Das Pontifikat von Alexander VI. (1492-1503)

Der Papst trägt das Kreuz Christi, von Christus glorreich empfangen; es zeigt das Leiden der Päpste und zugleich der Kirche

Das Kreuz und der Halbmond

Papst Alexander VI. (regierte von 1492-1503)

Es lebte damals in Spanien eine sehr alte und hoch angesehene Familie mit Namen Borgia. Diese hat den Ruhm und die Auszeichnung, der heiligen Kirche während der Türkenkriege den Papst Callixtus III. und einen berühmten Heiligen, den heiligen Franz von Borgia, gegeben zu haben. Nun bestieg wiederum ein Glied dieser Familie den päpstlichen Thron.

Er wurde als jüngstes Kind am 1. Januar des Jahres 1431 zu Xativa bei Valencia in Katalonien geboren. Seine Mutter war die Schwester des Papstes Callixtus III. Bald verriet das Kind seltene Geistesgaben; daher wählte sein Vater die ausgezeichnetsten Lehrer aus, die es in allen Wissenschaften der damaligen zeit unterrichten mussten. Im achtzehnten Lebensjahr hatte der junge Roderigo Borgia das Studium des weltlichen Rechtes vollendet und widmete sich dem Beruf eines Advokaten. Doch paßte diese Laufbahn wenig für seinen unruhigen Geist. Er verließ daher dieses Amt und wurde Soldat. Man erwartete allgemein, er werde jetzt seine glänzenden Talente entfalten. Da bestieg der Bruder seiner Mutter unter dem Namen Callixtus III. den päpstlichen Stuhl. Dieser erkannte die großen Geistesgaben seines Neffen und verlangte, denselben in seiner Nähe zu haben. Auf solche Weise wurde Borgia veranlaßt, noch einmal seinen Beruf zu ändern. Im Jahre 1455 erhielt er den Bischofssitz in seiner Vaterstadt Valencia; im Jahre 1456 wurde er zum Kardinaldiakon und später zum Kardinalbischof ernannt und erhielt die wichtigsten Ämter.

Ungern verließ Borgia sein Vaterland Spanien und ging aus Gehorsam gegen seinen Oheim Callixtus II. nach Rom. Auch nach dem Tode desselben entzogen die Päpste dem Kardinal Borgia ihre Gunst nicht. Papst Sixtus IV. schickte ihn als Gesandten wieder nach Spanien. Eben dieser Papst wollte eine Verbindung aller christlichen Fürsten gegen die Türken ins Leben rufen; deswegen wählte er die fähigsten und hervorragendsten aus der Mitte der Kardinäle aus, um sie an die verschiedenen fürstlichen Höfe von Europa zu schicken. 35 Jahre lang war Roderigo Borgia Gesandter in verschiedenen Ländern und Städten; er war geschäftsgewandt, beredt und besaß die Eigenschaften zu einem glänzenden Regenten…
Auf die Tüchtigkeit in den Geschäften und auf diese mehr weltliche Klugheit haben die Kardinäle gesehen, als sie nach dem Ableben des Papstes Innozenz VIII. am 11. August des Jahres 1492 Roderigo Borgia auf den Heiligen Stuhl erhoben. –
aus: Chrysostomus Stangl, kath. Weltpriester, Die Statthalter Jesu Christi auf Erden, 1907, S. 602 – S. 603

Die Unwürdigkeit dieses Papstes

Wohl unter allen Päpsten ist Alexander VI. derjenige, der das traurigste Andenken in der Geschichte hinterlassen, der den päpstlichen Stuhl am meisten entwürdigt, den Feinden der Kirche am meisten Stoff zur Schmähung des Papsttums gegeben hat. Gehören auch sehr viele gegen ihn erhobene Vorwürfe in das Gebiet der Verleumdung, so ist des Schlimmen genug geschichtlich festgestellt und das erklärt, warum auch noch Ärgeres Glauben finden konnte. Der Katholik wird in seinem Glauben nicht erschüttert, er weiß, daß die Päpste selbst Menschen sind und auch auf dem Thron die Freiheit mißbrauchen können, daß gerade in dem Bestand des Papsttums trotz der Armseligkeit des Trägers ein Beweis liegt, daß Gott das Papsttum erhält. Wäre es Menschenwerk, so hätte es zugrunde gehen müssen. Bedenkt man, daß die Kirche ein Wahlreich ist, daß bei jeder Papstwahl die Interessen und Leidenschaften einer Welt sich begegnen, daß alle weltlichen Wahlreiche verfallen sind, so muss auch jeder, der die Sache vorurteilslos betrachtet, sagen: Das Fortbestehen der Kirche ist ein Beweis ihres göttlichen Ursprungs. In der Nacht vom 10. auf den 11. August wurde Rodrigo mit knapper Zweidrittel-Majorität gewählt und nahm den Namen Alexander VI. an. Die Art seiner Wahl veranlaßte einen Nestor der römischen Kirche zum Ausruf: „O Herr Jesus Christus, unserer Sünden wegen ist es geschehen, daß dein Statthalter auf Erden in so unwürdiger Weise gewählt wurde!“ Es fand ein Stimmenkauf statt…

Mit dem weltlichen Kleid legte er leider nicht die weltlichen Sitten ab. Als Kardinal führte er ein anstößiges Leben, so daß ihm Pius II. ernste Verweise gab. Seine sittlichen Verirrungen und sein Nepotismus bilden die häßlichen Flecken in seinem Leben und entehren sein Andenken.

