Warum Christoph Kolumbus die Neue Welt entdecken musste
Kolumbus gibt die Absicht kund, gen Westen zu fahren
Kolumbus (ital. Colombo, span. Colon), Christoph, der große Entdecker Amerikas, ist geboren 1435 oder 1436 (nach Peschel erst 1456), und zwar nach eigener Angabe in Genua, als der älteste Sohn des Tuchwebers Domenico Colombo. Nachdem er ein Jahr an der Universität zu Padua verbracht, ging er schon frühzeitig zur See und diente unter zwei Kapitänen seiner Verwandtschaft auf weiten Seefahrten. Um 1477 erscheint er in Lissabon, wo sein Bruder Bartolomeo sich niedergelassen hatte und als Verfertiger von Landkarten, Globen und Seeinstrumenten bereits einen Ruf besaß. Hier verheiratete er sich mit Donna Felipe de Perestrello, Tochter des Gouverneurs der Insel Porto Santo. Diese Verbindung veranlaßte ihn zu Fahrten zwischen Lissabon und Porto Santo und brachte ihn in den Besitz wertvoller Karten, Schiffsjournale und Notizenbücher. Schon im Jahre 1474 gibt er in einem Brief an Paolo Toscanelli, den Florentiner Gelehrten, die Absicht kund, eine Fahrt nach Westen zu unternehmen. Die Antwort Toascanelli`s vom 25. Juni 1474, worin er diesem Vorhaben seinen Beifall gibt, ist noch handschriftlich vorhanden und in faksimiliertem Abdruck mitgeteilt von Harisse (Fernando Colon, Sevilla 1871, 72).
Der Plan wird Realität
Achtzehn Jahre später erst kam der mit bewunderungswerter Ausdauer festgehaltene Gedanke zur Ausführung, nachdem er seinen kühnen Plan vergeblich seiner Vaterstadt, dem König Johann II. von Portugal und auch dem König Ferdinand von Aragon (1487) vorgelegt hatte. Als er eben im Begriff stand, vom Kloster La Rabida, seinem spanischen Asyl, aus nach Frankreich sich zu wenden, fanden seine Vorstellungen am spanischen Hof Gehör. Die Übereinkunft, welche ihm die erbliche Würde eines Großadmirals und Vizekönigs in den aufzufindenden Ländern nebst einem Zehntel der Einnahmen zusicherte, ward am 17. April 1492 zu Santa Fé unterzeichnet. Am 3. August 1492, einem Freitag, verließ Kolumbus mit 120 Mann auf drei Caravellen den Hafen von Palos; an einem Freitag, dem 12. Oktober, landete er in der neuen Welt und pflanzte auf der Insel Guanahani, die er San Salvador nannte, das Kreuz und das kastilische Banner auf. Das TE DEUM LAUDAMUS und SALVE REGINA waren die ersten christlichen Gesänge, welche in der neuen Welt erklangen. Weiterfahrend entdeckte er am 27. Oktober Kuba, 6. Dezember Hispaniola (Haiti).
Die Entdeckung der karibischen Inseln
Dann trat er, 39 Freiwillige unter Diego de Arana zurück lassend, die Heimreise an. In Palos, wo er am 15. März 1493 glücklich wieder einlief, wurde er unter Glockengeläute eingeholt; seine Reise an den Hof zu Barcelona glich einem Triumphzug. Kolumbus erhielt alsbald den Auftrag zu einer zweiten Reise; eine Flotte von 17 Schiffen wurde dazu ausgerüstet und lief am 25. September 1493 von Cadiz aus. Das Admiralschiff hieß Maria Galanta. Diesen Namen erhielt auch die Insel, auf welcher man in der neuen Welt zuerst wieder landete. Das nächst größte Eiland, das man betrat, im Zentrum der Caraiben, ward Santa Maria de Guadalupe getauft. In Hispaniola, das Kolumbus am 22. November erreichte, fand er die Besatzung zersprengt und getötet. Er legte nun daselbst eine befestigte Stadt an, der Königin zu Ehren Isabella genannt, und verpflichtete die Eingeborenen zu einem Tribut. In der Fortsetzung seiner Entdeckungsfahrten fand er Jamaica. Beschwerden und Verleumdungen am spanischen Hof und die Ankunft eines mit Untersuchung der Zustände beauftragten Kommissars, Juan Aguado, in Hispaniola bestimmten den Admiral, im Frühjahr 1496 nach Spanien zurück zu segeln. Es gelang ihm, am Hof zu Burgos sich vollkommen zu rechtfertigen. Auf der dritten Reise, die aber erst am 30. Mai 1498 zu Stande kam, entdeckte Kolumbus Trinidad und an der Küste von Paria das amerikanische Festland. In Hispaniola dagegen fand er die mit abenteuerlichen Elementen versetzte Kolonie in Unordnung und teilweiser Auflehnung.
