Jerusalems Schicksale nach 79 n. Chr. – Jerusalem nach der Zerstörung unter Titus bis zur Herrschaft der Kreuzfahrer
Die ferneren Schicksale Jerusalems bis zum Jahr 79 n. Chr. sind in die Geschicke des Judentums verflochten; siehe darüber den Art. Israeliten. Auf Titus Befehl sollte Jerusalem samt dem Tempel der Erde gleich gemacht werden, und man darf annehmen, dass dies geschah, so weit es möglich war. Der westliche Teil der Ringmauer nebst den Herodestürmen Hippikus, Phasael und Marianne sollte stehen bleiben, um einer römischen Besatzung zum Schutz zu dienen. Verödet konnte Jerusalem damals noch nicht werden.
Als dann beim Bau eines Jupitertempels auf der alten Tempelstätte ein neuer Aufstand unter Bar-Kochba ausbrach, verbot nach Niederwerfung desselben Kaiser Hadrian allen Juden, je wieder einen Fuß auf den Boden Jerusalems zu setzen, und gründete auf demselben eine rein heidnische Stadt, die er Aelia nach seinem Namen, und Capitolina wegen der Umgestaltung des Tempelberges zu einer Kultusstätte des Jupiter Capitolinus nannte. Mit den Juden war auch Judenchristen der Aufenthalt zu Jerusalem verboten; die Heidenchristen aber waren von diesem Edikt nicht betroffen, und von ihnen siedelte sich bald eine blühende Gemeinde in der heiligen Stadt an.
Als Konstantin das Christentum zur Staatsreligion erhoben, seine Mutter Helena aber die heidnischen Tempel zu Jerusalem zerstört, dafür die Grabeskirche errichtet und das Kreuz zur Verehrung ausgestellt hatte, ward Jerusalem das Ziel unzähliger Wallfahrten aus dem Orient und dem fernsten Okzident.
Julian der Abtrünnige flößte den Juden neue Hoffnungen ein und wollte durch sie den Tempel zu Jerusalem wiederherstellen lassen; allein Gottes Allmacht vereitelte das freventliche Unternehmen, und seit Julians Tod wagte niemand mehr, den Tempel zu erneuern.
Jerusalem wird zur Zeit Konstantins d. Gr. zur christlichen Stadt
Als christliche Stadt blühte Jerusalem, erst spärlich, dann immer dichter bevölkert, innerhalb der Mauern, welche die Ausdehnung der Stadt zur Zeit des römischen Feldzugs bezeichneten. Einiges Licht fällt auf das Jerusalem dieser Zeit durch die Pilgerberichte, welche wir seit dem 4. Jahrhundert besitzen. Der erste davon ist die Relation des sogen. Pilgers von Bordeaux aus der ersten Hälfte des 4. Jahrhundert, ein kurzes Stationsverzeichnis, in welchem die konstantinischen Bauten hervorgehoben werden.
Theodosius, dessen Bericht de Situ Terrae sanctae um 525 geschrieben ist (ed. Gildemeister, Bonnae 1882), hebt als Heiligtümer der Christen hervor das Grab Jesu, den Kalvarienberg mit Golgotha, die Sionskirche, das Haus Kaiphas, das zur Kirche des hl. Petrus umgewandelt sei, das Prätorium des Pilatus, damals Sophienkirche, die Geißelsäule in der Sionskirche, den Platz der Steinigung des hl. Stephanus vor dem Tor nach Galiläa mit einer von Eudoxia gebauten Kirche, den Teich Siloe, den Schafteich (Bethesda) mit der Kirche der heiligen Jungfrau, das Tal Josaphat, das Cönaculum nebst anderen Andenken an alttestamentliche und neutestamentliche Begebenheiten (p. 19 sq.)
Im siebenten Jahrhundert erlag Jerusalem dem Ansturm der Perser
Das siebente Jahrhundert brachte großes Weh über Jerusalem. Der Perserkönig Chosroes II. begann aus hergenommenem Vorwand einen Krieg mit den oströmischen Kaisern Phokas und Heraklius und sandte seinen Schwiegersohn Schaharbarz nach Palästina, unter dessen Fahnen auch 26.000 Juden kämpften. Im Jahr 615 erlag Jerusalem dem vereinten Ansturm der Perser und der Juden, und es sollen dabei 90.000 Christen dem Fanatismus und der Rache der Juden zum Opfer gefallen sein; die übrigen wurden gefangen weggeführt.
