Heiligenkalender
5. April
Der heilige Vinzenz Ferrer Dominikaner
Fast achthundert Jahre nach dem Tode des hl. Isidor war es wieder ein spanischer Mönch, durch welchen Jesus seine tief entehrte und hart bedrängte Kirche tröstete und verherrlichte. Drei tolle Ketzer: Wiclif in England, Hieronymus und Hus in Böhmen, verursachten ärgerliche Streitigkeiten wider die priesterliche und richterliche Amtsgewalt der heiligen Kirche: drei Päpste, Benedikt XIII., Gregor XII. und Johann XXIII. stritten sich zu gleicher Zeit um den Stuhl Petri und spalteten dadurch die katholische Christenheit in drei Parteien. Die Pforten der Hölle hielten sich schon des Sieges gewiß über die Kirche – auf dem Felsen gebaut.
In dieser größten Not sandte Gott seiner Kirche einen Bettelmönch zu Hilfe. Vinzenz Ferrer, „der Engel des Gerichts“, stieß in die Posaune, weckte die Schafenden, ermutigte die Feigen, erschütterte die Treulosen, begeisterte die Gläubigen, demütigte die Unverbesserlichen. Dieser Gottesmann wurde 1357 zu Valencia aus einer an Geld und Tugend reichen Familie geboren. Der scharfe Verstand, die glänzende Phantasie, das innig fromme Herz verklärten den schlank gewachsenen Jüngling mit den anmutigen Gesichtszügen zu einer seltenen Schönheit, dem der Weg zu allen Ehren und Freuden der Welt offen stand; allein er wählte für sich 1374 eine enge Zelle im Orden des hl. Dominikus und weihte sich ganz dem Dienst Gottes. Dieses Selbstopfer heiligte er durch tägliche Abtötungen, freudigen Gehorsam, demütige Bescheidenheit und eifriges Studieren, welches Gott ihm durch wunderbare Fortschritte segnete.
Nachdem er die heiligen Weihen empfangen hatte, verwendeten ihn die Obern für die Schule. Er lehrte zu Barcelona die Philosophie mit großem Beifall und zu Lerida die Theologie mit solcher Auszeichnung, daß ihn der päpstliche Legat Petrus de Luna mit der Doktorwürde ehrte. Er erklärte dann in der Vaterstadt die heilige Schrift und begann das Predigtamt mit außerordentlichem Erfolg. Seine Predigten hatten eine ganz eigentümliche, belebende Kraft: warm aus seinem Herzen strömend, brachten sie Wärme in die Herzen der Zuhörer; sie waren nicht das Werk mühsamen Fleißes und zierlicher Kunst, sondern der Erguss seiner schönen, vom heiligen Geist erfüllten Seele.
In dieser Zeit kam eine schmerzliche Prüfung über ihn, aus der aber seine Ehre in erhöhtem Glanz hervorging. Seine körperliche Schönheit war für eine junge Frau die Veranlassung, daß in ihrem sinnlichen Herzen eine Flamme aufloderte, die nicht vom Himmel stammte. Sie stellte sich schwer krank, ließ den P. Vinzenz als geistlichen Beistand zu sich bitten und entdeckte ihm ihre Gefühle; er aber floh eiligst davon. Wutentbrannt schrie die Enttäuschte dem Fliehenden die häßlichsten Verleumdungen nach. Vinzenz trug schweigend die Dornenkrone der Schmach und schaute ruhig zum Allwissenden auf, der auch die Rechtfertigung seiner Unschuld übernahm. Denn die Frau wurde vom Teufel besessen, schrecklich gequält und erst wieder befreit, als sie ihr Verbrechen bekannte und öffentlich Widerruf leistete.
Um das Jahr 1391 wurde der erwähnte Petrus de Luna von den Kardinälen zu Avignon als Papst Benedikt XIII. gegenüber dem rechtmäßigen Papst Gregor XII. gewählt. Er wußte sich in Frankreich und Spanien großen Anhang zu gewinnen, und Vinzenz musste sein Beichtvater werden. Dieser drängte ihn ohne Scheu und Furcht, die unrechtmäßig überkommene Würde abzulegen und durch dieses Opfer der unseligen Kirchenspaltung ein Ende zu machen; aber seine glühenden Worte vermochten nicht den Ehrgeiz und die Herrschsucht desselben zu erschüttern. Deshalb begehrte er seine Entlassung. Benedikt wollte ihn zum Bischof, zum Kardinal machen; er aber bat um die Ernennung zum Missionar und ging. Denn in einer schweren Krankheit war ihm Jesus mit dem hl. Franz von Assisi und dem hl. Dominikus erschienen und hatte ihm befohlen, als Bußprediger gegen das überwuchernde Sittenverderbnis aufzutreten.
