Unsere erste Pflicht gegen die Kirche

Ehrfurcht vor der Kirche ist Ehrfurcht vor dem Heiligen Geist

Teil 8

Unsere erste Pflicht gegen die Kirche ist an sie zu glauben

Endlich verlangt um der Kirche, um seiner- und um unserwillen unsere Pflicht gegen die Kirche von uns eine ganz besondere Liebe- und Ehrerbietigkeit gegen den obersten Hirten als den persönlichen Stellvertreter Iesu und das erkorene Orakel des heiligen Geistes. Unser Benehmen gegen ihn muss das von Kindern und Untertanen sein, und wieviel schließt dies in sich! Alles, was ihm gehört, sollte uns teuer sein. Jeder feierliche Ausdruck seines Wunsches sollte für uns die Kraft eines Gesetzes haben. In zweifelhaften Dingen, vor allem in Dingen, wo es seine Würde und sein Amt betrifft, sollten wir keinen bessern Beweisgrund für unsere Überzeugung suchen als sein Urteil, kein stärkeres Motiv für unser Betragen, als sein Verlangen. Kann ein Kind seinem Vater, oder ein Untertan seinem Fürsten weniger Ehre antun? Wenn es eine moralische Pflicht des Christen ist, nüchtern, wahrhaftig, gerecht und rein zu sein, so ist es auch wesentlich eine moralische Pflicht des Christen, dem Statthalter Christi auf Erden zu gehorchen. Wie leicht ist dies gesagt, aber wie viel bedeutet es! Es ist keine sehr heroische Übung der Demut, zu glauben, daß er es besser weiß als wir, auch nicht ein sehr schwerer Akt der Unterwürfigkeit, ihm lieber die Art von Dienst zu erweisen, die er anzusprechen beliebt, als irgend einen andern Dienst, den wir für zeitgemäßer oder ratsamer halten. Es gibt Zeiten, wo die treue Anhänglichkeit nicht wohl übertrieben werden kann. Ist die unsrige keine solche Zeit? Gibt es aber in Wahrheit irgend eine Zeit, wo die Treue gegen den Statthalter Christi in ihrer Selbstaufopferung das Maß überschreiten kann? O Kinder der Kirche, wenn die Zeiten eines von euch mit ihrem irdischen Schimmer geblendet haben, so daß eure Augen zu schwach sind, den himmlischen Glanz der dreifachen Krone unseres Vaters zu ertragen, so soll wenigstens euer Glaube, eure Trauer und eure Liebe seiner Dornenkrone die Huldigung nicht versagen.

Ach, wie leicht können sich jene verirren, die wir lieben! Wie leicht können wir selbst uns verirren! In diesen Dingen kommen unsere Gefahren nicht so sehr von jenen, die außerhalb stehen als von denen innerhalb. Unseres Herrn schlimmste Feinde waren stets seine eigenen Hausgenossen. „Falsche Brüder, die sich eingeschlichen hatten,“ (Gal. 2, 4) waren schon in den Zeiten der Apostel eine Prüfung. Alle Päpste haben, wie ihr Meister, ihren Judas. Wir dürfen darüber nicht erzürnt sein. Wir müssen uns betrüben. Betrübnis vermag mehr bei Gott. Es erfordert einen großen Heiligen, mit Zorn erfüllt und zugleich liebend zu sein. Zorn ist in Zeiten wie die gegenwärtigen, wo die Hand unseres himmlischen Vaters so schwer auf uns liegt, unter allen Dingen am wenigsten geziemend; aber Traurigkeit ist klagend wie ein Gebet.

Wir müssen uns also vor den Gefahren, die von innen kommen, in Acht nehmen. Wir müssen auf unserer Hut sein, sogar vor katholischen Büchern, Zeitschriften, Zeitungen und Pamphleten, so gut sie dem Scheine nach sein mögen. Unser Erlöser sagte von den falschen Propheten der letzten Tage, daß sie wo möglich sogar die Auserwählten täuschen würden. Nun aber müssen wir uns erinnern, daß wenn alle offenbar guten Menschen auf der einen Seite ständen, und alle offenbar bösen Menschen auf der andern, keine Gefahr vorhanden wäre, daß irgend einer, am allerwenigsten die Auserwählten, durch lügende Wunder sich täuschen ließen. Es sind die guten Menschen, die einst gut waren, und wie wir hoffen müssen, noch gut sind, welche das Werk des Antichrist tun und den Herrn von neuem so traurig kreuzigen sollen, den zu lieben sie mehr als bekennen. Vergesset nicht diesen Charakterzug der letzten Tage, daß ihre Betrüglichkeit daher kommt, daß gute Menschen auf der schlechten Seite sich befinden.

Dem ungeachtet muss das Beispiel der Frommen und Abgetöteten und vor allen der Demütigen und Gehorsamen in Fragen dieser Art von großem Gewichte sein. In allen Gegenständen, welche die Verhältnisse der Kirche zur Welt betreffen, sind die Heiligen die einzigen sichern Lehrer. Wenn daher Jemand euch von solchen Dingen zu überzeugen sucht, so lasset euch mehr von seinem Leben überzeugen als von seiner Gelehrsamkeit. Der Wert seines Urteils hängt weniger davon ab, wie viel er weiß, als davon, wieviel er betet. Wäget nicht bloß eine Wissenschaft, wäget auch seine Demut. Es liegt etwas Schreckliches in der Untreue eines Katholiken gegen die Kirche, aber dieses Schreckliche hat noch etwas Besonderes in einem falschgläubigen Lande. So traurig und häßlich diese Untreue ist, wenn sie aus dem unvollkommenen Katholizismus, oder der widerstrebenden Unterwürfigkeit eines Konvertiten entspringt, so ist sie noch schlimmer, wenn sie von der feigen Furcht oder dem geistigen Hochmut eines Menschen kommt, der das unschätzbare Glück hatte, im Schoße der Kirche geboren zu werden.

Die Tage sind in der Tat sehr schlimm, sehr gesetzlos, ohne Glauben, ohne Gebet. Selbst wenn der Antichrist noch nicht herankommt, so sind die Zeiten doch voll von den Gefahren der Tage des Antichrist. Viele Seelen werden wie von einem Wirbel in unergründliche Tiefen von Sünde, vielleicht sogar in den Schatten der immer dauernden Sünde, der Sünde wider den heiligen Geist hinein gezogen; — Seelen zumal, die einst so viel versprachen, selbst jetzt noch so gut sind, Seelen, die Jesu so schön und so lieblich erschienen, als Er sie von seinem Kreuze aus erblickte.

Ist es nicht ein Schmerz, ist es nicht ein Elend, daß man uns zum Gebete drängen, gleichsam spornen muss, heiliger zu werden? Die Kirche ist der Fels Christi. Auf unsere Tage beziehen sich gewiß folgende seiner Worte: „Wer auf diesen Stein fällt, der wird zerschmettert werden, und auf wen er fällt, den wird er zermalmen.“ (Matth. 21, 44) Ach! daß es eine falsche Prophezeiung wäre, daß viele Seelen, die in gewöhnlichen Zeiten hätten gerettet werden können, jetzt auf traurige geheimnisvolle Weise zu Grunde gehen werden, weil es ihnen an Ehrfurcht vor der Kirche fehlt! Spiritus Sancte Deus! Miserere nobis! –
aus: Frederick W. Faber, Ehrfurcht vor der Kirche und treue Anhänglichkeit an dieselbe, 1861, S. 31 – S. 36

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