Als Regent war er tüchtig. Er hatte mehrere Kinder. Das machte allerdings damals nicht das Aufsehen wie heute, da in den vornehmen Kreisen infolge des Einflusses der heidnischen Klassiker heidnische Anschauungen herrschten. Mit den sittlichen Verirrungen ging Hand in Hand ein unwürdiger Nepotismus. –

Er suchte seine Kinder auf Kosten der Kirche zu bereichern und war bemüht, sie in Familien-Verbindungen mit Fürstenhäusern zu bringen. Unter diesen war seine Tochter Lukrezia, die zuerst einen lockeren Lebenswandel führte, dann aber als Fürstin von Ferrara von 1405 an tugendhaft lebte und allgemeine Achtung genoß. Der Schlimmste war Alexanders Sohn Cesare Borgia, ein grausamer und sittenloser Tyrann, dem kein Recht heilig war. Dieses Ungeheuer wurde vom verblendeten Vater zum Kardinal ernannt; er legte jedoch später das Kardinalat zurück und wurde mit einem weltlichen Fürstentum auf Kosten des Kirchenstaates versorgt. Er übte einen unheilvollen Einfluss auf Alexander aus. Es scheint, als ob die Vorsehung durch diese Ärgernisse uns die Wichtigkeit und den Segen des Zölibates vor Augen führen wollte. Was wäre aus dem Kirchengut und der Kirche selbst geworden, wenn sie beweibte Priester, Bischöfe und Päpste gehabt hätte!

Savonarola

Einen Anlauf zu einer würdigen Amtsführung nahm der Papst, als ein Sohn, Johann, der Herzog von Gandia, nächtlicher Weise meuchlings (1597) erstochen wurde. Eine große Verlegenheit bereitete ihm ein Dominikaner, Hieronymus Savonarola. Dieser sittlich reine und eifrige Mann hatte durch seine feurigen Predigten einen ganzen Umschwung in der lockeren Stadt Florenz hervor gebracht. Voll Schmerz über die Unordnung in der Kirche griff er rücksichtslos selbst die kirchlichen Würdenträger und den Papst an und erhob die heftigsten Vorwürfe gegen ihr unwürdiges Betragen. Als die Angriffe immer ärger wurden und Savonarola auch sich auf das Gebiet der Politik begab, forderte Alexander ihn auf, die Predigten einzustellen und sich zu verantworten. Er tat weder das eine noch das andere und kümmerte sich auch nicht um die über ihn verhängte Exkommunikation, indem er verschiedene Prophezeiungen vortrug. Als er von einem Franziskaner aufgefordert, sich mit ihm zur Erhärtung seiner Sendung auf eine Feuerprobe einzulassen, derselben auswich und zugleich seine Prophezeiungen sich nicht erfüllten, wurde er von seinen Anhängern fallen gelassen. Es wurde ihm von der Regierung der Prozess gemacht und er mit zwei Ordensbrüdern verbrannt. Daß er nicht von Gott berufen war, zeigte seine Auflehnung gegen die von Gott gesetzte Autorität. Der demütige Gehorsam gegen dieselbe ist die Probe göttlicher Sendung. Daß Savonarola nicht vom Geist der göttlichen Inspiration geleitet war, bewies er auch dadurch, daß er den König Karl VII. von Frankreich, einen sittenlosen Fürsten, als Werkzeug der Reform vorher verkündete.

Seine guten Eigenschaften

So beklagenswert das Leben dieses Papstes war, so hat er doch an der Spitze der Christenheit viele gute Eigenschaften an den Tag gelegt und manch heilsame Einrichtung getroffen. Nie hat er etwas dem Glauben Zuwiderlaufendes gelehrt, er war im Gegenteil für die Reinheit desselben ernstlich besorgt. So gab er das sogenannte Zensuredikt (1501) heraus. Da eben die Buchdruckerkunst eine rasche Ausbreitung gefunden und daher große Gefahren der Verführung vorhanden waren, befahl er in diesem Edikt den Bischöfen, die für den Druck bestimmten Werke auf ihren Inhalt zu prüfen. Für die kirchliche Freiheit gegen die Übergriffe der weltlichen Regierungen trat er entschieden auf. Zur Belebung des christlichen Sinnes schrieb er für das Jahr 1500 das Jubiläum aus und beteiligte sich selbst an demselben. Wie großartig der Zuzug der Pilger aus allen Ländern trotz der traurigen kriegerischen Zeiten und des Auftretens der Pest war, erhellt daraus, daß nach einem gleichzeitigen Bericht in Rom von Weihnachten 1499 bis 24. Juni 1500 30800 Fremde gestorben sein sollen. Leider war das, was die Pilger in Rom sahen und hörten und in ihrer Heimat verbreiteten, nur zu sehr geeignet, das Ansehen des Papsttums zu untergraben.