Die heilige Grabkirche und alle anderen christlichen Kultusstätten wurden verbrannt, das heilige Kreuz mit nach Persien geführt. Der Jubel der Juden über diese Wendung der Dinge dauerte jedoch nicht lange. Heraklius raffte sich auf und schlug die Perser wiederholt aufs Haupt; Chosroes ward von seinem eigenen Sohn Siroes entthront und getötet, und ein ehrenvoller Friede brachte unter anderem das Holz des heiligen Kreuzes wieder nach Jerusalem. Die christlichen Heiligtümer daselbst erstanden zu neuer Pracht, und Heraklius erneuerte Hadrians Vorschrift, dass kein Jude den Boden von Jerusalem betreten dürfe.
Siehe den Beitrag: Feierliche Übertragung des heiligen Kreuzes
Der Sieg des Islam über Jerusalem
Inzwischen bereitete sich in Arabien die religiöse Bewegung vor, welche einen großen Teil Asiens und Europas umgestalten sollte. Vor dem Siegeslauf des Islam büßte Heraklius die im Perserkrieg errungenen Vorteile wieder ein, und eine Niederlage, welche die griechischen Truppen am Hieromax erlitten, eröffnete den Moslems das schutzlose Palästina. Im Jahr 636 erschien das arabische Heer unter Khaled und Abu Obeida vor Jerusalem, wohin sich die Trümmer des griechischen Heeres geflüchtet hatten. Die Belagerung dauerte vier Monate, während welcher kein Tag ohne Sturm verlief.
Endlich sahen die Belagerten ein, dass sie kapitulieren müssten, und der Patriarch Sophronius verlangte mit dem Kalifen in Person wegen der Übergabe zu verhandeln. Der edle Omar kam zu dem Ende von Medina herüber und gestand den Bewohnern von Jerusalem einen ehrenvollen Frieden zu, in welchem die freie Übung der christlichen Religion innerhalb ihrer Kirchen und das Verbot der Ansiedlung von Juden einbegriffen war.
Bau der al-Aqsa-Moschee auf dem Tempelberg
Jerusalem Al Aqsa Moschee um 1900
Indes befahl Omar, auf der Stätte des ehemaligen Tempels eine Moschee zu errichten, und begann mit eigener Hand als Erster mit der Aufräumung des Schutts. Außerdem verwandelte er die prachtvolle, von Justinian auf der Südseite des Tempelbergs errichtete Marienkirche in eine Moschee, welche im Vergleich mit der zu Mekka und Medina, mit welcher sie vorerst wetteiferte, den Namen al Aqsa, „die nördliche“, erhielt.
Diese Entweihung traf Sophronius so schwer, dass er schließlich vor Gram starb. (Eutychii Annales, ed. Migne, PP. gr. CXI, 1099 sq.). Als die Omar-Moschee nach langen Jahren vollendet war, trat diese an die Stelle der Aqsa und blieb seitdem die dritte der heiligen Stätten, welche die Moslems am meisten ehren und aufsuchen.
Palästina ward eine Provinz des Kalifats, und trotz Omars Zugeständnis ward Jerusalem wieder den Juden geöffnet. Das Zuströmen christlicher Pilger dauerte fort trotz der Schwierigkeiten, welche die moslemische Regierung mit sich brachte. Ein Bild der Stadt aus dem 8. Jahrhundert gibt besonders der Bericht des Bischofs Arculf.
Unter Harun al Raschid erreichte der Ruhm Karls des Großen auch das ferne Arabien, und der Kalif schickte demselben die Schlüssel des heiligen Grabes und der Stadt Jerusalem, um ihn durch diese Ehrenbezeugung von dem möglichen Gedanken einer Kriegsunternehmung abzuhalten.
