Die Missionare auf dem Heiligen Stuhl
Der heilige Papst Sergius I. (regierte von 687-701)
Im Jahre 692 wurde in Konstantinopel eine Synode abgehalten, welche von dem kuppelähnlichen Saal, in welchem die Versammlungen stattgefunden, die zweite trullanische heißt (Trullus-Kuppel). Diese Synode wurde vom Papst weder einberufen noch durch Legaten beschickt. Längst fühlten sich die Griechen in ihrer Eitelkeit gekränkt, daß ihre Kirche einem durch Spaltungen und Ketzereien verwüsteten Garten glich, während die abendländische Kirche unter dem Einfluß der Päpste sich wie ein herrlicher Baum immer mehr entfaltete und immer weiter seine Äste ausbreitete. Noch bitterer fühlten sie es, daß in der langen Reihe der dogmatischen Fragen immer die römischen Päpste den entscheidenden Ausschlag gegeben hatten, während so häufig gerade die Patriarchen von Konstantinopel wegen Irrlehre durch die allgemeinen Konzilien verurteilt und abgesetzt worden waren, sie aber keinem einzigen Papst eine Irrlehre mit Grund vorwerfen konnten. Dann kam noch das alte ehrgeizige Streben der Bischöfe von Konstantinopel, welche seit der Zeit, als diese Stadt die Hauptstadt des oströmischen Reiches geworden, immer größeren Einfluß zu gewinnen und ihre Macht auszudehnen strebten.
Da die in Konstantinopel versammelten Bischöfe der abendländischen Kirche keinen Vorwurf bezüglich der Glaubenslehre machen konnten, nahmen sie sich heraus, mehrere kirchliche Gebräuche zu tadeln, namentlich das im Abendland herrschende strenge Zölibatsgesetz anzugreifen. Noch fühlten die Griechen das Gewicht der Wahrheit, welches nicht bloß die griechischen heiligen Väter, sondern auch die Schriftsteller Eusebius und Sozomenus ausgesprochen haben: Es ist alte Regel der Kirche, daß man ohne Ansehen des Bischofs von Rom keine Synode halten und kein kirchliches Gesetz aufstellen kann. Kaiser Justinian II. (&85-695) verlangte daher, der Papst solle die trullanische Synode bestätigen und die überschickten Akten unterfertigen. Sergius verweigerte die Unterschrift, ja er nahm die Akten gar nicht an. Er sprach ihnen alle Geltung ab und beteuerte, er wolle lieber sterben, als den irrigen Neuerungen beistimmen, darob erbittert, schickte einen Offizier seiner Leibwache, Zacharias, einen rohen Menschen, nach Rom, um den Papst zu ergreifen und ihn nach Konstantinopel zu schleppen.
Es waren aber nicht mehr die Zeiten des Papstes Martin I. Italien und das Abendland waren von einem ganz anderen Geist beseelt. Die Soldaten aus Ravenna und der Umgebung Roms eilten herbei und widersetzten sich einem Angriff auf den Papst. Erschrocken und in Todesfurcht nahm Zacharias seine Zuflucht zum Papst, flüchtete in das Gemach desselben und flehte unter Tränen, der Papst möge sich seiner erbarmen und ihm kein Leid geschehen lassen. Als die Soldaten aus Ravenna in Rom angekommen, eilten sie zum Lateran und verlangten, den Papst zu sehen; denn es hatte sich das Gerücht verbreitet, er sei zur Nachtzeit festgenommen und auf ein Schiff gebracht worden. Als sie die Tore verschlossen fanden, drohten sie dieselben mit Gewalt zu öffnen. Zacharias hielt sich für verloren und verkroch sich unter das Bett des Papstes. Sergius tröstete ihn und versicherte, es solle ihm nichts geschehen. Dann ging der Papst hinaus und besänftigte die Soldaten und Volksscharen, welche massenhaft herbei gekommen waren. Dieselben bewachten den Palast, bis sie den kaiserlichen Offizier unter Schimpfreden und Fluchen aus Rom hinaus geleitet hatten. Kaiser Justinian, der weder sich noch das Reich regieren konnte, aber die Regierung der Kirche Gottes sich anmaßte, wurde wegen seiner Ausschweifungen und Grausamkeit in einem Aufstand entthront und mit abgeschnittener Nase nach dem Chersones verbannt.
Sergius hatte fortan Ruhe. Dieser hatte auch die Freude, daß der kriegerische König Cealwalda von Wessex, der seiner Krone entsagt hatte, nach Rom pilgerte, um vom Nachfolger des hl. Petrus die Taufe zu empfangen. Er starb acht Tage nach der Taufe und wurde in der Peterskirche beigesetzt. Sergius weihte auch den Friesenapostel Wilibrord zum Bischof, nachdem derselbe schon früher nach Rom gekommen war, um die Erlaubnis und den Segen des Papstes zur Predigt des Evangeliums zu erbitten. Sergius starb am 8. September 701 und wird in der Kirche als Heiliger verehrt. In würdiger Weise schloß dieser Papst die edle Reihe des Päpste des 7. Jahrhunderts. Vergleichen wir die Bischöfe von Rom mit denen von Konstantinopel: Wie erhaben stehen die Nachfolger auf dem Stuhle Petri da, in der Wahrung von Recht und Wahrheit, und wie tief sind nicht mehrere Patriarchen in Preisgabe der christlichen Wahrheit und der Freiheit der Kirche Gottes gesunken! Mehrere Patriarchen waren selbst Ketzer, niemals aber ein Papst. –
aus: P. Andreas Hamerle C.Ss.R., Geschichte der Päpste I. Band, 1907, S. 216 – S. 218
Vor seinem Tode ordnete er noch zur Verehrung der heiligen Jungfrau Maria vier Prozessionen am Fest der Verkündigung, der Reinigung, der Geburt und der Himmelfahrt Mariens an; diese Marienfeste ließ der Papst mit besonderem Glanz feiern. Ferner ließ er das Agnus Dei bei der heiligen Messe von Geistlichkeit und Volk singen, während der Priester am Altare die heilige Hostie brach. Dieser Gebrauch ist bis auf unsere zeit geblieben.
So hatte also der heilige Sergius eine recht segensreiche Wirksamkeit vollendet, als er am 8. September des Jahres 701 seine Augen für immer schloß. Sein Gedächtnis wird am 9. September gefeiert. –
aus: Chrysostomus Stangl, kath. Weltpriester, Die Statthalter Jesu Christi auf Erden, 1907, S. 220