Gleich seinen Vorgängern beschäftigte sich auch Alexander mit der Türkenfrage und brachte große Opfer, die Teilnahmslosigkeit der Fürsten jedoch ließ es zu keinem namhaften Erfolg kommen. Unter Alexander trat das große Weltereignis, die Entdeckung Amerikas, ein. Kolumbus kam im März 1493 nach Spanien zurück und auf Sturmwinds-Flügeln verbreitete sich die Nachricht durch die Welt. Um den Streit zwischen Portugal und Spanien zu schlichten in Bezug auf die gemachten sowie auf die noch zu machenden Entdeckungen bestimmte Alexander als angerufener Schiedsrichter eine Linie vom Nordpol bis zum Südpol durch den Atlantischen Ozean und entschied, daß die westlich gelegenen Länder den Spaniern und die östlich von dieser Linie gelegenen den Portugiesen gehören sollten. Durch diese Entscheidung hatte Alexander einen drohenden Krieg verhindert. Sehr ließ sich der Papst die Christianisierung der entdeckten Länger angelegen sein und war bemüht, für Priester zu sorgen, die den Bewohnern der neuen Weltteile das Evangelium verkünden sollten.

Bezüglich seiner Untertanen war Alexander ein wohlwollender, sorgsamer Regent. Allen zugänglich, schützte er den gemeinen Mann gegen seine Bedrücker und verstand es, die Feudalherren wie die unabhängigen Adelsfamilien, die so oft den Päpsten feindselig gegenüber standen, zu bändigen.

Zugleich war Alexander ein Freund der Künste, namentlich betätigte er eine große Baulust. Dem berühmten Pinturicchio gab er Gelegenheit, durch seine Gemälde in der Ausschmückung des Vatikans sich einen unsterblichen Namen zu machen. Zu den Restaurations-Arbeiten, die Alexander vornehmen ließ, gehört auch die Kirche Maria Maggiore, zu deren Ausschmückung das erste aus Amerika gekommene Gold, wie die Tradition berichtet, verwendet wurde.

Wäre Alexander ein weltlicher Regent gewesen, zweifellos würde die Welt ihm Anerkennung zollen und über seine sittlichen Ausschreitungen ohne Lärm hinweg gehen. Da die Gegner der Katholiken an diesem unseligen Papst das mit aller Entrüstung verdammen, was sie bei andern Herrschern ohne Tadel, oft als selbstverständlich hingehen lassen, so handeln sie unbillig; denn sie gebrauchen zweierlei Maß. Der Katholik hat recht, sich tadelnd zu erheben, ihn berührt es schmerzlich, daß ein Träger des heiligen Amtes ein so unwürdiger Vertreter desselben war. Er sieht aber darin das Walten der Vorsehung, die in diesem Beispiel zeigt, daß die Menschen die Kirche wohl schädigen, aber nicht zerstören können. Übrigens sehen wir, wie ein naher Verwandter dieses Papstes – der hl. Franz Borgias, das Ärgernis gut gemacht hat – die Habsucht, indem er auf alles Verzicht geleistet und wahrhaft arm geworden ist, den Ehrgeiz, dadurch daß er seine Würden nieder gelegt und jede Auszeichnung ausschlug, die Sinnlichkeit, indem er einLeben der strengsten Buße führte und den kostbaren Tod eines Heiligen starb. –
aus: P. Andreas Hamerle C.Ss.R., Geschichte der Päpste III. Band, 1907, S. 519 – S. 523

Das Ende des Papstes Alexander VI.

Am 11. August des Jahres 1503, am Jahrestag seiner Wahl, erkrankte Alexander an einem bösartigen Fieber. Am siebten Tag seiner Krankheit empfing er die heiligen Sterbesakramente, wohnte mit Andacht einer heiligen Messe bei, die ein Bischof in seinem Krankenzimmer las, und verschied hierauf in einem Alter von 71 Jahren am 18. August. So wirkte, lebte und starb Papst Alexander, den die Schriften ungläubiger Gelehrter zu einem wahren Ungeheuer machen, dem sie Mordtaten und andere Laster nachsagen.

Selten war die Kirche in einer so bedrängten Lage wie beim Tod des Papstes Alexander. Die Kriegsheere der Franzosen und Spanier standen vor Rom; in der Stadt selbst herrschte Unruhe und Uneinigkeit. –
aus: Chrysostomus Stangl, kath. Weltpriester, Die Statthalter Jesu Christi auf Erden, 1907, S. 605 – S. 606

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