Das fünfzehnte Jahrhundert für die Päpste

Der Papst trägt das Kreuz Christi, von Christus glorreich empfangen; es zeigt das Leiden der Päpste und zugleich der Kirche

Das 15. Jahrhundert für die Päpste

Wir treten jetzt in eine verhängnisvolle Zeit für die Kirche im allgemeinen und das Papsttum im Besonderen. Steht auch die abendländische Christenheit geeint unter einem gemeinsamen allgemein anerkannten Oberhaupt, so ballten sich doch gerade jetzt gewaltige Wetterwolken zusammen, die sich in einem verheerenden Sturme entladen sollten: es bereitet sich der unselige Abfall vor, der sich im folgenden Jahrhundert vollzieht. Sehen wir zuerst auf das, was das Ansehen der Päpste in dieser Zeit schädigte und dann auf das, was die Päpste raten, um dem Übel zu begegnen. Ein charakteristisches Zeichen dieser Periode ist eine Verstimmung gegen den gemeinsamen Vater der Christenheit, obschon die Päpste auch in diesem Jahrhundert das Wohl der Kirche und das Heil der christlichen Völker zu fördern trachteten. Wir sehen einen beklagenswerten Niedergang des päpstlichen Ansehens trotz der wahrhaft großartigen Tätigkeit einzelner Päpste. Die Ursachen liegen in dem überkommenen Erbe, in den Missständen der Zeit und in persönlichen Gebrechen einzelner Päpste selbst.

Die Übernahme eines schweren Erbes

1. Vorerst untergrub das Ansehen der Päpste das Erbe, welches das gegenwärtige Jahrhundert vom vorhergehenden übernommen hatte und jetzt noch fortwirkte. Es war der Nachhall des Schismas, der Husitismus und die unkirchliche Lehre von der Unterordnung des Papstes unter das Konzil. Das Schisma hatte eine große Verwirrung in den Gemütern hervorgerufen, die noch lange fühlbar war. Die gefährlichste Irrlehre des Hus was wohl kirchlich verurteilt und verworfen worden, aber seine Anhänger schlugen die gegen sie ausgesandten Heere zurück. Wurde der Husitismus endlich auch äußerlich unterdrückt, so hatte er doch Giftsamen genug gegen die kirchliche Autorität ausgestreut, der im stillen fort wucherte. Ein weiteres Erbe aus dem Anfange des 15. Jahrhunderts war der verwerfliche Grundsatz, daß das Konzil über dem Papst stehe. In früheren Zeiten unbekannt, kam diese Lehre gelegentlich des Schismas auf und fand zahlreiche Anhänger. Da dieselbe aber gegen die von Christus seiner Kirche gegebene Verfassung verstieß und aus der Kirche ein Parlament gemacht hätte, in welcher die Schreier und Lärmmacher das Heft in den Händen hätten, mussten die Päpste mit allem Nachdruck die Wahrheit, daß der Papst über dem Konzil stehe, verteidigen. Da die Vertreter der entgegengesetzten Lehre Anhänger warben, musste notwendigerweise das Ansehen des Papstes Einbuße erleiden.

Eine dreifache fremde Schuld

2. Die zweite Ursache des Niederganges des päpstlichen Ansehens bildet eine dreifache fremde Schuld. Hierher ist vorerst die Schuld der weltlichen Machthaber zu zählen. Von der Förderung der Interessen der Christenheit wollen sie nichts mehr wissen. Habsucht und Selbstsucht hemmen den Ausblick auf höhere Rücksichten. Dem Papst gegenüber verfolgen sie nur das Streben, seinen Einfluss möglichst zu beschränken oder wenigstens den selbstischen Interessen dienstbar zu machen. –

Ferner ist an der Missachtung des Papstes die große Begeisterung für die heidnische Kunst und Literatur schuld. Die katholische Wissenschaft war von der früheren Höhe herabgesunken und verlor sich nicht selten in eitle Spitzfindigkeiten und Zänkereien, dabei wurde die äußere Form vielfach arg vernachlässigt. Verfall und Untergang des oströmischen oder griechischen Reiches führte zahlreiche Gelehrte ins Abendland, welche die Kenntnis des Altertums und die Liebe zu den klassischen Studien, die Liebe für die griechische und lateinische Kunst und Wissenschaft der Alten mächtig förderten. Die Formen-Schönheit der alten Schöpfungen und Poesie und Kunst bestrickte zahlreiche gebildete Männer so sehr, daß sie auch heidnische Sitten in sich aufnahmen. Ja, nicht wenige dieser Gelehrten kamen so weit, daß ihnen das Christentum als Barbarei erschien und sie in den Sitten und im Glauben mit dem Christentum brachen und über die Kirche und ihre Diener maßlos schmähten. Ein protestantischer Gelehrter schreibt von diesen Schöngeistern: „Der Charakter dieser Männer war Unsittlichkeit, grenzenlose Eitelkeit und Streitsucht.“ In Deutschland erhielten sie den Namen Humanisten. Allerdings waren die edleren von ihnen gläubige und sittliche Charaktere, die es verstanden, mit der heidnischen Formen-Schönheit den Gehalt des Christentums zu verbinden, aber ein großer Teil sank immer tiefer in den heidnischen Wust hinein. Durch die bestechende Form ihrer Schriften gewannen sie Einfluss, durch ihre frivole Spottsucht über alles Heilige erschütterten sie die Anhänglichkeit an die Kirche.

