träumen. Die Stadt- und Landpfarrer, die Bürgermeister und Armenpfleger wissen durch sehr viele Vorkommnisse zu beweisen, daß schon oft der fröhlich angetretene Ehestand in kurzer Zeit in einen traurigen Wehestand ausgeartet ist und recht schädliche Ärgernisse verursacht hat. Wäre der Ehestand selbst nach dem Urteil Jesu Christi nicht der beschwerlichste aller Stände, Er würde ihn nicht, oder doch nicht allein zu einem großen Sakrament der Liebe erhoben haben, um das seelische Einverständnis zweier sich liebender Personen zu heiligen und dadurch ihr wahres inneres Glück zu sichern. Allein viele Kandidaten des Ehestandes mißachten seine sakramentale Würde, betrachten ihn als ein Handelsgeschäft und berechnen klug die irdischen Vorteile, welche dabei zu gewinnen sind. Finden sie die Rechnung günstig, dann schließen sie das gute (!) Geschäft ab und tanzen in die Ehe hinein, ohne um den Ruf Gottes und das Heil der Seele sich zu kümmern, …

Jesus hat seinen Schülern prophezeit: „Ihr werdet traurig sein, aber eure Traurigkeit wird in Freude verwandelt werden.“ (Joh. 16,20); die Hochzeit prophezeit gleichfalls fast ohne Ausnahme den Brautleuten: „Ihr freut euch jetzt, aber eure Freude wird in Traurigkeit verwandelt werden!“ An der Wahrheit der ersten Prophetie darfst du nicht zweifeln, weil sie göttlich ist; an der Wahrheit der zweiten Prophetie wirst du nicht zweifeln, sobald du nur die drei Schwierigkeiten, welche mit der Ehe unzertrennlich verbunden sind, auf gerechter Waage abwägst.

I. Die erste Schwierigkeit, mit welcher der Ehestand alle Verheirateten belastet, ist die gegenseitige Dienstbarkeit. Am Traualtar kniend legt die Braut leichten Sinnes ihre rechte Hand in die des Bräutigams, sie übergibt ihm ihren wertvollsten Besitz – ihre Freiheit – und stellt ihr künftiges Tun und Lassen unter seine Gewalt: sie besiegelt diese Übergabe mit dem heiligen Gelöbnis, ihm willig zu gehorsamen, ihn mit Ehrfurcht zu lieben, bei ihm untertänig auszuharren bis in den Tod. Auch der Bräutigam beschränkt seine Freiheit zu Gunsten seiner Frau durch das kniend gegebene Versprechen, ihr treu zu bleiben, keine andere mit begierlichem Auge anzusehen, ihr in christlicher Liebe vorzustehen und Hilfe zu leisten bis in den Tod.

Dieses gegenseitige Verzichten auf die Freiheit ist ein kühnes Wagnis, weil die sich Heiratenden keine Engel und noch lange keine Heiligen sind, sondern elende Kindes Evas ohne Tugend und Erfahrung, weil ihrer Verehelichung kein Noviziat oder Probejahr bewilligt ist, wie den Kandidaten des Ordensstandes, und der eheliche Bund unauflösbar ist. Wehe dem jungen Mann, wenn seine Frau, von welcher er bislang nur Liebes und Gutes erfahren, an welcher er nur Zärtliches und Anmutiges gesehen, in welcher er nur Klugheit und Geschick vorausgesetzt hat, bald nach dem Verstummen der Hochzeitsgeige tatsächlich beweist, daß sie von Hausordnung und Sparsamkeit wenig versteht, daß sie außer der Toilette im Arbeiten kein Gelingen hat, daß sie von Monat zu Monat mehr Geld braucht und mit jedem neuen Jahr eigensinniger auftritt! Wehe der jungen Frau, wenn ihr Mann, den sie bisher nur im Festtagskleid gesehen, von dem sie nur süße Schmeicheleien, goldene Versprechen gehört und Schmucksachen empfangen hat, in welchem sie nur den geschickten Arbeiter, den tüchtigen Geldverdiener und den lustigen Gesellschafter angebetet hat, bald nach dem fröhlichen Hochzeitstanz, im Werktagskleid seine Wolfsnatur heraus kehrt, ihre empfindlichen Nerven mit bitteren Vorwürfen und rohen Schimpfworten liebkost, und seine Versprechen mit Rippenstößen oder Fußtritten einlöst; wenn der geschickte Arbeiter an den Spieltisch hinsitzt, wenn der tüchtige Geldverdiener berauscht mit zorniger Laune und leerer Tasche heimkommt! Ach, welch harte Dienstbarkeit!