Rebellische Kolonisten und der gewalttätige Bobadilla
Eine Schar habsüchtiger rebellischer Kolonisten hatte sich unter Francisco Roldan im westlichen Bezirk von Xaragua festgesetzt, wo sie in ihrem Durst nach Gold die Eingeborenen unmenschlich bedrückten. Der Admiral konnte, nachdem er alle Mittel erschöpft, ihre Unterwerfung nur durch Zugeständnisse herbei führen, welche sich in der Folge für die Eingeborenen verhängnisvoll erwiesen, nämlich durch Verteilung von Ländereien an die Rebellen mit der Erlaubnis, eine bestimmte Anzahl von Indianern, welche durch deren Häuptlinge ausgewählt werden sollten, als Dienstboten zum Anbau der Felder zu verwenden. Dies war der Anfang des nachmals viel berufenen Verteilungs-System (Repartimiento), das aber erst durch Missbrauch unter den beiden nächsten Nachfolgern des Kolumbus eine für die Ureinwohner verderbliche Anwendung erfuhr. Inzwischen hatte die Königin Isabella sich bestimmen lassen, in der Person des gewalttätigen Bobadilla einen Bevollmächtigten zur Untersuchung nach Hispaniola zu entsenden. Dieser sammelte die Aussagen der erbittertsten Feinde des Admirals, nahm ihn sofort in Haft und schickte ihn mit seinen beiden Brüdern in Ketten nach Spanien zurück (Okt. 1500). Hier erlangte Kolumbus wohl alsbald seine Freiheit und am Hof einen auszeichnenden Empfang, aber nicht die volle Wiedereinsetzung in seine Würden. Bobadilla ward zwar abberufen, aber statt seiner der Ritter Nicolas de Ovando y Lares mit einer wohl ausgerüsteten Flotte als provisorischer Statthalter der Inseln und des Festlandes nach Hispaniola ausgesandt. Erst am 9. Mai 1502 gelang es Kolumbus, auf vier armseligen Schiffen seine vierte und letzte Entdeckungsreise ins Werk zu setzen.
Kolumbus entdeckt das Goldland Veragua
Auf dieser Fahrt begleitete ihn seiner zweiter Sohn und nachmaliger Biograph Fernando (geb. 29. August 1487 zu Cordoba), den Isabella zu diesem Zweck eine Offiziersstelle in der Marine verliehen. Nach Roselly de Lorgues (Christophe Colomb I, 35. 45 bis 56. 173 ss.; II, 384 bis 388) war dieser Fernando nicht wie sie seit Napione und Spotorno fortgeschleppte Tradition behauptete, ein illegitimes Kind, sondern der eheliche Sohn aus Kolumbus` zweiter Ehe mit Donna Beatrix Enriquez von Cordoba. Kolumbus´ Plan war diesmal eine Umschiffung des Erdballs. Eine Durchfahrt nach dem großen Ozean suchend, gelangte er unter entsetzlichen Stürmen bis zum Isthmus von Panama und entdeckte das goldreiche Veragua. Im übrigen war diese Fahrt eine fast ununterbrochene Reihe namenloser Leiden, Aufregungen und Gefahren, noch verbittert durch Undank und Verrätereien Untergebener. Am 7. November 1504 kam Kolumbus krank und erschöpft, nach Spanien zurück. Am 26. November darauf starb seine Gönnerin, die Königin Isabella, ehe sie de Heimgekehrten sehen konnte. Anderthalb Jahre später hatte auch er vollendet, ohne von dem undankbaren und stets misstrauischen König König die ihm zugesicherten Privilegien zu Gunsten seines Sohnes erlangt zu haben. Kolumbus starb zu Valladolid, mit dem Habit der Franziskaner bekleidet, am Himmelfahrtstag, 20. Mai 1506. Im Kloster der Franziskaner daselbst fand er auch seine Ruhestätte. Im Jahre 1536 aber, drei Jahre vor dem Tod seines Sohnes Fernando (gest. 12. Juli 1539 zu Sevilla), wurden die Gebeine des großen Entdeckers erhoben und nach der von ihm angelegten Stadt seiner neuen Welt, nach San Domingo überbracht.
