Verlobung Unserer Lieben Frau mit Joseph

Die Verlobung und Vermählung Marias mit Joseph: beide stehen vor dem jüdischen Priester und halten sich die Hand; der hl. Joseph hält einen Stab mit einer Blume in der Hand; als Zeugen sind auf Seiten Marias zwei Frauen und auf der Seite Josephs zwei Männer

Die Verlobung Unserer Lieben Frau mit Joseph

Wie lange die Jungfrau im Tempel verblieb, und ob sie nach ihrer Rückkehr ins väterliche Haus die Eltern noch am Leben traf, ist mit Sicherheit nicht zu bestimmen. Das aber kann mit großer Wahrscheinlichkeit fest gehalten werden, daß sie sich noch während ihres Aufenthaltes im Tempel ganz Gott weihte durch das Gelöbnis der Jungfräulichkeit. Die Antwort der Jungfrau auf die Botschaft des Engels, daß sie Gottesmutter werden sollte: „Wie kann das geschehen, da ich keinen Mann kenne?“ (Lk. 1,34), wird von den heiligen Vätern in diesem Sinn gedeutet und kann auch vernünftiger Weise, da die Worte nach der Verlobung mit dem heiligen Joseph gesprochen wurden, nicht anders verstanden werden, als daß sie das feste Vorhaben hatte, unter allen Umständen die Jungfräulichkeit zu bewahren. Daß das Vorhaben ein wirkliches Gelübde war, ist allgemeine Annahme der heiligen Väter und Gottesgelehrten, ob es aber für unbedingte oder bedingte Zeit galt, insofern es nämlich Gott nicht anders bestimmte, ist nicht entschieden. Selbst die Annahme mancher, Maria habe sich schon in der ersten Zeit ihres Wohnens im Tempel Gott zur Bewahrung der Jungfräulichkeit verpflichtet, ja sie sei überhaupt die erste gewesen, die sich auf diese Weise Gott verlobt habe, ist nicht unwahrscheinlich bei dem außerordentlichen Gnaden-Zustand diese Gott gesegneten Kindes, zumal wir wissen, daß auch andere Heilige in jungen Jahren Gott die Jungfräulichkeit geweiht haben. Anerkanntermaßen ist der Gott gelobte Stand der Jungfräulichkeit ein Kennzeichen und ein besonderer Ruhm der neuen Gnaden-Ordnung durch Christus. In diesem Sinn nennt die Kirche Maria mit Vorzug „Jungfrau der Jungfrauen“. Da der Gottessohn, der Messias, nach den Prophezeiungen aus einer Jungfrau geboren werden sollte (Is. 7,14), lenkte Maria durch dieses Gelübde schon näher auf die Wege ein, die sie zur Würde der göttlichen Mutterschaft führten.

Der heilige Joseph

Unterdessen bereitete die göttliche Vorsehung auch auf andere Weise diese Wege vor. Nach den Absichten Gottes sollte die Vollführung der Menschwerdung bis zur geeigneten Zeit vor der großen Welt ein Geheimnis bleiben. Damit nun der Heiland auf ehrenvolle Weise in die Welt eingeführt würde, musste er wenigstens einen gesetzlichen Vater haben, und so musste das große Geheimnis sich vollziehen und behütet werden in dem Schatten eines gewöhnlichen Ehe- und Familienlebens.

Und hier nun tritt der heilige Joseph auf den Plan. Aus dem Evangelium ist von ihm bloß bekannt, daß er ein Nachkomme Davids, also ein Verwandter Marias und dann ein Zimmermann war (Mt. 13,55) und ein Gerechter (Mt. 1,19), d. h. ein Mann vollendeter Heiligkeit, wie das schon daraus hervor geht, daß Gott ihn zum Haupt der heiligen Familie, zum gesetzlichen Vater seines Sohnes und zum Bräutigam der Mutter Gottes berief. Es ist nun anziehend, wie die ersten christlichen Dichtungen unseren Vorvätern, denen edles Blut, Tapferkeit und Mannestreue über alles gingen, die herrlichen Gestalten des Evangeliums, so auch den heilige Joseph vorführen. Nach ihnen ist er ein ritterlicher Fürst, der lauter Könige zu Vorfahren hat, ein adeliger Schiffsbaumeister, hoch geschätzt und oft unterwegs wegen seiner Kunst. Wahr ist an dieser Schilderung, daß der heilige Joseph, trotz seines niedrigen Lebens-Erwerbes, wirklich ein vornehmer und edler Mann von Geburt, von hoher königlicher Gesinnung dem Geist nach und ein Hauptbaumeister bei den Plänen Gottes, ja wie St. Bernhard ihn nennt, der Engel des großen göttlichen Ratschlusses war. Erst in späteren Dichtungen erscheint er als ein einfacher Bürger und ein Zimmermann, der mit seiner Frau statt in der „Kemenate“ einer „Burg“ oder „Pfalz“ in der Kammer eines gewöhnlichen Hauses wohnt.