In der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts gewann Jerusalem eine ungemeine Bedeutung für die mohammedanische Welt, denn die Eroberung Mekkas durch die Karmaten 929 verhinderte die Wallfahrt dahin bis zu deren Vertreibung 950, und während dieser Zeit zogen die Mekkapilger nach Jerusalem (D`Herbelot, Bibl. Orient. s. v. Hagge, Ed. de la Haye II, 174). Während der Kriege und Empörungen, welche das Kalifat für anderthalb Jahrhunderte zerrissen, wurde auch Jerusalem heimgesucht, als der griechische Kaiser diese Unruhen zu benutzen und Syrien wiederzuerobern suchte; damals wurde der Patriarch des Einverständnisses mit den Griechen beschuldigt und zum Feuertod verurteilt, und mehrere christliche Kirchen wurden verbrannt (Michaud, Hist. Des Crois. 1811, I, 32).
Die Herrschaft der Fatimiden in Palästina
Im Jahr 972 kam Palästina unter die Herrschaft der Fatimiden, und der grausame Al Hakem, der 996 als elfjähriger Knabe den Thron bestieg, ward die Geißel für Juden und Christen. Im Jahr 1008 oder 1010 ließ dieser die christliche Grabeskirche vollständig niederreißen, weil die christlichen Priester sich am Karsamstag sollten einen Betrug mit dem heiligen Feuer erlauben (Radulfi Glabri Hist. 3, 7; Ademari Cabanensis chron. Bei Bouquet, Recueil des Historiens de France X, 34. 152; Michaud, Biblioth. Des Croisades, I, 202. 205. Silv. De Sacy, Exposé de la Religion des Druzes I, p. CCCXXXVI s.).
Die Herrschaft der Seldschuken in Palästina
Erst unter seinem Enkel Al Mostanser Billah wurde die Grabeskirche (1046 bis 1048) wieder aufgebaut, nachdem der griechische Kaiser zur Ausführung der Arbeit 5000 mohammedanische Gefangene freigegeben hatte. Im Jahr 1071 wurden die Seldschuken unter Malek-Schahs Feldherrn Aziz Herren von Palästina und Jerusalem, und die Stadt musste mancherlei Beschwerden unter der türkischen Herrschaft ertragen. Ebenso verfolgten die neuen Herrscher auch die abendländischen Pilger mit unerhörter Grausamkeit, und der Schrei der Entrüstung, welcher darüber im Abendland sich wiederholte, rief die Kreuzzüge hervor.
Siehe die Beiträge zu den Kreuzzügen:
Eine lehrreiche Beschreibung Jerusalems aus der Zeit der Kreuzzüge besitzen wir von dem arabischen Geographen Edrisi, herausg. Von Gildemeister in der Zeitschrift des Deutschen Paläst.-Vereins II, 1885, 2. Heft, übers. Von Guy le Strange (Palaest. Explro. Fund 1888, 31).
Jerusalem in der Zeit der Kreuzzüge
Als die Christen (1187) Jerusalem hatten verlassen müssen, hielt Saladin seinen siegreichen Einzug. Alle Kirchen, mit Ausnahme der des heiligen Grabes, wurden in Moscheen verwandelt. Von der Grabeskirche nahmen die Moslems das große Kreuz herab und schmelzten die Glocken ein, welche die Christen zum Gottesdienst gerufen hatten. Während des Zuges gegen Ägypten, unter Kardinal Pelagius, der anfangs Erfolg zu haben schien, ließ der Sultan von Damaskus die Mauer von Jerusalem niederreißen, um der Okkupation durch die Abendländer vorzubeugen.
Nur für kurze Zeit ward die heilige Stadt (1229) noch einmal christlich, doch machte das zweideutige Vorgehen Friedrichs II. diesen Besitz wertlos. Die Mauern durften nicht wieder hergestellt und der christliche Gottesdienst nur neben dem moslemischen geduldet werden. So war nicht viel verloren, als Jerusalem 1244 für immer wieder an die Mohammedaner fiel. Als Thibaut von Navarra in Palästina erschien, ermannten sich die Christen und befestigten Jerusalem wieder, allein der Fürst von Kerek zog alsbald heran und zerstörte die neuen Werke samt der Burg auf Sion.
