Wie fromme katholische Fürsten ihre Reiche der Lieben Frau durch ein feierliches Gelübde widmen
II. König Ludwig XIII. von Frankreich
In Frankreich wird Maria Himmelfahrt seit mehr als 200 Jahren mit einer äußeren Pracht gefeiert, wie sie die übrigen Feste der allerseligsten Jungfrau nicht haben. — Prozessionen werden wie am Frohnleichnams-Tag gehalten, von Freudenliedern widerhallen die Lüfte, und die Tempel sind geschmückt wie an den höchsten Feste des Herrn — denn die Himmelfahrt Maria ist das Fest Frankreichs, das Fest seiner Patronin! Das Gelübde des Königs Ludwig XIII. gab dazu Veranlassung.
Dieser König war mit seiner Gemahlin, Anna von Österreich, schon 23 Jahre verehelicht und ihre Ehe blieb kinderlos. Unterdessen waren viele Gebete verrichtet, viele Almosen gegeben, viele neuntägige Andachten angestellt, vieleWallfahrten unternommen worden, um die Gnade zu erlangen, daß der König einen Prinzen erhielte. Die Gebete fanden Erhörung, Anna ward Mutter und gebar den nachmaligen König Ludwig XIV.
Alsbald erließ der fromme, freudige Vater in der Begeisterung seiner Dankbarkeit ein Dekret, in welchem er dem ganzen Lande feierlich verkündete, daß für alle künftige Zeiten der gebenedeiten Gottesmutter Frankreich geweiht, daß Maria die besondere Schutzfrau dieses großen Reiches sein soll.
Das Dekret erließ er am 10. Februar 1638 von St. Germain aus. Nachdem er im Eingang alle Wohltaten aufgezählt hatte, welche ihm und seinem Reich der Allmächtige während seiner Regierung gewährt, fährt er also fort:
„Angesichts solcher offenbaren Gnadenerweisungen haben wir uns zum Dank für verpflichtet erachtet, uns niederzuwerfen vor den Füßen der göttlichen Majestät, die wir in drei Personen anbeten, und zu den Füßen der heiligen Jungfrau und des heiligen Kreuzes, wo wir die Erfüllung des Geheimnisses unserer Erlösung empfingen, durch das Leiden und den Tod des Sohnes Gottes, und uns seiner Herrlichkeit zu weihen durch seinen bis zu uns erniedrigten Sohn und diesem Sohn durch seine bis zu ihm erhobene Mutter, in deren Schutz wir insbesondere unsere Person, unser Reich, unsere Krone und alle unsere Untertanen stellen, um so den Schutz der heiligsten Dreieinigkeit durch ihre Fürsprache und den des ganzen himmlischen Hofes durch ihr Ansehen und ihr Beispiel zu erlangen. Da unsere Hände nicht rein genug sind, um unsere Opfer dem unendlich Heiligen darzubieten, so glauben wir, daß die Hände, welche würdig gewesen sind, ihn selbst zu tragen, daraus angenehme Gaben machen werden, und es ist ganz vernünftig, daß sie, dieVermittlerin der göttlichen Wohltaten gewesen ist, auch die Vermittler in unserer Danksagungen sei.
