Heiligenkalender
1. Mai
Der heilige Joseph Nährvater Jesu Christi
Der heilige Joseph, der von Gott begnadigte Gemahl der allerseligsten Jungfrau und Gottesmutter, wurde zu Nazareth in Galiläa, oder wie andere Schriftsteller behaupten, zu Bethlehem in Judäa geboren. Er war der zweitgeborene Sohn Jakobs von Nathan, aus dem Stamme Juda, und aus derselben Familie, aus dem königlichen Hause Davids, wie seine Braut, die auserwählte Jungfrau Maria.
Am achten Tag nach seiner Geburt empfing er nach dem Gesetz Mosis die Beschneidung und dabei den Namen Joseph, welcher Name in unserer Muttersprache „der Zunehmende“ heißt, weil er immer an Tugend, vorzüglich an Unschuld und Reinigkeit zugenommen hat. (siehe den Beitrag: Der heilige Joseph lebte jungfräulich) Der heilige Johannes Chrysostomus und noch einige Gelehrte glauben, Joseph sei schon im Mutterleib geheiligt worden.
Obschon der heilige Joseph aus einer edlen und königlichen Familie war, wurde er doch in einem armen Stand geboren. Diese Armut aber, in welcher Joseph geboren wurde und lebte, war ein besonderer Zug der göttlichen Vorsehung. Denn da er für den wahrhaften Vater Jesu geachtet werden, welchem er dienen und den er ernähren sollte, und da Jesus, der wahre Mensch gewordenen Sohn Gottes uns zum Beispiel ein armes und zurückgezogenes Leben führen sollte, war es notwendig,, daß Joseph von einem armen und unbedeutenden Stande sei.
Die älteste und allgemeinste Meinung der heiligen Gottesgelehrten ist, daß der heilige Joseph das Geschäft eines Schreiners oder Zimmermanns getrieben habe. Nichts desto weniger war Joseph als Handwerker weder ungeschickt noch unwissend. Er war sehr erfahren, besonders in der Kenntnis der heiligen Schrift,, dessen ungeachtet aber wollte er in seiner tiefen Demut sich dem Amt eines Zimmermanns widmen.
Niemand wird im Stande sein, die Heiligkeit Josephs zu verstehen, noch weniger aber zu erklären. Ganz gewiß ist, daß er ein vollkommen unschuldiges Leben führte, so daß das heilige Evangelium ihn vorzugsweise gerecht nennt, die Gerechtigkeit aber schließt alle Tugenden in sich. Er war voll Ehrbarkeit, voll des Glaubens, der Hoffnung, der Liebe, voll der guten Sitten und aller Tugenden.
Wenn Maria Braut werden sollte, ohne ihre Jungfräulichkeit zu verlieren, so musste Gott, der sie so sehr liebte, für einen Bräutigam sorgen, der ihrer würdig und reich an allen Tugenden und Vorzügen der Gnade war, welche ihn ihr ganz ähnlich und ihrer ganz würdig machen konnte. Es war demnach notwendig, daß Gott, welcher Alles mit unendlicher Weisheit und unaussprechlicher Vorsicht leitet und lenkt, den heiligen Joseph mit allen jenen Tugenden und Gnaden, mit aller Vollkommenheit und Heiligkeit erfüllte, welche für einen würdigen Bräutigam der wahrhaften Mutter des Mensch-gewordenen ewigen Wortes, für dessen Vater er gehalten werden sollte, erforderlich waren. Aber wie groß und erhaben seine Heiligkeit gewesen, kann man nicht begreifen, noch viel weniger erklären. Daher übergehen die heiligen Evangelisten seine Heiligkeit mit geheimnisvollem Stillschweigen, und halten es für einen hinreichenden Beweis seiner unaussprechlichen Heiligkeit, daß sie bloß sagen, daß Maria, die Mutter Jesu, seine Braut, seine Verlobte gewesen. (Matth. 1, 18)