Bald darauf glaubten die Christen die stete Uneinigkeit der mohammedanischen Fürsten benutzen und die Mauern der heiligen Stadt wieder aufbauen zu können; allein als furchtbare Feinde erschienen die Chowaresmier, vor denen alles aus Jerusalem floh, und verwüsteten die Heiligtümer, bis der Sultan von Ägypten sich wieder in den Besitz der Stadt und des Landes setzen konnte. Seitdem blieb die Herrschaft der ägyptischen Bahriten in Jerusalem unangefochten.
Die Christen wurden nicht bedrängt, allein der Zutritt zum heiligen Grab war ihnen nur gegen eine Abgabe gestattet. Im Jahr 1313 gelang es der Verwendung Roberts von Anjou, Königs von Neapel, dass den Franziskanern die Obhut über die heiligen Stätten und die Aufnahme der christlichen Pilger anvertraut wurde.
Die Herrschaft der Mameluken in Jerusalem
Um diese Zeit strömten auch wieder zahllose jüdische Pilger nach Jerusalem, um dort ihre Festtage zu begehen (Benjamin Tudel., ed. Asher II, 399). Der Sturz der Bahriten und die Erhebung der tscherkessischen Mameluken auf den Thron von Ägypten brachte wider Erwarten den Christen einige Erleichterung, und es wurden 1393 die von der gestürzten Dynastie eingeführten Auflagen wieder abgeschafft.
Die hierauf gesetzten Hoffnungen erfüllten sich jedoch nicht; die moslemischen Herrscher im Orient bewahrten die Abneigung vor den Abendländern, welche ihnen die Kreuzzüge eingeflößt hatten, und die Christen in Jerusalem wurden als Gesinnungsgenossen derselben auf jede Weise bedrückt. Im Jahr 1432 fand der französische Pilger Bertrand de la Brocquière zu Jerusalem nur zwei französischen Franziskaner, welche alle Schikanen der Moslems ausgesetzt waren; die christlichen Kaufleute wurden abends in ihre Bazare eingeschlossen, und diese morgens erst geöffnet, wann es den moslemischen Beamten gefiel.
Die Juden wurden besser behandelt und betrieben allerlei Handwerke, durch welche sie den Moslems unentbehrlich wurden (Voyages d`outre-mer, publ. Pa Legrand d`Aussy in den Mémoires de l`Institut, classe des sciences mor. et polit., V, Par. 1804).
Höchst anziehend ist auch der Bericht des Kölner Ritters Arnold von Harff über seine Pilgerfahrt nach Jerusalem 1496 bis 1499; man ersieht aus demselben wohl, welche Gefahren den Christen ein willkürliches Regiment bereitete, aber auch, welche Klugheit ihnen lange Gewöhnung verschafft hatte, um diesen Gefahren zu entgehen. Arnold konnte, nachdem er einmal zehn Dukaten bezahlt hatte, nicht nur alle christlichen Heiligtümer nach der Reihe besuchen, sondern gelangte für weitere Dukaten auch nachts in die Moscheen auf dem Tempelplatz, in welche kein Christ oder Jude unter Todesstrafe den Fuß setzen durfte. (Ausg. Von E. v. Groote, Köln, 1860, S. 163. 166. 178).
Rührend ist, was Arnold über die gute Aufnahme in dem Franziskanerkloster auf dem Berg Sion erzählt (165); offenbar war durch den Wechsel höherer oder niederer Beamten inzwischen die Lage der Christen erträglicher geworden.
Jerusalem unter türkischer Herrschaft
Mit dem Jahr 1517 kam Palästina und Jerusalem unter türkische Herrschaft, und seitdem genießt die heilige Stadt bis heute die zweifelhaften Vorteile ottomanischer Verwaltung. Im Sommer 1833 sah sich die Pforte genötigt, Syrien und Palästina an den ägyptischen Vizekönig Mehemed Ali abzutreten, allein 1840 ward beides mit Hilfe der europäischen Mächte wieder unter die Herrschaft des Padischahs zurückgebracht.
