Das Fest Aufnahme Mariens in den Himmel

Ein Engel mit einem Lilienzweig in der Hand steht auf einer Wolke

Das Fest der Himmelfahrt Mariens

15. August

Maria wird durch ihren Sohn Jesus Christus gekrönt; über ihnen sieht man Gottvater und den heiligen Geist als Taube; rechts und links von ihnen sind Engel mit Harfen und Lauten, die die Glorie Mariens besingen

Kaum waren die Verfolgungen und Verwirrungen, welche die Feinde Gottes in der heiligen Kirche in den ersten Jahrhunderten anrichteten, vorüber, als die Christen schon anfingen, den seligen Hingang der heiligen Jungfrau und Mutter Gottes Maria zu feiern. Anfangs wurde das Fest am 18. Januar gefeiert, bis im Jahre 582, auf Bitten des Kaisers Mauritius, der 15. August in der ganzen Kirche des Morgen- und Abendlandes hierzu bestimmt wurde. Seit dieser Zeit wird dieses Fest unter dem Namen „der Himmelfahrt“ oder der „Aufnahme“ der seligsten Jungfrau auf die feierlichste Weise begangen, weil keines von den Marienfesten die Herrlichkeit, die Größe und den Triumph der Mutter des Herrn so schön uns vor Augen stellt. Die heilige Kirche begeht nämlich an diesem Tag die glorreiche Aufnahme Mariä in den Himmel mit Leib und Seele und ihren triumphierenden Einzug in das Reich ihres göttlichen Sohnes.

Nach dem Tode des Heilandes und seiner Himmelfahrt blieb Maria in der Stadt Jerusalem bis zur Zeit, als die furchtbare Verfolgung, die im Jahre 44 n. Chr. ausbrach, sie zwang, mit den Aposteln zu flüchten. Der Apostel Johannes ihr Pflegesohn, führte sie nach Ephesus. Dort brachte sie ihre Tage im beständigen Gebet für das Gedeihen der jungenKirche und das Heil der Menschen zu. Ihr Herz war immer im Himmel bei ihrem göttlichen Sohn; mit ruhiger Ergebung ertrug sie den Schmerz der Trennung von dem Geliebten ihres Herzens und ihr einziger Wunsch war, mit Ihm auf ewig vereinigt zu sein. Von allem, was ihrem herzen und ihrem Blut verwandt war, blieb der heiligen Jungfrau Niemand mehr, als der heilige Johannes, der sie auf das Zärtlichste liebte und jeden ihrer Winke befolgte. Gewiß muss der blühende Zustand der ersten Christengemeinde zu Ephesus und das Lob, welches der Apostel Paulus ihrer Frömmigkeit erteilt, den Bemühungen der seligsten Jungfrau zugeschrieben werden. Da der heilige Johannes nicht immer in Ephesus blieb, sondern um der Ausbreitung und Befestigung des Glaubens willen mehrere Reisen machte, begleitete ihn die heiligste Jungfrau, und die tiefe Erkenntnis in den heiligsten Geheimnissen Gottes, welche in seinen heiligen Schriften herrscht und der Geist der wundersamen Liebe, de daraus hervor leuchtet, weisen auf den Beistand hin, den die Mutter der himmlischen Weisheit und der schönen Liebe ihm geleistet hat.

Mittlerweile hatten die heiligen Apostel den guten Samen des heiligen Wortes auf allen Punkten des römischen Reiches ausgesät; schon blühten überall fromme Gemeinden und Maria meinte nun, ihr Tagewerk auf Erden sei vollendet, die Kirche werde sich nun aus eigener Kraft erhalten können und die Sehnsucht, das Angesicht ihres göttlichen Sohnes zu schauen, verzehrte ihr Herz. Jesus kannte den Wunsch seiner geliebten Mutter und wollte ihn nun auch erfüllen. Der Erzengel Gabriel brachte ihr die freudige Nachricht, daß ihr Gebet Erhörung gefunden.

Doch ehe sie von der Erde schied, wollte sie noch einmal das Land besuchen, wo sie seit den tagen ihrer Geburt gelebt, wo die Füße ihres göttlichen Sohnes gewandelt hatten. Mit dem heiligen Johannes fuhr sie zu Schiff in das heilige Land und begab sich nach Jerusalem, wo sie sich in das Haus auf dem Berg Sion zurück zog, in welchem der heilige Geist am Pfingstfest auf sie und die Apostel nieder stieg. Freudig eilte der heilige Apostel Jakob, der erste Bischof von Jerusalem, herbei, um die göttliche Mutter zu begrüßen und alle Gläubigen drängten sich herzu, um sie zu sehen und ihr ihre Huldigung darzubringen.