Die dritte fremde Schuld, aus der Missstimmung gegen den Papst erwuchs, waren traurige Missstände in der Kirche, gegen die keine Radikalkur in Anwendung gebracht wurde: die sittliche Verkommenheit eines Teils des Klerus, die von Übelwollenden verallgemeinert wurde. Leider wählten damals viele ohne Beruf aus zeitlichen Rücksichten den geistlichen Stand und blieben ihren weltlichen Sitten treu. Mit Vorliebe wurden die jüngeren Söhne und Töchter des Adels dem geistlichen Stand förmlich aufgehalst, um sie durch kirchliche Pfründen zu versorgen. Es kam so weit, daß viele Domkapitel und Stifte ausschließlich dem Adel vorbehalten blieben. Adelige Herren wurden zu Bischöfen und Äbten gewählt. Zu allem Überfluss kam noch, daß manche sich in den Besitz mehrerer Pfründen und selbst solcher setzten, mit welchen die Seelsorge verknüpft war. Sie ließen sich durch Vikare vertreten, die ärmlich entlohnt wurden, während sie selbst die Einkünfte vergeudeten. Diese Übelstände waren durch die damalige Unsicherheit herbeigeführt worden. Die geistlichen Güter waren oft nur sicher vor Gewalttat, wenn eine mächtige Hand sie schützte, wenn der Bischof oder Abt eine einflussreiche Verwandtschaft besaß oder durch den Besitz mehrerer Pfründen selbst über eine bedeutende Macht verfügte.

Die persönlichen Gebrechen der Päpste

3. Die dritte Ursache, die das päpstliche Ansehen in dieser Periode schädigte, liegt in persönlichen Gebrechen einzelner Päpste. Die Bedürfnisse der Päpste waren sehr groß. Rom war eine Ruine, der Kirchenstaat aufgelöst, die Gesandtschaften sollten unterhalten, das Missionswesen gefördert werden. Der Schutz der abendländischen Christenheit vor den heran flutenden Türkenscharen forderte ausgiebige Hilfe. Von allen Seiten wandte man sich im Bedrängnis an den gemeinsamen Vater. Immer hatten die Päpste für alle Arten des Elends und der Not offene Hände. Wie sollten sie mit leeren Händen helfen können? Als die Träger der himmlischen Wahrheit sollten sie Künste und Wissenschaften fördern. Wie sind sie imstande, diesen Anforderungen gerecht zu werden, wenn ihnen die Mittel fehlen? Übrigens ist es Tatsache, daß Deutschland, wo gerade am häufigsten und am bittersten über die Habsucht der Kurie Klage geführt wurde, während dieser Zeit von den Päpsten für die Kriege mit den Türken größere Summen erhielt, als es an dieselben ablieferte; doch kann nicht geleugnet werden, daß es auch an der Kurie öfters eines goldenen Hammers bedurfte, um manche Türen zu öffnen. Immer hat es an den Höfen Schmarotzer gegeben, die sich zwischen die Fürsten und Bittsteller drängten. Ebenso wenig soll in Abrede gestellt werden, daß der eine und der andere Papst durch seine Prachtliebe die Kassen erschöpfte und daher wenig entsprechende Mittel in Anwendung brachte, um das Defizit zu decken.

Eine das Ansehen der Päpste noch mehr schädigende Ursache aber war der Nepotismus, dessen sich einige Päpste dieser Periode schuldig machten. Bei der bekannten Vorliebe der Italiener für ihre Familienangehörigen ist es nicht zu verwundern, daß sonst gute Päpste oft sich zu sehr von Fleisch und Blut bestimmen ließen.

Auch die politische Rolle, welche die Päpste in dieser Zeit spielten, und die Missgriffe, die ihnen trotz guten Willens hierin begegneten, schmälerten ihr Ansehen. Um ihre Unabhängigkeit inmitten lauernder Gegner zu bewahren, mussten sie Bündnisse eingehen oder lösen. Dadurch wurden sie in Kriege verwickelt und die kirchlichen Interessen geschädigt. So kam es, daß wir selbst einem Papst begegnen, der zwar einer der größten Regenten, aber doch mehr weltlicher Fürst als geistliches Oberhaupt war. Man wirft den Päpsten diese politische Tätigkeit vor, bedenkt aber nicht, daß sie dadurch ihre Unabhängigkeit und die Freiheit der Kirche zu bewahren suchten.