Die türkische Regierung schenkte Jerusalem von Anfang an diejenige Aufmerksamkeit, welche es seiner geographischen Bedeutung und seiner Geschichte nach verdient. Schon der zweite Padischa Soliman ließ 1536 bis 1539 eine neue Mauer rings um die Stadt ziehen. Diese ist, wie zahlreiche Inschriften in ihr beweisen, die heutige Stadtmauer; dieselbe entspricht im Wesentlichen der dritten Stadtmauer bei Josephus, umschließt aber nicht den südlichen Teil des Sion und ist direkt über das ehemalige Tyropöon hinübergeführt.
Von sieben Toren sind fünf im Gebrauch, nämlich im Norden das Damaskustor, im Osten das Stephanstor, im Süden das Misttor und das Sionstor, im Westen das Jaffator, durch welches die europäischen Besucher der Regel nach in die Stadt einziehen. Innerhalb der Mauern wohnen jetzt nach ungefährer Schätzung 30.000 Menschen, nämlich 13.000 Mohammedaner, 10.000 Christen und 7.000 Juden, meist in engen, schmutzigen Gassen und kleinen, niedrigen Steinhäusern. Durch zwei gekreuzte Straßen zerfällt die Stadt in vier Quartiere, welche sämtlich weite, leer liegende Räume einschließen; von diesen wird das nordöstliche gewöhnlich das mohammedanische, das nordwestliche das christliche, das südwestliche das armenische, das südöstliche das jüdische Quartier genannt.
Das christliche Quartier mit der Grabeskirche
Die drei erstgenannten Quartiere umschließen eine Anzahl sorgfältig gehüteter heiliger Stätten. Die wichtigste unter denselben ist selbstverständlich die im christlichen Quartier liegende Grabeskirche mit Golgotha. Zu derselben führt vom Stephanstor, das die Mohammedaner Bab Sitti Marjam, das Tor (Unserer Lieben) Frau Maria nennen, oder eigentlich von der Kaserne, der ehemaligen Antonia, her die sogen. Via Dolorosa, der Leidensweg des Herrn, auf welchem alle die einzelnen Stellen bezeichnet sind, welche jetzt als die elf ersten Stationen des Kreuzwegs bekannt sind; die drei letzten liegen in der Grabeskirche selbst.
Die Via Dolorosa
Die erste Station ist die ehemalige Gabbatha oder das Lithostroton; von ihr herab führte sonst die jetzt in Rom aufbewahrte Treppe, welche Jesus bei seinem verhör vor Pilatus immer wieder zurücklegen musste, und welche deswegen die Scala sancta genannt wird. Der Ort der Geißelung ist durch eine Kapelle außerhalb der Kaserne, die Stelle der Dornenkrönung durch einen gewölbten Raum im Innern derselben bezeichnet. Die Via dolorosa geht erst westlich, biegt dann da, wo jetzt das österreichische Pilgerhaus steht, südöstlich um und setzt sich wieder in westlicher Richtung fort.
Der Ecce-homo-Bogen
Nur zwölf Meter von der Kaserne entfernt wölbt sich über die Straße ein alter Bogenbau, der bekannte Ecce-homo-Bogen, neben welchem seit 1857 ein Kloster und eine Kirche der „Töchter von Sion“ steht. An die Grabeskirche stößt unmittelbar das Klösterchen der Franziskaner. Zu den Heiligtümern der Christen gehört auch noch die von den Moslems in Besitz genommene ehemalige Kirche vom heiligen Geist mit dem angeblichen Grab Davids und mit dem von Jesu und den Aposteln so oft benutzten Cönaculum auf dem Sion nebst dem daran stoßenden Haus des hl. Johannes und der hl. Jungfrau und dem etwas nördlich davon liegenden Haus des Kaiphas; auch die Stelle wird hier gezeigt, wo Petrus seine Verleugnung beweinte.