Die sittlichen Gefahren

II. Die zweite, noch größere Schwierigkeit im Ehestand sind die sittlichen Gefahren der unsterblichen Seele, von denen nur drei hier angedeutet werden mögen:

a) Die christlichen Eheleute sind in der augenscheinlichen Gefahr, ihre standesmäßige Keuschheit zu verletzen, ohne welche sie nicht glücklich leben auf Erden und nicht selig werden können im Himmel (Hebr. 14,4). Diese Gefahr ist um so drohender, je mächtiger die Sinnlichkeit ihrer gegenseitigen Zuneigung bei der beständigen Gelegenheit zu vernunftwidriger Unmäßigkeit, oder je höher der Grad ihrer gegenseitigen Abneigung steigt bei der beständigen Gelegenheit einander im Gebrauch der ehelichen Rechte zu kränken, oder je zahlreicher die Glieder der Familie werden bei der stetigen Abnahme der hl. Gottesfurcht und des festen Vertrauens auf die göttliche Vorsehung, oder je häufiger die Versuchungen zur Eifersucht bei den täglichen Vorkommnissen in der argen Welt sich aufdrängen. „Es ist nicht schwer“, sagte der hl. Augustin, „im ledigen Stand Genüsse zu entbehren, die man nicht kennt und als verbotene flieht; aber es ist der menschlichen Schwäche sehr schwer, im Ehestand das richtige Maß in den erlaubten Genüssen nicht zu überschreiten.“

b) Die christlichen Eheleute leben in der augenscheinlichen Gefahr, sich gegenseitig mehr zu lieben als Gott und somit das größte Gebot zu übertreten. Es ist ein göttliches Gebot, daß der Mann sein Frau liebe, wie Jesus die Kirche liebt, und daß die Frau ihren Mann liebe, wie die Kirche Jesum liebt. Wird der Mann von einem Gegner beleidigt, beschimpft, geschädigt, so ist die Frau verpflichtet, ihn zu bemitleiden, ihn zu rechtfertigen, ihn zu entschädigen. Allein da steht sie vor der schweren Versuchung, zur Heilung dieser Wunde verbotene, schlechte Mittel anzuwenden, indem sie den Mann in noch größeren Zorn hineinsetzt und im Verein mit ihm an dem Gegner eine sündhafte Rache ausübt. Will der Mann, daß die Frau ihm behilflich sei, durch Lüge, Betrug … einen Gewinn an Geld oder Ehre zu machen, so ist sie verpflichtet, ihm ins Angesicht zu widerstehen und ihn von dem schlechten Vorhaben zurück zu halten. Allein die Erfahrung klagt, daß die Frauen, welche diese Pflicht ganz erfüllen, zu den ehrwürdigen Seltenheiten gehören. Huldigt der Mann falschen Grundsätzen, arbeitet er im Dienst der Kirchenfeinde, ist er ein liberaler Gernegroß, vernachlässigt er die Übungen der Religion, und verlangt er von seiner Frau, daß auch sie im Gebrauch der Moden, der Gesellschaften, der Vergnügen sich als aufgeklärte Freundin des Fortschritts zeige: o wie groß ist die Gefahr und Versuchung, daß das schwache Weib dem Mann mehr gehorche als Gott! Aber zehnmal größer ist die sittliche Gefahr für den Mann, wenn sein Weib liberal, ehrgeizig, rachsüchtig, verschwenderisch ist!