Aber gerade so konnte ihn der Heiland für seine Pläne brauchen.
Wer wird nun aber die beiden gottseligen Wesen zum Ehebund vermögen? Natürlicher Weise mochte sich weder der eine noch der andere Teil aus sich zur Ehe verstehen. Der Ehestand ist heilig, aber heiliger ist nach dem hl. Paulus (1. Kor. 7,38) die Gott geweihte Jungfräulichkeit. Namentlich legte Maria die Übernahme des Ehestandes nicht geringe Opfer auf, das Opfer der Freiheit und Selbstbestimmung, das Opfer des Freiseins von irdischen, häuslichen Sorgen und Geschäften, das Opfer des ausschließlichen Umganges mit Gott. Verhältnismäßig war es ebenso beim heiligen Joseph. Bloß der klar erkannte Wille Gottes konnte sie zum Eingehen eines Ehebundes bestimmen. Die Jungfräulichkeit war ihnen lieb, unendlich lieber aber Gott und sein heiliger Wille, der die Richtschnur und das Maß aller Heiligkeit ist.

Diese Klarheit konnte ihnen sowohl auf natürlichem als auf übernatürlichem Weg kommen. Wie es scheint, war Maria die Erbtochter einer davidischen Familie. Und so konnten Verwandte oder Priester, denen die Aufrechterhaltung der gesetzlichen Ordnung und die Erhaltung alter Familien oblag, Maria verpflichten, dem heiligen Joseph die Hand zu reichen (Nm. 36,8). In dieser Verpflichtung nun sahen beide den Willen Gottes und verstanden sich zur Verlobung. Das war der natürliche Weg.

Der Zweck des Verlöbnisses

Ein anderer, außerordentlicher war, daß Gott sie auf übernatürliche Weise erleuchtete über die beiderseitigen Gesinnungen, trotz des Ehebundes das Leben in Jungfräulichkeit hinzubringen und in diesem Sinn die Verlobung zu vollziehen. Es war also das Verlöbnis das Werk eines besonderen Eingreifens Gottes zum Zweck der Menschwerdung. Zu dieser Ansicht bekennen sich mehrere heilige Väter und Gottesgelehrte. Und ihre Ansicht wird, wie es scheint, von der Kirche unterstützt, wenn sie in den liturgischen Gebeten auf das Schutzfest des heiligen Joseph von einer „wunderbaren Leitung der göttlichen Vorsehung“ bei diesem Ereignis spricht. Sicher ist dies die würdigste und erhabenste Anschauung. Wie nur Gott Maria vorher bestimmen konnte als jungfräuliche Mutter, so konnte er auch ihr einen jungfräulichen Bräutigam zuführen, und zwar auf Wegen, die scheinbar einem entgegen gesetzten Ziel zueilten.

Wahrscheinlich wurde die Verlobung gefeiert in Jerusalem in einem Gemach, das in der Tempel-Freiheit lag. Nach üblichem Gebrauch überreichte der Bräutigam dem Vater oder dem Vormund der Braut in Gegenwart der Verwandten zum Unterpfand seines Entschlusses einen Ring oder ein anderes Kleinod, oder die Brautleute selbst sprachen in Worten ihre Zustimmung zur Eheschließung aus. Maria mochte damals 15 Jahre alt gewesen sein; schön und lieblich von Gestalt, und infolge der sorgfältigen Erziehung im Tempel von hoher Geistesbildung, und der Tugend nach unübertroffen erhaben und wunderbar in jeder Hinsicht.

Der heilige Joseph war sicher auch von edler Gestalt und trefflichen Eigenschaften des Geistes und des Herzens, aber etwas älter, jedenfalls im besten Mannesalter. So allein konnte er ein würdiges Haupt der heiligen Familie und in allen Vorkommnissen des Lebens ihr Trost und ihre nachhaltige Stütze sein.

Wahr ist, daß die Verlobung ein höheres, wahrhaft priesterliches Ziel verfolgte, daß der Heilige Geist der Urheber der Wahl war und daß der heilige Joseph ein jungfräuliches Zepter in der heiligen Familie führte.

Mit der Verlobung war nach jüdischem Gesetz und Brauch im wesentlichen der Ehebund geschlossen. Die feierliche Heimführung der Braut und die Trauung waren bloß die äußere Anerkennung und Bestätigung der vollzogenen Verlobung. Bis zur Trauung selbst aber mussten die Verlobten getrennt wohnen. Maria schied nun aus dem Tempel und kehrte nach Nazareth zurück, wo sie, wie die alten Dichter sagen, ein Haus und eine Hufe Land von den Eltern überkommen hatte.