Das Quartier der Armenier und Mohammedaner
In der Nähe befinden sich jetzt die christlichen Kirchhöfe der Lateiner, Griechen, Kopten, Armenier und Anglikaner, und auf den Substruktionen der ehemaligen Stadtmauer im Westen steht eine protestantische Schule. Das Quartier der Armenier besitzt als Hauptheiligtum die St. Jakobskirche mit dem Grab des hl. Macarius und dem ungeheuren armenischen Kloster ringsherum, wo der armenische Patriarch mit fünf Bischöfen und mehr als hundert Geistlichen wohnt.
In diesem Quartier liegt auch neben dem Jaffator die Zitadelle von Jerusalem, el Kala genannt, mit uralten Bestandteilen, welche zum Turm Hippikus gehört zu haben scheinen. Im mohammedanischen Quartier liegt von christlichen Heiligtümern außer den schon oben genannten, namentlich dem Teich Bethesda und der via dolorosa, die (jetzt Frankreich gehörige) Kirche der hl. Anna, dann aber die große mohammedanische Wallfahrtsstätte des Haram al Scharif.
Al-Aqsa-Moschee und Felsendom
Dies ist die alte Tempelarea, welche aber von den ersten Kalifen etwas erweiter zu sein scheint. Auf dem Südwestende derselben liegt die berühmte, schon oben genannte Moschee al Aqsa, welche von den Kalifen nach Omar mit verschwenderischer Pracht geziert und ausgebaut worden ist. (Vgl. Palest. Explor. Fund 1887, 48) Bei derselben schlugen später die christlichen Könige von Jerusalem ihre Residenz auf, und hier erhielt auch derjenige Ritterorden seinen ersten Sitz, der sich nach dem Tempelplatz und der ihm als Tempel des Herrn überwiesenen Omarsmoschee den Tempelorden nannte.
Wie schon bemerkt, knüpfte sich die Verehrung Jerusalems bei den Mohammedanern zuerst an diese Moschee. Jetzt aber ist das dritte Hauptheiligtum des Islam die sogen. Omarsmoschee, welche bei den Moslems Kubbet el Sachra, der Felsendom heißt. Dies ist ein mitten im Haram al Scharif auf einer drei Meter hohen Plattform errichteter, oktogener Bau, der von den Arabern in den ihnen Anfangs allein bekannten byzantinischen Formen aufgeführt wurde. Nach einer im Innern befindlichen kufischen Inschrift wurde er nicht von Omar, sondern von Al Malik 731 (72 d. Hedschra) erbaut; von den späteren Kalifen ward er immer mehr verschönert.
Das eigentliche Heiligtum ist hier ein 17 Meter langer, 13 Meter breiter und 2 Meter hoher Fels, der nach Angabe der Mohammedaner frei über einem Abgrund schwebt, in Wahrheit aber eine Höhle oder eine Zisterne bedeckt und kreisrund dahinein geöffnet ist. (S. die Abbild. Palest. Explor. Fund 1887, 74) Von diesem Felsen, dessen nicht die heilige Schrift, aber wohl die jüdische Tradition im Talmud und in den Targumin Erwähnung tut, soll der Stein sein, auf welchem Mechisedech opferte, Abraham seinen Sohn Isaak darbringen wollte, die Bundeslade aufgestellt war und Gottes unaussprechlicher Name stand; andere glauben, dass der Brandopfer-Altar auf demselben angebracht war.
Außer den beiden großen Heiligtümern enthält der Haram al Scharif noch eine Reihe kleinerer Gebäude, welche dem mohammedanischen Kultus dienen; auf der Westseite stehen derer so viele, dass der Haram daselbst durch zwölf Tore hat zugänglich gemacht werden müssen. Im Südosten liegen unterirdische Gewölbe, welche die Mohammedaner als Salomons Pferdeställe zeigen.
Das Quartier der Juden
Das Judenquartier umschließt keinerlei Stätten von größerer historischer Bedeutung; nur ist den Juden im Nordosten an der alten Tempelmauer ein Platz, al Ebra, angewiesen, an dem sie Freitags und an den Festtagen zusammenkommen dürfen, um über den Verlust Jerusalems zu klagen und zu beten. Wohl aber sind im Judenviertel, dessen Bewohner sich stetig mehren, Synagogen für alle Abschattungen des Judentums, nämlich für die Sepharden oder spanisch-portugiesischen, für die Aschkenasim oder deutschen Juden, für die Karäer und für die Moghrebiner oder maurischen Juden; außerdem besteht daselbst ein jüdisches Hospital und eine jüdische Pilgerherberge.