Aus diesen Gründen haben wir erklärt und erklären wir, daß wir die heilige und glorreiche Jungfrau zur besonderen Beschützerin unseres Königreichs erwählen und ihr insbesondere unsere Person, unsern Staat, unsere Krone und unsere Untertanen widmen, indem wir sie anflehen, sie wolle uns ein heiliges Leben einflößen und dieses Königreich gegen die Angriffe aller seiner Feinde verteidigen, und daß dasselbe, möge es die Geißel des Krieges erdulden oder das Glück des Friedens genießen, nie aus den Wegen der Gnade weiche, welche zu den Wegen der Herrlichkeit führen. Und damit die Welt nicht ermangeln möge, unserm Willen in diesem Punkte nach zukommen , so werden wir als unvergängliches Denkmal der Widmung, die wir gegenwärtig machen, den Hochaltar der Domkirche U. L. Frau in Paris neu errichten lassen, mit einem Bildnis der heiligen Jungfrau, wie sie in ihren Armen ihren teueren Sohn hält; wir werden uns selbst abbilden lassen zu den Füßen des Sohnes und der Mutter, indem wir ihnen unsere Krone und unser Zepter darbringen. Wir ermahnen den Herrn Erzbischof von Paris und machen es ihm zur Pflicht, daß er alle Jahre am Festtag Mariä Himmelfahrt unserer gegenwärtigen Erklärung während des Hochamtes in seiner Kathedrale erwähne, und daß nach der Vesper des genannten Tages in der genannten Kirche eine Prozession gehalten werde, an welcher alle obrigkeitlichen Personen und der Stadtrat teilnehmen sollen, in der nämlichen Art und Weise, wie bei den feierlichsten Prozessionen. Wir wollen, daß dasselbe auch geschehe in allen Kirchen, sowohl Pfarr- als Klosterkirchen genannter Stadt und Vorstädte und in allen Städten, Flecken, Dörfern genannten Bistums.
Wir ermahnen gleichermassen alle Erzbischöfe und Bischöfe unseres Reiches und machen es ihnen gleichfalls zur Pflicht, dieselbe Feierlichkeit in ihren bischöflichen Kirchen und anderen Kirchen ihres Bistums zu begehen, in der Erwartung, daß bei dieser Feier die obrigkeitlichen Personen, sowie die vornehmsten städtischen Behörden gegenwärtig seien. Und wofern es mehrere bischöfliche Kirchen gibt, welche der heiligen Jungfrau nicht geweiht sind, so ermahnen wir die genannten Erzbischöfe und Bischöfe, in diesem Falle der heiligen Jungfrau die Haupt- Kapelle besagter Kirchen zu weihen, damit daselbst die besagte Feier abgehalten werde, und daselbst einen Altar mit einem, einer so wichtigen Handlung angemessenen Schmuck zu errichten, sowie alle Untertanen zu ermahnen, daß sie eine besondere Andacht zur Mutter Gottes haben und an diesem Tage ihren Schutz anflehen, damit, unter einer so mächtigen Patronin, unser Reich vor allen Unternehmungen seiner Feinde gesichert sei, daß es lange eines guten Friedens sich erfreue, daß Gott darin so gewissenhaft verehrt werde, daß wir und unsere Untertanen glücklich zu dem letzten Ziel gelangen können, für welches wir Alle erschaffen sind.“ Gegeben etc. Ludwig.
Kaum war die Gemahlin des Königs vom Wochenbett aufgestanden, so kam sie nach Paris, um der heiligen Jungfrau in der Kirche U. L. Frau vom Sieg zu danken. –
Seit dieser Zeit hat, wenn man die Jahre der Revolution und des Umsturzes ausnimmt, die Prozession von Mariä Himmelfahrt beständig in Frankreich stattgefunden; nicht bloß in den Kirchen, sondern auch außerhalb derselben, die Straßen entlang und aus den Plätzen der großen Städte, wie zwischen den Hütten und Hecken der bescheidenen Dörfer. Ludwig XIV. und seine Nachfolger bis auf Karl X. schlossen sich den Verordnungen ihres Ahnherrn an. Gewiß hat Frankreich dem Schutz seiner mächtigen Patronin zu verdanken, daß es in den schrecklichen Umwälzungen, in welche die Gottlosigkeit lasterhafter, von der Hölle aufgestachelter, mit Hass gegen alles Christliche erfüllte Menschen es gestürzt hat, nicht unter gegangen ist; ja daß der Glaube wie je zuvor blüht und die herrlichsten Früchte der Gerechtigkeit und Tugend hervor bringt. (Nach Sausseret.) –
aus: Georg Ott, Marianum Legende von den lieben Heiligen, Zweiter Teil, 1869, Sp. 1888 – Sp. 1890