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Lexikon für Theologie und Kirche

Stichwort: Menschensohn

Der Menschensohn: Bamberger Apokalypse

Der Menschensohn. Nach dem übereinstimmenden Bericht der Evangelien hat sich Jesus selbst oftmals mit dem Titel „der Menschensohn“ bezeichnet. Diese Bezeichnung tritt wie etwas Gegebenes, etwas Selbstverständliches in die Darstellung ein, ohne ein Wort der Erklärung von Seiten des Herrn, ohne eine Frage oder ein Zeichen der Verwunderung von Seiten seiner Hörer.

Dieser Name ist ein messianischer Würdetitel Jesu. Keine einzige Stelle, an der sich dieser Titel findet, entzieht sich der messianischen Deutung, in der weitaus größten Zahl der Stellen aber, vor allem in Mt. 16, 13 ff und in allen Leidens- und Parusie-Aussagen, ist nur die messianische Deutung zulässig. Übrigens benennt sich Jesus mit diesem Namen nach den Berichten der Evangelien von den ersten Tagen seines Wirkens an; er hat sich also von vornherein als Messias erkannt und bekannt und ist mit ausgeprägtem Messias-Bewusstsein vor die Seinen getreten. Alle Konstruktionen von einer allmählichen Entwicklung dieses Bewusstseins in Jesus haben keinen Halt.

Quelle oder Wurzel des messianischen Titels „Menschensohn“ ist die Danielsche Weissagung (Dn. 7, 12 ff), wonach ein „Menschensohn-Ähnlicher“, der auf den Wolken einherfährt über die Erdensphäre, ausgerüstet wird mit ewiger Königsherrschaft über alle Völker und Zungen. Der Heiland benennt sich mit diesem Namen, wo er seine Aufgabe als Heiland und Erlöser erfüllt (z. B. Mt. 9, 6; Mk. 2, 10; Lk. 5, 24), ferner wo er von seinem Leiden und Tod spricht (z. B. Joh. 3, 14; Mk. 8, 31; 9, 30 u. ö.), endlich wo er von seiner glorreichen Wiederkunft zum Weltgericht und vom Abschluss des ganzen Erlösungswerkes redet. (z. B. Mt. 24, 30; 25, 31; Mk. 13, 26)

„Danach brachte Jesus den Gedanken zum bestimmten Ausdruck, dass der Sohn des Menschen sein Leben und seine Wirksamkeit in drei Phasen abwickle: zuerst in der Gestalt menschlicher Armut und Niedrigkeit, dann in der Gestalt des Leidensknechtes, der in den Tod geht, endlich in der Gestalt des in Glorie und Herrlichkeit kommenden Weltenrichters.“

Doch es erhebt sich die Frage: Haben die Zeit- und Volksgenossen Jesu den Zusammenhang der von Jesus gewählten Bezeichnung mit der Danielschen Weissagung erkannt? Erkannten sie diese Bezeichnung als messianischen Titel? Wie es scheint, nicht! Dies erklärt sich daraus: der Danielsche Menschensohn erscheint in der Herrlichkeit Gottes; Jesus aber präsentiert sich ihnen im Gewand der Niedrigkeit. Die Danielsche Weissagung weist hin auf die Gründung des Reiches Gottes; da die Juden aber von einem großen messianischen Reich irdischer Natur träumten, so erblickten sie in dem geistigen Reich der Gnade und Wahrheit, das Jesus stiftete, nicht die Erfüllung der Weissagung; sie fanden darum auch zwischen Jesus und dem Danielschen Menschensohn keinen Zusammenhang.

Einmal freilich begriffen die Juden sofort, dass der Heiland im Sinne der Weissagung Daniels sich „Menschensohn“ nenne. Es war dies, als er am Tage seiner Anklage und Verurteilung feierlich vor dem Synedrium erklärte: „Von jetzt an werdet ihr den Menschensohn sitzen sehen zur Rechten der Kraft Gottes und kommen auf den Wolken des Himmels.“ (Mt. 26, 64; Lk. 22, 69) Denn sofort erwiderten die Synedristen: „Du also bist Gottes Sohn?“

Warum aber hat Christus gerade den Titel „Menschensohn“ zur ständigen Selbstbezeichnung gewählt, da ihm doch andere Titel näher liegen mussten.

„Der Menschensohn (…) entsprach der Rolle des Herrn im eschatologischen Reich, wann er kommen wird, die vollkommene Gottesherrschaft über die Menschheit auszurufen. Dieses Endreich ist der lichte Punkt seines Lebens und Berufes, deshalb kein Wunder, wenn er mit dem Titel Menschensohn recht oft auf dieses goldene Ende hinblickt, für sich zum Trost in der Zeit, wo derselbe ’nicht hat, wohin er sein Haupt lege‘: für die Seinigen zur Anspornung, da von jenem Augenblick erst die ‚Errettung‘ eine unabänderlich besiegelte sein wird; für die Feinde zur Drohung und zum Gericht, da er dann in Macht und Herrlichkeit erscheinen wird, ein Schrecken für alle Widersacher.“ (Bartmann, Das Himmelreich) –

aus: Schuster/Holzammer, Handbuch der Biblischen Geschichte, Bd. II, Neues Testament, 1910, S. 168 – S. 169

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Tags: Christentum
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