Warum Kolumbus die Entdeckungsfahrten im Westmeer unternahm
In den nicht lange vor seinem Lebensende verfaßten „Profecias“ hat Kolumbus die Ideen nieder gelegt, welche ihn auf seiner merkwürdigen Laufbahn beherrschten. Der Enthusiasmus, womit er den Gedanken seiner Entdeckungsfahrt im großen Westmeer ergriff, war ein wesentlich religiöser. „Kolumbus betrachtete sich“, sagt Irving, „unter der Hand des Himmels stehend, aus den Menschen erwählt, diesen hohen Endzweck (der Entdeckung heidnischer Länder) auszuführen. Er las, wie er meinte, seine so betrachtete Entdeckung in der heiligen Schrift voraus verkündet und in den geheimnisvollen Aussprüchen der Propheten dunkel abgeschattet. Die Enden der Welt sollten zusammen gebracht, und alle Nationen, Zungen und Sprachen unter der Fahne des Heilandes vereint werden. Die glorreiche Vollendung seines Unternehmens sollte sein, daß es die unbekannten Regionen der Erde in Gemeinschaft mit dem christlichen Abendland brächte, das Licht des wahren Glaubens in die umnachtete Heidenwelt trüge und ihre zahllosen Völker unter der Herrschaft der Kirche sammele“ (Irving, Geschichte des Lebens und der Reisen des Chr. Kolumbus deutsch Frankf. 1828, I, 70). Kolumbus stellte den Herrschern von Kastilien und Aragon in Aussicht, er werde, an den äußersten Enden von Asien anlandend, auf die weiten und prächtigen Länder des Groß-Khans treffen, von denen er in Marco Polo`s Reisen so außerordentliches gelesen. Dieser Groß-Khan, erinnerte er, habe ja bereits früher das Verlangen kund gegeben, den christlichen Glauben anzunehmen; Päpste und fromme Könige hätten auch Gesandte an ihn abgeschickt, ihn und seine Untertanen im christlichen Glauben zu unterweisen. Durch die neue, zu hoffende Entdeckung nun werde eine Gemeinschaft mit diesem Reich angeknüpft und Gelegenheit gegeben, der christlichen Kirche neue, unermessliche Länder einzuverleiben und so den Glauben bis an die Enden der Erde zu verbreiten.
Das wirkliche Endziel der Entdeckungen
Wie tief und richtig hat nicht der große Mann das wirkliche Endziel seiner Unternehmung geahnt! Ein anderes Motiv, das ihn nicht weniger beschäftigte, war die Befreiung des heiligen Grabes. Mit dem Gold, das er aus den neu entdeckten Ländern gewänne, könnten – so stellte er in Aussicht – Ihre Hoheiten, die katholischen Herrscher, einen Kreuzzug veranstalten, das Grab des Herrn den Händen der Ungläubigen zu entreißen. Es war eben die Zeit der granadinischen Krieg vorüber, ganz Spanien noch voll des romantisch-religiösen Enthusiasmus, den diese Kämpfe erzeugt; er selbst hatte dem Schlussakt des gewaltigen Drama`s, der Einnahme Granadas (2. Januar 1492), als Zeuge beigewohnt. Die Realisierung eines solchen Planes, in einem Land, daß so viele geeignete Elemente bot, war durchaus nichts Undenkbares. „Ich versichere“, so erzählt Kolumbus selbst (s. Sein Reisetagebuch bei Navarrete, Coleccion de viages y discubrimientos etc. I, 117), „Ihren Hoheiten, daß der ganze Gewinn dieses meines Unternehmens aufgewendet werden solle auf die Eroberung von Jerusalem; Ihre Hoheiten lächelten und sagten, daß Ihnen solche wohl gefiele, daß sie übrigens auch ohne diesen gewinn es unternehmen würden.“ Kolumbus hielt diesen Gedanken fest. In seinem Testament, das er vor der dritten Reise (1502) gemacht, hat er noch diesen seinen Lieblings-Gedanken nieder gelegt, indem er seinem Sohn befiehlt, eine Summe Geldes zu diesem Zweck zu deponieren, damit er einst dem König auf dem Zug nach Jerusalem folgen oder selbst einen Kreuzzug ausrüsten könne, wenn etwa der König einen solchen Zug nicht unternehmen wolle. Sollte, fügt der fromme Entdecker noch bei, ein Schisma in der Kirche entstehen, so möge sich sein Sohn dem Papst zu Füßen werfen und seine Person und sein Eigentum der Kirche und dem apostolischen Stuhl zur Verteidigung anbieten (bei Irving a.a.O. II, 292).