Arm und demütig, aber schön, wie sie stets gewesen, sitzt Maria im ärmlichen Bettlein, in ihr einfaches Gewand gehüllt; die Apostel stehen bzw. knien vor ihrem Bett, während einer der Apostel Maria den Leib des Herrn reicht, bevor sie entschläft und dann mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen wird

Endlich war der Tag und die Stunde gekommen, wo der Himmel sich öffnen sollte, um seine Königin aufzunehmen. Wohl hätte Maria, die von der Erbsünde frei geblieben war und auch niemals sich einer Sünde schuldig gemacht hatte, von dem Tod befreit sein müssen, der ja nur eine Strafe der Sünde ist. Doch wie ihr göttlicher Sohn Jesus sich freiwillig dem Gesetz des Todes unterworfen hatte, um dadurch den Menschen das ewige Leben zu gewinnen, so wollte auch seine hochheilige Mutter, die ihm in allen Stücken als seine getreueste Nachfolgerin ähnlich geworden, gleichfalls von diesem Gesetz nicht ausgenommen sein. Da sie aber auch in so vielen Stücken vor allen Menschen ausgezeichnet und begnadigt war, so war auch ihr Tod nicht, wie bei andern Menschen, die Folge einer körperlichen Krankheit, sondern, wie die heiligen Väter lehren, vielmehr eine Folge der Liebe, welche sie verzehrte. „Entweder“, sagt der heilige Ildephons, „musste Maria nicht sterben, oder sie musste vor Heftigkeit der Liebe sterben!“ Das Feuer dieser Liebe war so heftig, sagt der heilige Bernard, daß die Erhaltung ihres Lebens ein beständiges Wunder war. Als daher die Stunde ihres Todes nahte, hielt Jesus die verzehrende Gewalt dieses Feuers nicht mehr zurück, und so verlosch das Leben der reinsten Jungfrau wie ein Licht, verzehrt von der Flamme.

Arm und demütig, aber schön, wie sie stets gewesen, saß sie im ärmlichen Bettlein, in ihr einfaches Gewand gehüllt. Die Gläubigen konnten sich nicht satt sehen an ihrem wunderschönen Antlitz. Es war, als dürfe die Alles zerstörende Zeit diesen jungfräulichen Leib nicht berühren, der den Allerhöchsten getragen, und zu einer glorreichen Unsterblichkeit bestimmt war. Wie eine alte ehrwürdige Überlieferung berichtet, waren alle Apostel, Thomas ausgenommen, in der letzten Stunde der gebenedeiten Gottesmutter auf wunderbare Weise erschienen. Bereits war es Nacht geworden. Die Lampen waren angezündet; im stillen Schmerz versunken umstanden die Apostel und Jünger des Herrn das Ruhebett ihrer geliebtesten Mutter. Da öffnete Maria den Mund und himmlischer Trost fiel in das Herz der trauernden Apostel, als sie ihnen sagte, daß sie ihrer im Himmel nicht vergessen werde. Jetzt ertönten wunderbare Gesänge und ein glänzendes Licht erfüllte das Gemach. Die Apostel warfen sich auf die Knie und Maria breitete segnend ihre Hände über sie aus. Ihr schönes Auge erhob sie zu den Sternen, die draußen glänzten, sie sah den Himmel offen und den Menschensohn kommen auf einer Lichtwolke. Da strahlte ihr Antlitz von seliger Mutterliebe und in unaussprechlicher Entzückung schwang sich ihre heilige Seele in die geöffneten Arme ihres göttlichen Sohnes.

Maria war nicht mehr, aber ihr Antlitz war so lieblich anzuschauen, daß es schien, als scheue sich der Tod, sie mit kaltem Hauch zu berühren. – Unter Weinen und Wehklagen der Gläubigen stimmten die Apostel heilige Gesänge an, und Kranke, Blinde und Preßhafte, die sich dem Todbett der Gebenedeiten nahten, erhielten augenblicklich ihre Gesundheit wieder.

Des andern Tages hüllte man den heiligen Leib in kostbare Leinwand, und umgab ihn mit wohlriechenden Gewürzen. Auf einem Tragbett, mit einem schönen Schleier bedeckt, trugen die Apostel die teure Leiche auf ihren Schultern in den Garten Gethsemani und senkten sie in das schon bereitete Grab. Drei Tage lang wachten und beteten die Apostel mit den Gläubigen bei dem Grab, als der heilige Thomas erschien und mit Bestürzung vernahm, daß die heilige Mutter des Herrn verschieden sei und bereits im Grabe ruhe. Ganz trostlos hierüber bat er seine Mitbrüder, das Grab zu öffnen, damit er das teure Angesicht der Hochbegnadigten noch einmal schaue. Seine Bitte wurde gewährt. Man wälzte das Felsstück, womit der Leichnam bedeckt und das Leinwand, worein er gehüllt war. Der allerreinste Leib, der den Herrn der Unsterblichkeit geboren, sollte keine Speise der Würmer sein. „So lange sie lebte“, sagt ein frommer Verehrer der seligsten Jungfrau, „hatten Himmel und Erde gleichen Anteil an diesem erhabenen Wesen; nun sie hingegangen, hatte der Himmel alles genommen und alles verherrlicht“ – ihre Seele und ihren Leib! –

Eine schöne Kirche ist auf das Grab der heiligen Jungfrau gebaut worden. Man steigt auf einer sehr breiten Treppe von fünfzig Stufen hinunter. Daneben befindet sich auch das Grab des heiligen Joseph und der beiden Eltern der heiligsten Jungfrau, Joachim und Anna. –
aus: Georg Ott, Legende von den lieben Heiligen Gottes, Bd. 2, 1904, Sp. 1406 – Sp. 1410

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