Der heilige Papst Leo der Große

Der Papst trägt das Kreuz Christi, von Christus glorreich empfangen; es zeigt das Leiden der Päpste und zugleich der Kirche

 

Der heilige Papst Leo der Große Kirchenlehrer (regierte 440 bis 461)

Groß und allgemein war die Freude und der Jubel in der ganzen katholischen Kirche, als im August 440 Leo, der römische Erzdiakon – aus Toscana gebürtig – zum Papst und Nachfolger Sixtus III. erwählt wurde. Denn die Größe seines Geistes, die Tiefe seiner Wissenschaft, der Glanz seiner Beredsamkeit, die Frömmigkeit seines Herzens, der Adel seines Charakters berechtigten zu den tröstlichsten Hoffnungen in dieser so stürmischen Zeit. Seine Wahl wurde begrüßt als eine neue Bestätigung der alten Wahrheit: „Da, wo die Not am größten, ist Gottes Hilfe am nächsten.“ Leo`s Scharfblick überschaute klar die Schwierigkeit dieses Amtes, und seine Demut zitterte vor der Erhabenheit dieser Würde. Ergreifend sind seine Worte, die er bei der Besteigung des apostolischen Stuhles an die Geistlichkeit und das Volk richtete:

„Herr, ich habe deinen Ruf gehört und zittere: ich kenne die Bürde, die Du mir auferlegt hast, und Angst durchbebt meine Gebeine; denn welch` ein Abstand liegt zwischen dieser Erhöhung und meiner Nichtigkeit! Was gibt es Furchtbareres als eine so hohe Würde ohne Verdienst, als die Verwaltung des heiligsten Amtes, wenn man ein Sünder ist? O barmherziger Gott! Du hast mir diese Last auferlegt, hilf sie mir auch tragen, sei mein Führer und meine Stütze und verleihe mir die notwendige Kraft!“

Kampf gegen die Irrlehren

Mit lebendigem Gottvertrauen und fester Hand ergriff Leo das Steuerruder des Schiffleins Petri und führte es mit wunderbarer Umsicht durch die tobenden Stürme und Wellen, welche es von allen Seiten umbrausten. Die Völkerwanderungen und die sie begleitenden Kriege hatten vielfach die kirchliche Ordnung zerstört, die Geistlichkeit entsittlicht, die Nationen verwildert. In dieser trüben Zeitlage war der Teufel sehr tätig, sein Unkraut zu säen, und allenthalben wucherte die Ketzerei und Irrlehre. In Afrika lehrte der Bischof Donatus, daß ein Sünder, d.h. ein Priester im Zustand der Todsünde, kein Sakrament gültig spenden könne. In Konstantinopel lehrte der Patriarch Nestorius, daß in Jesus Christus zwei Personen, eine göttliche und eine menschliche sei, und daß Maria nicht Gottes-, sondern nur Christus-Gebärerin sei. In Asien lehrte der Abt Eutyches, daß in Jesus Christus nur Eine Natur sei. In Italien – zu Rom selbst – trieben die Manichäer, welche die Grundfesten der christlichen Familie mit pharisäischer Bosheit untergruben, ihr höllisches Unwesen. In Spanien verübten die Priscillianisten abscheuliche Ausschweifungen, indem sie, wie die Manichäer in Rom, heidnischen Aberglauben mit christlichen Glaubenswahrheiten vermischten, die Ehe für eine Sünde erklärten, die Auferstehung des Fleisches leugneten, die lüge und den Meineid erlaubten.

Furchtbar wüteten diese Ketzereien wie Wölfe unter der Herde Jesu Christi. Da war Leo, dem die dankbare Mit- und Nachwelt den wohlverdienten Namen „der Große“ gegeben hat, der rechte Mann, den Schafstall zu säubern und zu sichern. Mit Heldenkraft handhabte er das siegreiche Schwert des Glaubens und der Wissenschaft wider diese Feinde des Heils. Die zahlreichen Briefe, in denen er die rechtgläubigen Bischöfe zur Wachsamkeit aufmunterte, die vielen Synoden, die er an verschiedenen Orten versammelte, und die feurigen Predigten, in denen er selbst den heiligen Glauben verkündete, sind unsterbliche Zeugnisse seiner Vatersorge um die Wohlfahrt der heiligen Kirche.