Die nächste Umgebung von Jerusalem
Die nächste Umgebung von Jerusalem enthält auch noch mancherlei Örtlichkeiten, welche dem frommen Sinn der Pilger und dem Interesse der Altertumsforscher Nahrung geben. Zehn Minuten nördlich vom DamaskusTor liegt ein prachtvolles altes Grabgebäude, welches die Araber Kubur el Salatin oder Kubur el Muluk, „die Königsgräber“, nennen. De Saulcy, der es sorgfältig untersucht hat, hält es für das Grab Davids; doch kann es dies wegen 3. Kön. 2, 10 nicht sein.
Die „Gräber Davids“ und andere Denkmäler
Auch die „Gräber Davids“, d. h. die Gräber seiner Dynastie, lagen nach 2. Esdrd. 3, 16 in der Sionsstadt; einige Könige von Juda wurden an bestimmten anderen Stellen ebenfalls auf Sion bestattet (2. Par. 16, 14; 21, 20; 24, 25; 26, 23), und nur Achaz (2. Par. 28, 27), Ezechias (32, 33), Manasses (4. Kön. 21, 18), Amon (4. Kön. 21, 26) und Josias (4. Kön. 23, 30) fanden ihre Ruhestätte anderswo, keiner aber an der angegebenen Stelle.
Wahrscheinlich wurden in jenem Prachtbau die Königin Helena von Adaiabene, deren Sohn Izates und dessen 24 Söhne und Töchter begraben (Jos. Antt. 20, 4, 3). Etwas südlich davon liegt die Grotte, in welcher der Prophet Jeremias angesichts der zerstörten Stadt seine Klagelieder verfasst haben soll. Südöstlich von Jerusalem am Ölberg liegt eine uralte, in den Felsen gehauene Katakombe, welche man nach ungewisser Tradition als „Gräber der Propheten“ bezeichnet.
Etwas weiter nördlich, der Aqsa gegenüber, zeigt man einen Steinbau unter dem Namen Grab des Zacharias, nach den Juden des 2. Par. 24, 20, nach den Christen des Matth. 23, 35 erwähnten und vermutlich mit jenem identischen Zacharias. Noch weiter nördlich steht am Abhang ein ähnliches Steindenkmal, das schon dem Pilger von Bordeaux als „Denkmal Absaloms“ gezeigt wurde und bis heute als solches gezeigt wird; doch kann dies das 2. Sam. 18, 18 „im Königstal“ errichtete nicht sein, da es im Kedrontal steht.
Zwischen diesen beiden Denkmälern liegt eine Grotte, in welcher sich der heilige Apostel Jakobus nach dem Tode Jesu, ohne zu essen und zu trinken, verborgen gehalten haben soll, bis der Herr ihm (nach 1. Kor. 15, 7) als Auferstandener erschien. Jenseits des Absaloms-Denkmals liegt etwas nördlich das sogen. Grab Josaphats, von dem auch wohl das ganze Tal den Namen „Tal Josaphat“ erhalten hat. Heute heißt das Tal bei den Arabern bedeutungsvoll Wadi Sitti Marjam, „Tal der Frau Maria“, denn noch weiter nördlich, nachdem man rechts Gethsemane gelassen hat, findet man „das Grab Mariä“, d. h. Die Stelle, wo ihr heiliger Leib bis zu seiner Aufnahme in den Himmel ruhte.
Das „Grab Mariä“
Hier ließ Theodosius d. Gr. ein zweistöckige Rotunde errichten. Dieselbe wurde 614 von den Persern zerstört, aber bald wieder aufgebaut, so dass 670 Arculf (Adamn De locis terrae s. 1, 13 bei Migne, PP. Lat. LXXXVIII, 788) und 725 der hl. Wilibald (Boll. Julii II, 507) sie besuchen konnten. Im Jahr 1010 ließ der Kalif Hakem sie wieder niederreißen, allein die Kreuzfahrer errichteten um 1130 einen großen und prächtigen Neubau, von dem jetzt nur noch der untere Teil vorhanden ist.