Die Hochzeitsfeier

Maria war von ihrem Besuch in Ain-Karim zurück und sah ihrer Vermählung mit Joseph entgegen. Erst aber sollte ein peinlicher Zwischenfall über beide kommen (Mt. 1,18-25)… er (Joseph) soll Maria nicht verlassen, sondern sie zum Weibe nehmen, dem Sohn den Namen geben, vor den Menschen als sein Vater gelten und durch diese gesetzliche Vaterschaft den Nachweis liefern, daß der Heiland der Sohn Davids und der wahre Messias ist. Diese große Bedeutung hat die ehrende Anrede: „Joseph, Sohn Davids“. Konnte es für Joseph nach dieser Botschaft ein fröhlicheres Erwachen, eine freudigere und tröstlichere Aussprache mit Maria geben? Wie stand sie nun hoch und ehrwürdig vor seinen Augen in ihrer Heiligkeit und Würde! Wie groß und glücklich war er geworden; keinen beneidenswerteren Mann als Joseph gab es in Israel. Und wie verpflichtet war ihm Maria wegen seines edlen, guten Herzens! So diente die bittere Prüfung nur dazu, diese zwei heiligen Herzen noch inniger in Achtung und Liebe zu verbinden.

Ohne Aufschub wurde nun die Vermählung gefeiert…
Der Bedeutung nach ist dieses Geheimnis der Vermählung eine neue Offenbarung der Menschwerdung an den hl. Joseph und die letzte Vorbereitung auf das Eintreten des Heilandes in diese Welt. Die Familie, in welcher er geboren und erzogen werden soll, ist nun gegründet; der heilige Joseph ist der Mann Mariä, der gesetzliche Vater des Heilandes und das Haupt der ganzen Familie; und der Heiland ist vor aller Welt ausgewiesen und anerkannt als Sohn Davids.

Joseph und Maria sind nun Vorbilder des ehelichen und des jungfräulichen Standes: des ehelichen Standes, weil die Ehe, die geschlossen wurde, eine wahre Ehe; des jungfräulichen Standes aber, weil es eine jungfräuliche Ehe war und verblieb. Daß die Ehe bis zur Geburt des Heilandes eine solche war, geht klar aus der Heiligen Schrift hervor (Mt. 1,25), daß sie es später nicht mehr war, findet sich in der Heiligen Schrift nicht, denn oft spricht sie von Dingen, die bis auf einen gewissen Zeitpunkt nicht geschehen waren, ohne damit zu sagen, daß sie später eintrafen (Gn. 8,7; 49,10 u. 26; Ps. 109,1) Wenn dann später von sog. „Brüdern“ Jesu die Rede ist, so sind das nur die Vettern oder andere Verwandte des Herrn. Und wenn endlich der Heiland der „Erstgeborene“ genannt wird von den Evangelisten, so geschieht das, weil beim Volk Gottes die Erstgeburt als ein besonderer Vorzug galt und weil damit dem Herrn die ganze Herrlichkeit der Davidischen Abstammung zugewendet werden sollte. Der Erstgeborene kann ja auch der Eingeborene sein. Mit dem von alters her gebräuchlichen Schlußwort: „Maria, Jungfrau vor, bei und nach der Geburt“ ist bei uns Katholiken die immer währende Jungfrauschaft als Glaubenssatz festgestellt.
„Die Hütte Davids ist jetzt errichtet“ (Am. 9,11), und der Herrscher im Hause Jakobs kann erscheinen.

Ein Foto des Städtchens Nazareth, wo Maria und Joseph mit dem Jesuskind gelebt haben

Nazareth liegt in einem stillen, anmutigen Quertale zwischen den Bergen, welche nördlich die Ebene Esdrelon in Galiläa begrenzen. Die weißen, burgartigen Häuser des Städtchens ziehen sich unregelmäßig und terrassenförmig einen hohen, nördlich gelegenen Berg hinan, so daß man über die niederen südlichen Höhen hinweg schon von der Ebene Esdrelon aus die schimmernden Wohnungen von Nazareth sehen kann; deshalb heißt Nazareth „die weiße Stadt“ oder die „Blume von Galiläa“. Die unvergleichlich schönere Blume der Blume Galiläas war aber jetzt Maria. Dort lebte sie die längste und lieblichste Zeit ihres Lebens. –
aus: Moritz Meschler SJ, Unsere Liebe Frau, Ihr tugendliches Leben und seliges Sterben, 1913, S. 38 – S. 45; S. 62 – S. 68

 

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