Sein Brief an Theodosius II.

Mit der Unerschrockenheit eines Johannes des Täufers verwies er dem oströmischen Kaiser Theodosius II. sein Unrecht, daß er in blinder Gunst für seine liederliche Gemahlin Eudoxia und für den kirchenfeindlichen Minister Chrysaphius die grausame Verfolgung des Patriarchen Flavian duldete und die Räubersynode von Ephesus 449 unterstützte: er schrieb ihm:

„Christlicher Kaiser! Damit ich vor dem Richterstuhle Gottes nicht meines Schweigens wegen gestraft werde, bitte ich dich vor der hochheiligsten Dreifaltigkeit und vor allen Engeln: belaste dich nicht mit fremden Sünden, sondern widerstehe dem Irrtum, damit dich nicht der Zorn Desjenigen treffe, dessen Religion verfolgt wird. Lasse den Bischöfen die Freiheit, den Glauben zu verteidigen; er wird bestehen trotz der drohenden Menschengewalt. An dir ist`s, die Kirche Gottes zu beschirmen und jene zu bändigen, welche ihren Frieden stören, damit Jesus Christus auch dein Reich beschütze. Ich fürchte, es noch erleben zu müssen, daß Gottes Rache sich über deinem Haupt entlade.“

Und wirklich starb der Kaiser darauf eines plötzlichen Todes. Die Nachfolger des Theodosius, nämlich seine heilige Schwester Pulcheria und ihr Gemahl Marcian, treue Kinder der Kirche und des Papstes, reichten dem hl. Leo ihre kräftige Hand, daß er ungehindert ein allgemeines Konzil nach Chalcedon 451 zusammen berufen und vereint mit 630 Bischöfen die zerrissene Einheit der morgenländischen Kirche wieder herstellen konnte.

Attila und seine Hunnen stehen vor dem dem heiligen Papst, der in päpstlicher Kleidung und majestätisch zu sehen ist; Attila in wilder Tracht zeigt Ehrerbietung vor dem Papst, während seine Soldaten auf einen Engel schauen, der sein Flammenschwert über sie hält

Der heilige Papst Leo im Umgang mit Attila

Noch war sein wachsames Auge und sein bekümmerte

s Herz hingerichtet auf die gefährdeten Schafe und Lämmer des Ostens, als schon wieder von Norden her ein neues, furchtbares Ungewitter drohte. Attila, König der Hunnen, den die Geschichte wegen seiner erbarmungslosen Grausamkeit „die Geißel Gottes“ nennt, marschierte mit einem gewaltigen Heer von Oberitalien her auf Rom los. Verwundet in seinem Ehrgeiz durch die erste Niederlage, die er bei Chalons in Frankreich erlitten, vernichtete er alles soweit sein Schwert reichte. Die Ruinen zerstörter Dörfer und Städte, die Gräuel verwüsteter Kirchen, die Haufen verstümmelter Leichen bezeichneten den Weg, den dieses herzlose Ungeheuer gegangen.

Der Kaiser Valentinian III. und sein großer Feldherr Aëtius verkrochen sich feige hinter die festen mauern von Ravenna, die Römer zitterten vor Furcht und Angst; nur Leo bewahrte seinen festen Mannesmut im Vertrauen auf den Allmächtigen. Mit väterlicher Innigkeit tröstete er das jammernde Volk, ermunterte es zum Gebet und zur Buße und empfahl es dem Schutz Mariä. Entschlossen und bereit, sein Leben hinzugeben für seine Herde, zog er an der Spitze einer Gesandtschaft dem Hunnenkönig bis in die Nähe von Mantua, wo der Mincio in den Po fließt, entgegen. In offenem Zelt, von aller seiner Pracht umgeben, erwartete Attila den angekündigten. Leo im hohenpriesterlichen Ornat und in der Majestät des Statthalters Jesu Christi trat vor ihn und sprach:

„Der Senat und das Volk von Rom, einst das weltbeherrschende, jetzt das besiegte, bittet dich, o König, um Gnade und Schonung. Nichts ist auf deinen siegreichen Zügen für dich so ruhmvoll, als daß jenes Volk bittend zu deinen Füßen liegt, vor dem früher alle Völker und Könige sich beugten. Du hast den ganzen Erdkreis unterjocht, den die Römer einst besiegt hatten; jetzt aber bitten wir dich: überwinde dich selbst, der du alles Andere überwunden. Du kannst durch nichts dem unsterblichen Gott ähnlicher werden, als wenn du die Besiegten verschonst. Die Bösen haben deine Geißel gefühlt, laß nun die Flehenden auch deine Güte erfahren, weil sie sich als Besiegte bekennen und unterwerfen.“

Attila, sonst eben so stolz als trotzig und wild, beugte sich vor der Majestät des Papstes und erwiderte: „Wer du auch seiest, Mensch oder Engel, Rom und Italien verdanken dir ihre Rettung. Du hast in einem Augenblick mit wenigen Worten zustande gebracht, was der Kaiser mit all` seinen Kriegsheeren niemals vermocht hätte. Danke Gott, dem du dienst: Attila erkennt dir und Ihm den Sieg zu.“ Als die Offiziere und Soldaten über den Verlust der gehofften Beute zürnten und staunend den König fragten, warum er gegen alle Gewohnheit diesem wehrlosen Priester nachgegeben habe, erklärte er: „Nicht seiner Person, sondern der überirdischen Gestalt, die ich über seinem Haupt schweben und mit gezücktem Schwert mit den Tod drohen sah, bin ich gewichen.“ Sogleich führte er sein Heer nach Ungarn zurück und starb 453 in dem Augenblick, da er mit der schönen Ildico, einem deutschen Mädchen, die Hochzeit feiern wollte. Leo wurde in Rom mit unbeschreiblichem Jubel empfangen und als „Vater des Vaterlandes“ begrüßt. Er verordnete ein jährliches Dankfest für diese wunderbare Rettung; aber die Römer scheinen sich dieser Wohltat unwürdig erzeigt zu haben; denn Leo sah sich bald genötigt, ihnen in seiner Predigt an diesem Dankfest ihren Undank vorzuhalten, daß sie so schnell vergessen hätten, was Gott an ihnen getan.

Der heilige Papst Leo im Umgang mit den Vandalen

Drei Jahre später kam ein ähnliches Unglück über Italien und diesmal auch über Rom. Genserich, König der Vandalen, den die Kaiserin Eudoxia gegen ihre Feinde zu Hilfe gerufen hatte, kam mit seinem Heer aus Afrika nach Italien. Die Vandalen waren Arianer und haßten die Katholiken noch grimmiger als selbst die heidnischen Hunnen. Genserich, von Natur sehr grausam und blutgierig, hauste so fürchterlich, daß man bis auf den heutigen Tag eine recht unmenschliche Verwüstung eine „vandalische“ nennt. Die Römer zitterten in banger Angst vor der nahenden Gefahr. Leo ging wieder ins feindliche Lager, um Schonung zu bitten; aber er vermochte nicht, die Strafrute Gottes gänzlich einzuhalten. Dennoch erlangte er das Wichtigste, nämlich, daß die Einwohner nicht getötet, die Stadt nicht verbrannt, die drei Hauptkirchen vollständig geschont wurden. Genserich hielt das Versprochene, plünderte aber die Stadt vierzehn Tage lang, schleppte unersetzliche Schätze fort, darunter die goldenen Gefäße, die aus dem Tempel in Jerusalem herstammten, und führte viele Bürger in die Gefangenschaft nach Afrika.

Groß war das Elend, welches die Vandalen in Rom zurückließen; aber noch größer war die Liebe, mit welcher Leo die Not milderte, die Wunden heilte und die Tränen trocknete. Alles, was er besaß und aus entfernten Ländern erbetteln konnte, verteilte er unter die Verarmten, überall helfend und tröstend mit herzlicher Teilnahme und väterlichem Wohlwollen, bis er einging in die ewige Ruhe am 10. November 461. Papst Sergius I. übertrug am 11. April 697 seinen heiligen Leib in die St. Peterskirche und Benedikt XIV. zählte ihn 1744 wegen der herrlichen Reden und Briefe, die er hinterlassen, den „Kirchenlehrern“ bei. –
aus: Otto Bitschnau OSB, Das Leben der Heiligen Gottes, 1881, S. 269 – S. 271

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