Leider hatte diese politische Richtung noch andere schlimme Folgen. Aus Rücksicht auf die befreundeten oder auch gefürchteten Staaten wurden Kardinäle zweifelhaften Charakters gewählt und diese wählten dann, mehr von politischen als rein religiösen Rücksichten geleitet, einen Papst. Diese Rücksicht wie der Nepotismus eines Papstes ist schuld, daß auch ein Mann auf den Stuhl Petri erhoben wurde, auf den die Feinde mit Spott und Hohn hinweisen, um unsere Kirche zu lästern. So finden wir nicht wenige Erscheinungen in dieser Periode, die die traurige Katastrophe des folgenden Jahrhunderts vorbereiteten: den Abfall, von Martin Luther eingeleitet. Wer das alles betrachtet, wird vieles zu beklagen haben und den Abfall erklärlich finden, aber weder die Notwendigkeit noch die Berechtigung dieses Abfalles zugeben. Er wird sehen, daß es nicht notwendig war, das Kind mit dem Bade auszuschütten.

Er wird sehen, daß die Päpste dieser Periode die Beschimpfungen, die ihnen Vorurteil und Hass angedeihen ließen, nicht verdient haben. Drei von ihnen, Eugen IV., Nikolaus V. und Pius III. waren heiligmäßige Männer; hatten Martin V., Kalixt III., Sixtus IV. und Paul II. auch ihre Fehler, so waren sie doch in sittlicher Beziehung während ihres ganzen Lebens über jeden Vorwurf erhaben. Der einzige, Alexander VI., hat den päpstlichen Stuhl entwürdigt.

Die Päpste waren die eifrigsten Beschützer des Glaubens

Bezüglich des Glaubens bewiesen sich die Päpste als die eifrigsten Beschützer nach innen wie nach außen. Dem fast allgemeinen Sturm gegen den Vorrang des Papstes über das Konzil wichen sie nicht; sie hielten die wahre Lehre aufrecht und verstanden es, mit Ruhe und Mäßigung die Gegner nach und nach zu entwaffnen und die Wahrheit zum Sieg zu führen. In welcher Gefahr die Kirche damals sich befand, ist heute kaum zu ermessen.

Ebenso eifrig waren die Päpste bestrebt, die Ketzerei der Husiten zu überwinden. Durch zeitweiliges Nachgeben in unwesentlichen Dingen teilten sie dieselben und siegten über diese gefährlichen Feinde. Mit welchem Eifer sich die Päpste dieses Jahrhunderts trotz so vieler bisherigen Misserfolge wieder bemühten, die Vereinigung der Griechen trotz deren Feindseligkeit und Unehrlichkeit mit der abendländischen Kirche zustande zu bringen, beweist das Konzil von Ferrara – Florenz (1439). Die daselbst erzielte Wiedervereinigung hatte leider keine Dauer.

Wahrhaft bewunderungswürdig ist der Eifer, mit welchem die Päpste das christliche Abendland gegen den Erbfeind der Christenheit, gegen die Türken, zu schützen suchten. Wahrhaft rührend ist das Streben derselben, die abendländischen Fürsten, die sich gegenseitig befehdeten, zu vereinigen und zum Kampf gegen die mit Feuer und Schwert wütenden Muselmänner zu begeistern. Sie scheuten keine Anstrengungen und brachten die größten Geldopfer, um die christlichen Völker zur Abwehr der Gefahr zu bewegen. Es ist nur den Päpsten zu verdanken, daß Ungarn und der größte Teil Europas nicht eine Beute der Türken geworden.

Aus dem allen ersieht man, daß die Päpste auch dieser Periode ihre Aufgabe nicht aus dem Auge verloren, sondern um die Reform immerhin sich bemühten. Es gibt herrliche Beispiele, die ewig als leuchtende Sterne am Himmel der Kirche glänzen. Tugendhaften Bischöfen, eifrigen Ordensleuten, heiligen Weltleuten begegnen wir auf Schritt und Tritt. Das Schlimme macht gewöhnlich mehr Lärm und fällt in die Augen, während das Gute sich den Blicken entzieht. Es ist in der menschlichen Gesellschaft, auch in der Kirche, wie auf dem Acker: die vollen Ähren neigen sich, so daß man sie nicht wahrnimmt, während die tauben sich erheben. Eine große Anzahl von Heiligen aus diesem Jahrhundert feiern wir auf den Altären. Franz von Paula (1509), Vinzenz Ferrer (1419), Antonin (1459), Lietwina (1433), Coletta (1447), Katharina von Bologna (1463), Katharina von Genua (1510), Außer diesen lebten in diesem Jahrhundert der fromme Thomas von Kempis (1471), Nikolaus von der Flüe und der hl. Laurentius Justiniani, Patriarch von Venedig (1459).

Das alles beweist, daß die „Papstkirche“ nicht so verkommen war, wie unsere Gegner sie lästern, und daß man die Menschen hätte bessern sollen, was immer auf Erden nötig sein wird, und nicht die Religion Jesu Christi und die Menschen verderben, wie Luther es getan. –
aus: Andreas Hamerle C.Ss.R., Geschichte der Päpste, III. Band, 1907, S. 492 – S. 496

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