Das reine Motiv des frommen Kolumbus
Man kann nach alledem nicht mehr zweifeln, daß die Religion den größten Einfluss auf das Gelingen des großen Unternehmens übte, welches eine neue Zeit mitgestalten half. Dieses reine Motiv hielt den frommen Genuesen aufrecht in Mitte der vielfachen Prüfungen, die er zu bestehen hatte, bevor er ans Ziel kam. Dieses Motiv auch erwarb ihm die Freunde, welche ihm wesentlich zum Gelingen jenes Planes verhalfen, vor Allem die Mönche von Rabida mit P. Perez, dem vormaligen Beichtvater der Königin, an der Spitze, dann Isabella von Kastilien selbst, diese hochherzige und fromme Monarchin. Kolumbus erinnert sie später selbst daran, wie vornehmlich die Rücksicht auf die Verbreitung des Glaubens sie vermocht, seinem Vorschlag beizustimmen. „Nach den Aufklärungen“, so schreibt er in seiner Reise-Relation (bei Navarr. 1. c. I, 2, 117, franz. Übers. II, 3.4), „die ich Euern Hoheiten gegeben über die Länder von Indien und über den Fürsten, den man Groß-Khan nennt … der schon mehrmals nach Rom um Glaubensboten gesandt, und nachdem ich vorgestellt, wie so viele Völker in ihrem Götzendienst verloren gingen … gedachten Eure Hoheiten selbst, in ihrer Eigenschaft als katholische Herrscher, als Liebhaber und Verbreiter des heiligen Glaubens, als Feinde Mohammeds, des Götzendienstes und aller Häresie, mich, Christoph Kolumbus, in diese Länder zu senden, um ihre Fürsten und Völker kennen zu lernen, sowie die Art und Weise, dieselben zu unserem heiligen Glauben zu bekehren.“ So Kolumbus, der auch in seinem ganzen übrigen Verhalten diese Gesinnung beharrlich betätigt hat. Er lebte und starb als ein tief gläubiger, in Glück und Unglück bewährter Christ. Es ist u. A. ein Verdienst von Irving, wieder nachdrücklicher auf jenen Gesichtspunkt aufmerksam gemacht zu haben. Umfassend aber ist die religiöse Seite seines Wesens und Wirkens gewürdigt von Graf Roselly de Lorgues (Christophe Colomb, Histoire de sa vie et de ses voyages d`après les documents authentiques tirés d`Espagne et d`Italie, 2 vols, Paris 1856). Eine neue illustrierte Ausgabe desselben Werkes erschien bei Palmé in Paris 1878. …Eine kurze Zusammenfassung des Wesentlichsten gibt L. Denthoven [früher Pfarrer in den Vereinigten Staaten von Amerika], Christoph Columbus, eine biograph. Skizze nach den neuesten Quellen, Würzburg 1878). (*) –
aus: Wetzer und Welte`s Kirchenlexikon, Bd. 3, 1884, Sp. 683 – Sp. 687
(*) Das Büchlein läßt sich bei google books unter dem Titel: Ludwig Denthoven, Christoph Columbus, eine biograph. Skizze nach den neuesten Quellen finden.
Bildquellen
- christopher-columbus-3455165_640: pixabay