Vinzenz – mit dem hl. Kreuz in der Hand und mit der flammenden Gottesliebe im Herzen – durchwanderte dreiundzwanzig Jahre lang Spanien, Italien, Frankreich, einen großen Teil von Deutschland und der Schweiz und die vorzüglichsten Städte der drei britischen Inseln. Auf der Kanzel erschien er nicht wie ein Mensch, sondern wie ein Engel: seine Sprache war hinreißend, seine Stimme ertönte bald gewaltig wie die rollenden Donner des Himmels, bald sanft und milde, wie die zärtlichen Bitten einer Mutter; oft nötigte ihn das laute Weinen der Zuhörer, inne zu halten; die Völker schlugen an ihre Brust, schrieen zu Gott um Barmherzigkeit und bekehrten sich. Wo er hinkam, wollten in Alle hören, und Scharen von zehn- bis fünfzehntausend Menschen begleiteten ihn an andere Orte hin, um ihn wieder zu hören. So geschah es, daß oft bei achtzigtausend Personen seine Kanzel im Freien umstanden und zugleich Zeugen des Wunders waren, daß die entferntesten Zuhörer ihn eben so deutlich verstanden, wie die nächsten und zwar in ihrer eigenen Muttersprache, obschon er nur spanisch predigte. Den Erfolg seiner Tätigkeit beleuchtet die Tatsache, daß achttausend Mohammedaner und dreißigtausend Juden die hl. Taufe empfingen, 200000 Ketzer ihre Irrtümer abschworen, über 100000 öffentliche Sünder Buße taten, viele Millionen Gläubige sich aus der tödlichen Umarmung der Lauigkeit losrissen und eine Menge Kirchen, Klöster und Spitäler entstanden.
Um diese ungeheure Arbeit zu bewältigen, hatte Vinzenz stets bei sich: Priester zum Beichthören, Sänger für den Gottesdienst, Notare zum Ausgleich der Prozesse und Streitigkeiten, Männer zur Aufrechterhaltung der Ordnung. Er selbst sang täglich in der Frühe ein Amt, predigte dreimal, ohne daß je seine Stimme ermüdete, aß nur einmal, erteilte Rat, Trost, Hilfe bis spät abends und geißelte sich selbst in der Nacht blutig. Er nahm nie Geschenke an, welche Fürsten und Städte ihm aufdrängen wollten. Über achthundert Wunder, welche er an Kranken, Presshaften, Toten gewirkt hatte; wurden gerichtlich untersucht und beglaubigt; jedoch das schönste Wunder war er selbst in seiner Demut, Freundlichkeit und Geistesruhe. Aus den großen Städten, in die er kam, zogen ihm Bischöfe und Fürsten, Adel und Volk mit Kreuz und Fahnen entgegen und das glänzende Gepränge dieser festlichen Züge bildete einen denkwürdigen Rahmen um Vinzenz herum, welcher im schlichten Ordensgewand, ohne Schuhe an den Füßen, ohne Bedeckung des Hauptes, mit gesenktem Blick, in ihrer Mitte dahin ging. Seine Weisheit und sein Rat war gesucht und geschätzt nicht nur in geistlichen Dingen, sondern auch in den wichtigsten Angelegenheiten des Staates.
Durch die unsäglichen Anstrengungen wurde seine Lebenskraft allzu früh aufgezehrt. Aus liebevoller Besorgnis drängte man ihn, daß er nach Spanien zurückkehre und in der milden Luft der Heimat sich erholen möge; aber Gott wollte seinem treuen Arbeiter in dem Land – Frankreich -, in welchem er so aufopfernd seine Ehre verherrlicht hatte, die Krone der ewigen Glorie auf`s Haupt setzen. Zu Vannes warf ihn ein Fieber auf`s Sterbebett, so schmerzhaft, daß die Ärzte staunten, wie ein Mensch solches Leiden aushalten könne; aber kein Wölklein der Empfindlichkeit trübte sein heiteres Angesicht, nicht die leiseste Klage stahl sich von seinen Lippen. Den süßen Namen Jesus im Mund starb er am 5. April 1419. Papst Kalixt III. sprach ihn 1455 heilig. –
aus: Otto Bitschnau OSB, Das Leben der Heiligen Gottes, 1881, S. 254-255