Zur Vollendung seiner Vollkommenheit beschloss Joseph, Gott seine Unschuld durch ein Gelübde zu weihen, damit er seiner künftigen heiligsten Braut ähnlicher würde. Die heiligen Kirchenväter haben den heiligen Joseph immer für eine Jungfrau gehalten, und sagen, daß er wegen seiner Jungfräulichkeit verdient habe, der Bräutigam der heiligsten Jungfrau und Mutter Gottes zu werden. (Cornel. a Lap. Comm. In Matth.) Nach dieser Lehre der heiligen Väter ist es auch eine Lehre der Kirche, daß der heilige Joseph in vollkommener Unschuld gelebt hat und in selber gestorben ist kraft des Gelübdes, welches er Gott gemacht hatte, ohne daß er aber dadurch verhindert gewesen wäre, mit Maria, welche ebenfalls durch ein Gelübde ihre jungfräuliche Reinigkeit Gott geweiht hatte, eine gesetzliche Ehe zu schließen, sich mit ihr zu vermählen, so zwar, daß man in Wahrheit sagen kann, zwei sehr reine Jungfrauen, beide von einem Gelübde, die ewige Jungfrauschaft zu bewahren, gebunden, waren in Wahrheit mit einander verlobt. So lehrt die heilige katholische Kirche und feiert deshalb auch das Fest Vermählung Mariens, der heiligen Jungfrau. (Siehe 22. Januar) Das wahre Eheband besteht in der wechselseitigen Einwilligung zur Vereinigung der Herzen. Eine solche Ehe war jene des heiligen Joseph und der allerseligsten Jungfrau Maria, welche durch eine gesetzliche Vermählung geschlossen worden ist. Zur Zeit, da Joseph diese heilige, reinste Ehe schloss, war er in einem reifen, männlichen Alter von nicht weniger als 40 und nicht mehr als 60 Jahren nach der Meinung der Gelehrten der Kirche. Diese wunderbare Vermählung wurde also im heiligen Tempel zu Jerusalem durch eine besondere Fügung der göttlichen Vorsehung ungefähr zwei Monate vor der Verkündigung Mariä gefeiert, wo in Gegenwart des Hohenpriesters und der Gesetzeslehrer Josephs Trauring an Mariä Finger angesteckt wurde, derselbe, der jetzt in der Kathedralkirche zu Perugia aufbewahrt wird. Es war dem nach, so schließt der heilige Bernhard, Maria mit Joseph ehelich vermählt, und da diese Vermählung ein unwiderlegbarer und gewisser Beweis der göttlichen Menschwerdung ist, so wurde dadurch die Hölle getäuscht und die Achtung und das Ansehen der reinsten Jungfrau unverletzt erhalten. (siehe den Beitrag: Die Verlobung Unserer Lieben Frau mit Joseph)
Nun lebte der heilige Joseph unter einem Dach Jahr aus Jahr ein mit der reinsten heiligsten Jungfrau, deren täglicher, häuslicher, vertrauter und heiliger Umgang ihn erfreute und zu immer größerer Heiligkeit führte. Der ganze Schatz der Gnaden, sagt der heilige Bernardin von Siena, wovon das Herz der allerseligsten Jungfrau erfüllt war, ging durch sie freigebigst auch auf den hl. Joseph über, insofern er denselben fassen konnte. – Maria, welche mit den Tugenden und Gaben des heiligen Geistes ganz überfüllt war, entflammte ihren würdigen Gemahl mit der höchsten Liebe zu Gott und eiferte ihn beständig an, Gott für die empfangenen so großen Gaben zu danken. So ward er der würdigste Beschützer und Behüter des göttlichen Kindes, welches Maria, die reinste Jungfrau, vom heiligen Geist empfangen sollte…
Während des Aufenthaltes, welchen Joseph in dem Hause zu Nazareth durch einen Zeitraum von 18 Jahren fortsetzte, ward die freundliche Vertraulichkeit, in welcher er immerwährend mit Jesus und Maria lebte, eine reiche Quelle der Liebe Gottes, eine Ursache der Zunahme in den heiligsten Tugenden. Jesus half ihm bei der Arbeit und leistete ihm alle möglichen Dienste. Er lebte, obwohl in großer Armut, doch im seligsten Frieden. Kein Mensch aber wird im Stande sein, die hohe würde zu begreifen, in welche ihn Gott dadurch setzte, daß sein eingeborener Sohn ihm bis in sein dreißigstes Jahr untertan gewesen. –
Da man sich nichts Größeres vorstellen kann, als die zweite Person in der Gottheit, den Sohn Gottes, so ist es unmöglich eine Würde zu denken, die ehrenvoller wäre, als jene, Gott befehlen zu können, wie dieses Joseph so vieleJahre hindurch tun durfte und getan hat. Jesus, der Sohn Gottes, nannte ihn Vater, liebte ihn als seinen Vater, gehorchte ihm wie seinem Vater, und diente ihm! Wo ist eine Würde, welche mit seiner sich vergleichen wäre?
Dieser seiner hohen Würde entsprach aber auch seine vollkommenste Heiligkeit. –
aus: Georg Ott, Marianum Legende von den lieben Heiligen, Erster Teil, 1869, Sp. 737 – Sp. 746