Das gute Gewissen ist ein sanftes Ruhekissen
„Ein gutes Gewissen ist ein sanftes Ruhekissen“, lehrt ein bekanntes Sprichwort; und die Wahrheit dieses Sprichwortes, wie lieblich schön bestätigt sie der im Gefängnis schlafende Petrus! Betrachte dieses Schauspiel: Petrus liegt im Kerker zu Jerusalem, in dem Kerker, der nur für die zum Tode Verurteilten bestimmt war, und – schläft ruhig. Petrus ist mit Ketten angeschmiedet an zwei rohen Soldaten, die ihm zürnen, weil sie um seinetwillen die unbequemen Ketten tragen und den langweiligen Wachtdienst im Dunkel des Gefängnisses versehen müssen, und – er schläft sanft. Petrus weiß, daß für ihn die letzte nacht angebrochen, daß er am andern Tage öffentlich unter dem Hohngelächter seiner Feinde eines grausamen Martertodes sterben muss, und – schläft in sicherer Ruhe. Staunend ruft da der hl. Augustin: „O gutes Gewissen, du bist zwar noch auf Erden, in diesem Tal des Jammers, aber zugleich wohnst du im Himmel, im Vaterhaus des ewigen Friedens!“ – Beherzige daher wohl:
1. Worin das gute Gewissen bestehe. Es besteht in dem Zeugnis des heiligen Geistes, von dem der hl. Paulus (Röm. 8) lehrt: „Ihr habt empfangen den Geist der Kindschaft, in welchem wir rufen: Abba, Vater! Und dieser Geist selbst gibt Zeugnis unserm Geist, daß wir Kinder Gottes sind: sind wir aber Kinder, so sind wir auch Erben, nämlich Erben Gottes und Miterben Christi, wenn wir anders mit Ihm leiden, damit wir auch mit Ihm verherrlicht werden.“ Du kannst kein wahreres Zeugnis, keine größere Gewissheit wünschen, als das Zeugnis des hl. Geistes, welcher dir sagt und bezeugt, daß du Gnade gefunden vor dem Angesicht Gottes, daß Gott, dein Vater, dich als sein Kind liebe und beschütze. Das gute Gewissen besitzt nach der Erklärung des hl. Thomas von Aquin derjenige, welcher im Stande der heiligmachenden Gnade ist; denn durch die heiligmachende Gnade wohnt die ganze hochheilige Dreifaltigkeit im Herzen des Gerechtfertigten, gemäß der Verheißung Jesu: „Wer Mich lieb hat und mein Wort hält, den wird mein Vater lieben, und Wir werden zu ihm kommen und unsere Wohnung in ihm aufschlagen.“ (Joh. 14) O welch` ein Glück, ein gutes Gewissen zu haben, sich in wirklicher Gesellschaft mit dem dreieinigen Gott zu wissen!
2. Das gute Gewissen erlangst du dadurch, daß du Jesus, deinen Bruder, Lehrer und Erlöser, lieb hast und sein Wort hältst. Diesen Schatz kannst du nicht finden in den vergänglichen Gütern dieser Welt, nicht in den sinnlichen Ergötzungen des Fleisches, nicht in den Ehren und Lobsprüchen, welche dir die wetterwendische Volksgunst spendet, sondern nur in Gott selbst, d. h. in der Gnade, welche dich zum Kind Gottes und zum Miterben Christi macht. „Denn das Menschenherz“, sagt der hl. Augustin, „ist so erhaben und groß, daß es von keinem andern, als vom höchsten Gut befriedigt werden kann.“ Indem du dich also nach der Lehre der katholischen Kirche anstrengst, die heiligmachende Gnade mittelst der heiligen Sakramente zu erlangen und zu bewahren, gewinnst du jenen Frieden, den die Welt nicht geben kann. Wenn dann auch Leiden und Trübsale über dich kommen, wenn aller zeitliche Trost von dir weicht, ja wenn der Tod selbst die Sense über deinem Haupte schwingt: du magst in ungetrübter Ruhe, wie Petrus im Gefängnis, seinen Streich erwarten, weil er nur die Bande dieses Erdenlebens durchschneidet und dich hinüber führt in die Ewigkeit, wo du dein höchstes und einziges Gut genießen wirst. –
aus: Otto Bitschnau OSB, Das Leben der Heiligen Gottes, 1881, S. 573 – S. 574