c) Den christlichen Eheleuten droht die augenscheinliche Gefahr, in der ängstlichen Sorge für das Irdische und Zeitliche die Grenzen des Erlaubten weit zu überschreiten. Zu den Ledigen sagt Jesus: Wollt ihr vollkommen werden, so geht hin, verkauft, was ihr habt, und gebt es den Armen… und dann kommt und folgt mir nach (vgl. Matth. 19,21): zu den Verheirateten spricht Er nicht so. Das Gesetz der Sorge für einander und für die Familie verpflichtet sie, daß sie, wenn sie zeitliche Güter schon besitzen, dieselben behalten und auf erlaubte Weise vermehren, oder daß sie, wenn sie noch keine oder zu wenige zeitliche Güter besitzen, solche mit erlaubten Mitteln sich erwerben. Allein noch strenger verboten ist der Geiz, die unordentliche Gier nach und die zu große Anhänglichkeit an die zeitlichen Güter. Mit strengem Ernst mahnt der hl. Paulus: „Die reich werden wollen, fallen in die Versuchung und in die Fallstricke des Teufels und in viele unnütze und schädliche Begierden, welche den Menschen in Untergang und ins Verderben stürzen.“ (1. Tim. 6,9) Wahrlich, diese beiden Pflichten harmonisch mit einander zu verbinden, ist sehr schwer! –

Erziehung der Kinder

III. Die dritte und vielleicht größte Schwierigkeit im Ehestand ist die Erziehung der Kinder.

Ein gründlicher Kenner des Lebens sagt: „Ich bin überzeugt, daß die Mehrzahl der christlichen Märtyrer um des Glaubens willen weniger Pein und Schmerzen gelitten haben, als die Mehrzahl der christlichen Eltern um ihrer Kinder willen leiden müssen“, und füge den Wunsch bei: „Möchten doch die christlichen Eltern ihre Schmerzen und Pein um der Kinder willen in ebenso frommer Meinung und mit ebenso großer Gottesliebe leiden, wie die selige Jutta die ihrigen um des ausgelassenen Sohnes willen gelitten hat!“

Frage selbst die christlichen Eltern, welche Unsumme der Ängste, der Schmerzen, der Todesgefahren auf ihnen lasteten, bis ihre Kinder geboren oder getauft waren? Welch bittere Kümmernisse am Tage, welch opferschwere Unruhe in der Nacht, welch drückende Ausgaben für den Arzt, welch schmerzliche Wunden des Mitleids die Wiegenkinder dem Elternhaus verursachen, bis sie auf den eigenen Füßen zu stehen und den Druck ihres Wehes mit eigenen Worten zu klagen vermögen, das kann die Mutter aus der eigenen Erfahrung am glaubwürdigsten berichten, vorzüglich die hausarme Mutter, welche nicht Brot genug hat, den Hunger ihres Kindes zu stillen, oder Mangel an Windeln, die Blöße desselben gegen Kälte zu schützen. Aber welch Jammer und Elend quält erst dann das Elternherz, wenn ihr Kind am Leib verkrüppelt, an den Augen blind, an den Ohren taub, an der Zunge gelähmt oder am Geist blödsinnig ist! Und doch ist das Sprichwort ganz wahr: „Kleine Kinder sind nur kleine Kreuze, erst die großen Kinder sind große Kreuze.“ Wohl sagt der hl. Geist: „Ein weiser Sohn erfreut seinen Vater“, aber Er fügt auch bei: „Ein törichter Sohn ist das Herzleid seiner Mutter.“ (vgl. Sprichw. 10,1) Einen tief ergreifenden und lehrreichen Gegenstand der Betrachtung über Schwierigkeit der Kindererziehung bietet Jesus in der Erzählung von dem frommen Vater, welcher zwei Söhne hatte, von denen der jüngere sein Vermögen in der Fremde verschwendete, und der ältere über die Freude des Vaters wegen der bußfertigen Rückkehr des verlorenen Sohnes zürnte (Luk. 15,16-32). –
aus: Otto Bitschnau, Christliche Standesunterweisungen, 1896, S. 23 – S. 24; S. 27 – S. 30

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