Ehrfurcht vor der Kirche ist Ehrfurcht vor dem Heiligen Geist
Teil 5:
Die Liebe, die der Heilige Geist zur Kirche hat
In dem Glaubensbekenntnisse nennen wir die Kirche heilig. Wir geben ihr gerade das bezeichnende Beiwort, das dem ewigen Geiste selbst, dem heiligen Geiste gehört. In der dreifachen Einteilung des Glaubensbekenntnisses stellen wir die Artikel, welche die Kirche betreffen, mit den Artikeln zusammen, durch die wir unsern orthodoxen Glauben an den heiligen Geist bekennen. Wie verschieden sind die Arten der Heiligkeit, wie mannigfaltig die schönen Werke der christlichen Liebe, die in der Kirche Blüten und Früchte getragen haben, wie wunderbar der Glanz der Heiligen, wie übernatürlich die Triebe, die Berufungen, der Geist und die Macht der zahlreichen geistlichen Orden, wie erstaunlich die himmlischen Wohlgerüche von fast zahllosen Andachten, Festen und gut geheißenen Gebräuchen der Kirche, und was zeigt uns all dieser Anblick von Heiligkeit anders, als die Ernten der Gaben und Gnaden des heiligen Geistes? Wahrlich, je mehr wir nachdenken, um so unzertrennlicher muss uns die Ehrfurcht vor der Kirche und die Ehrfurcht vor dem heiligen Geiste erscheinen.
Aber dieser Gedanke wird sich in uns immer mehr entwickeln, wenn wir gehörig über die Liebe nachdenken, die der heilige Geist zu der Kirche hat. Er ist das unerschaffene Feuer der Gottheit, Er insbesondere die unerschaffene Liebe. Die Liebe gehört Ihm vermöge einer geheimnisvollen persönlichen Aneignung, gerade wie die Macht dem Vater gehört und die Weisheit dem Sohne. Feuer und Liebe sind die Merkmale aller seiner Kraftäußerungen. Mit der Unermesslichkeit dieser feurigen Kraftäußerungen umgibt und umschlingt Er beständig die Kirche. Er liebt mithin die Kirche, und Er liebt sie mit einer unendlichen und ewigen und tatkräftigen Liebe, weil Er Gott ist, und Er liebt sie auf eine eigentümliche Weise, weil Er ist die dritte Person der unzertrennlichen Dreieinigkeit.
Er liebt auch die Kirche und zwar mit der innigsten Liebe, weil sie die Kirche Jesu ist und der sakramentale Aufenthalt Jesu bis ans Ende der Zeit. Durch seine unaussprechliche Überschattung wurde die heilige Menschheit Jesu zuerst gebildet. Er wohnte in dem heiligen Herzen Jesu, wie Er in keinem andern geschaffenen Dinge wohnt. In der Seele Jesu entfaltete Er alle Herrlichkeit seiner Gaben und Gnaden, wie Er sie sonst nirgends entfalten kann. Es war eine Freude für Ihn über alle Freuden, daß Jesus wollte, daß Er komme und sein Werk fortsetze und gleichsam sein Nachfolger wäre in seinem Amte für die Kirche. Wie Jesus Ihn liebte, wissen wir aus den glühenden Worten, die Er von Ihm sprach, und aus jenen furchtbaren Worten über Ihn, die wir eben jetzt betrachten, und die im rechten Lichte angesehen, der erhabenste Ausdruck seiner Liebe zu der Person des heiligen Geistes sind. Für diejenigen, die unsern Herrn wahrhaft lieben, ist es einer der schönsten Ansprüche des heiligen Geistes auf unsere Liebe, während es auch ein köstlicher Beweis seiner Gegenwart in uns ist, daß, wie der heilige Paulus sagt, „Niemand sagen kann Herr Jesus, außer im heiligen Geiste.“ (1. Kor. 12)
Er liebt ferner die Kirche, weil sie die Kirche des ewigen Vaters ist, das Ihm von seinem eingeborenen Sohne dargebrachte Opfer, die Frucht seines anbetungswürdigen Opfertodes und kostbaren Blutes. Er ist selbst der Tröster, den der Sohn vom Vater sandte, der Geist, der aus geht von dem Vater. Er ist der Geist der Kindschaft, in dem wir rufen: Abba, Vater! Er war selbst die Verheißung des Vaters, auf die in Jerusalem zu warten unser Herr seinen Jüngern auftrug. (Joh. 15, 26; Röm. 8, 15; Apg. 1, 4) Wer kann in die gegenseitigen Abgründe der Liebe eindringen, die es in dem beseligenden Leben der heiligsten und unzertrennlichen Dreieinigkeit gibt? Dennoch müssen wir dies auf rechte Weise tun, um die Liebe zu ermessen, die der heilige Geist zu der Kirche Christi trägt. Noch einmal: Der heilige Geist hat eine besondere Liebe zu der Kirche wegen seines besonderen und gleichsam amtlichen Verhältnisses zu ihr, da Er nach der Himmelfahrt die Stellung unseres Herrn zu ihr einnimmt. Vermöge dieses besondern und amtlichen Verhältnisses zu der Kirche hatte der heilige Geist, wenn wir von seiner anbetungswürdigen Majestät so reden dürfen, gewisse Pflichten, die Ihn an sie knüpften, und sie hatte gewisse Ansprüche auf Ihn und gewisse Rechte an eine besondere Ausgießung seiner Liebe… –
aus: Frederick W. Faber, Ehrfurcht vor der Kirche und treue Anhänglichkeit an dieselbe, 1861, S. 22 – S. 26