Die eigentliche Gruft ist in eine Kapelle verwandelt; an der dahin führenden Treppe verehrt man die Gräber der hll. Joachim, Anna, Joseph und Simeon, sämtlich durch Altäre bezeichnet. Ein nordwestlich gerichteter Gang führt von hier direkt in die Grotte der Todesangst Jesu. Über den hier rechts aufsteigenden Ölberg mit seinen Heiligtümern siehe den Artikel Gethsemani. Von anderen Stätten vor den Toren Jerusalems bleibt nur noch die alte jüdische Nekropolis zu nennen, welche sich an der Südseite der Stadt zu beiden Seiten des Gehinnom befand. Auf der Südseite dieses Tales liegt Hakeldama.
Bekenner aller möglichen Glaubensrichtungen in Jerusalem
Jerusalem ward von jeher bei allen Bekennern monotheistischer Religion als heilige Stadt angesehen. Mohammed hatte vor 624, da er Mekka wählte, Jerusalem als die Kibla, d. h. als den Ort, wohin seine Anhänger sich beim Gebet zu wenden hätten, bestimmt. Die Folge dieser allgemeinen Verehrung ist, dass sich Bekenner aller möglichen Glaubens-Genossenschaften in Jerusalem zu gesonderten Gemeinden zusammengefunden haben.
Unter den Christen sind leider die schismatischen Griechen an Zahl und Einfluss im Vordergrund und wissen sich auch im Besitz der meisten heiligen Stätten zu behaupten; daneben sind die armenischen Schismatiker besonders zahlreich vertreten. Aber auch die abessynischen und georgischen Monophysiten, griechische und armenische Unierte, protestantische Sekten u.a. unterhalten Gemeinden; römische Katholiken mag es etwa 2000 zu Jerusalem geben.
Seit dem Krimkrieg haben die Nicht-Mohammedaner Erlaubnis, in Palästina Grundbesitz zu erwerben; dieses Recht ist zu Jerusalem in der mannigfaltigsten Weise ausgenutzt worden. Vor allem haben die Russen große Geldmittel aufgewendet, um eine ausgedehnte Niederlassung im Nordwesten der Stadt zum Zweck nationaler und religiöser Propaganda zu gründen; ihnen eifern die englischen und amerikanischen Anglikaner, sowie die deutschen Protestanten, wenn auch mit geringeren Mitteln, fleißig nach.
Segensreiche katholische Anstalten in Jerusalem
Allein, die Begeisterung der Katholiken hat, wenn auch die Hilfsquellen spärlicher fließen, doch weitaus die segensreichsten Anstalten ins Leben gerufen; außer den Franziskanern haben französische Missionspriester, Schulbrüder, Josephs-Schwestern, Schwestern U.L.F. von Sion, Karmelitinnen, arabische Schwestern vom Rosenkranz, weltliche Kongregationen beiderlei Geschlechts für Erziehung, Unterricht, Krankenpflege und Andachtsübung blühende Anstalten geschaffen, welche wirkliche Erfolge zu verzeichnen haben.
Inzwischen sind auch die Verkehrswege zwischen Europa und dem Orient und vor allem im heiligen Land selbst so vervollkommnet worden, dass das bei den Abendländern neu erwachte Interesse für Jerusalem leichter als früher seine Befriedigung finden und für das religiöse Leben wie für die Wissenschaft reiche Nahrung versprechen kann. –
aus: Wetzer und Welte Kirchenlexikon, Bd. 6, 1889, Sp. 1324 – Sp. 1333
Bildquellen
- Jerusalem_Al_Aqsa_Moschee_um_1900: wikimedia
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- Via_Dolorosa: wikimedia
- Jerusalem_Ecce_Homo_Bogen_um_1900: wikimedia
- Temple_Mount_(Aerial_view,_2007)_05: wikimedia | CC BY-SA 4.0 International
- Walter_Mittelholzer._Jerusalem._1934_(z_eth_0255993): wikimedia