Die Missionare auf dem Heiligen Stuhl
Der heilige Papst Martin I. (regierte von 649-655)
„Die Schwierigkeiten beim Tode des Papstes Theodor waren groß. Die Christen in Palästina, Kleinasien, Syrien sahen als Untertanen der Mohammedaner die meisten ihrer Kirchen ohne rechtmäßige Hirten. In Konstantinopel regierte ein Kaiser, der nichts kannte als rohe Gewalt. Ihm entgegen treten hieß so viel, als sich Verfolgung, Verbannung, ja den Tod zuziehen. Doch der Papst zeigte sich größer als die Schwierigkeiten, die ihm entgegen traten. Der unglücklichen Kirche im Morgenlande kam er zu Hilfe, indem er rechtgläubige päpstliche Stellvertreter aufstellte. Die Irrlehre verdammte er und erduldete deswegen Verfolgungen und Verbannung. Endlich beschloß er seine irdische Laufbahn durch einen glorreichen Heldentod.“ So schildert Geschichtsschreiber Rohrbacher in wenigen Worten die Wirksamkeit des heiligen Papstes Martinus.
Der heilige Martinus war zu Todi im Toskanischen geboren und ein Mann von ganz außerordentlicher Tugend und Gelehrsamkeit. In Rom war er wegen seiner Liebe zu allen Mitmenschen und besonders zu den Armen, wegen seines abgetöteten Lebens und seiner Charakterstärke so beliebt, daß er nach dem Tode seines Vorgängers einstimmig von Geistlichkeit und Volk am 21. Juli des Jahres 649 zum obersten Hirten der Christenheit gewählt wurde. Ohne den Kaiser zu fragen ließ er sich die heiligen Weihen erteilen, weshalb ihm jener später vorwarf, er sei unregelmäßig zur päpstlichen Würde gelangt. Doch wer möchte dem heiligen Papst Unrecht geben, wenn er die Anmaßungen eines gewissenlosen und noch dazu in Irrlehre lebenden Kaisers nicht beachtete?
Um seinen Verordnungen einen größeren Nachdruck zu geben, hielt der Papst im Oktober des Jahres 649 eine Kirchenversammlung in Rom, die von hundertfünf Bischöfen besucht war, die aus ganz Italein und den benachbarten Inseln und Ländern in den Lateran zum Papst eilten. „Die ganze Welt weiß“, sprach der Papst, „was der Patriarch Paulus von Konstantinopel und seine Vorfahren gegen die Katholiken sich erlaubt haben. Zahlreich sind die Klagen, welche von verschiedenen Seiten an den Heiligen Stuhl gelangen. Unsere Vorgänger haben es nicht unterlassen, wiederholt mahnend an die Bischöfe von Konstantinopel zu schreiben. Sie haben Bitten und Tadel angewendet und Gesandte geschickt. Aber jene wollten nicht hören. Darum habe ich es für notwendig gefunden, euch hierher zu rufen, damit wir mitsammen überlegen, was jenen Bischöfen und ihren Irrtümern gegenüber zu tun ist. Wir müssen vor allem das Gebot des Apostels erfüllen, acht zu haben auf uns selbst und auf die ganze Herde, über die der heilige Geist uns als Bischöfe gesetzt hat; wir müssen die gottlosen Lehren abwehren, welche man unter uns einzuführen sucht, denn wir müssen Gott von unserer Amtsverwaltung Rechenschaft geben.“
Unter dem Vorsitz des heiligen Papstes wurde in fünf Versammlungen die Irrlehre „von einem Willen in Christus“ auf das sorgfältigste geprüft. Der Irrlehre gegenüber stellten die Versammelten die wahre katholische Lehre wiederum fest, daß der Gottmensch zwei Willen, einen göttlichen und einen menschlichen hat. Die Irrlehrer wurden feierlich aus der Kirche ausgeschlossen. Für die Verbreitung und Annahme der Beschlüsse dieser Kirchenversammlung war der Papst unablässig tätig. Mit aller Tatkraft und in der Erwartung schwerer Kämpfe suchte der heilige Papst die Gläubigen überall vor der Irrlehre zu warnen; er ermahnte die Bischöfe zur Standhaftigkeit und trug besonders den fränkischen Bischöfen auf, gegen die Irrlehren in Versammlungen sich zu beraten und Verordnungen zu treffen. Die Beschlüsse der heiligen Versammlung schickte der Papst an alle Kirchen des Morgen- und Abendlandes und auch an den Kaiser.
Konstantinopel allein genügte aber der Hirtensorge des heiligen Papstes nicht. Syrien, Palästina, Ägypten waren durch die Mohammedaner und die Untätigkeit der Kaiser in äußerster Not geraten.
Inzwischen kam die Stunde sehr schwerer Prüfung für den heiligen Papst. Der in allen Lüsten und Lastern geübte Kaiser Konstans II. hatte längst gegen den heiligen Martinus die größte Abneigung gefaßt. Vorerst erhielt der Statthalter Olympius den kaiserlichen Befehl, den Papst gefangen zu nehmen. Da sich aber weder im Volk noch in der Armee Helfer fanden, so beschloß der feige Verräter, sich vom Papst die Kommunion reichen zu lassen. Inzwischen sollte ein Diener demselben den Dolch ins Herz stoßen. Allein auch dieser Plan mißlang, indem der Diener ganz verwirrt wurde und den Papst nicht mehr sah. –
aus: Chrysostomus Stangl, kath. Weltpriester, Die Statthalter Jesu Christi auf Erden, 1907, S. 206 – S. 208
Erschreckt hierüber, entdeckte Olympius dem Papst seinen Auftrag, söhnte sich mit demselben aus und zog dann mit seinem Heer nach Sizilien, gegen die Sarazenen (Mohammedaner), wo er mit einem großen Teil seiner Soldaten infolge einer ausgebrochenen Seuche den Tod fand. Zum Nachfolger des Olympius wurde Theodor Kalliopa vom Kaiser ernannt und mit dem Auftrag betraut, den Papst gefangen zu nehmen. In der Nacht vom 17. auf den 18. Juni 653 wurde Martin, der krank vor dem Altare der Lateranbasilika lag, von Soldaten überfallen und unter dem Vorwand, er habe sich unrechtmäßig die Papstwürde angemaßt, aufs Schiff gebracht. Wo das Schiff anhielt, kamen die Gläubigen heran, bezeugten dem Papst ihre Ehrfurcht und ihr Mitleid und brachten ihm Geschenke. Aber vor seinen Augen rissen die Wächter die Geschenke an sich, überhäuften den kranken Papst diejenigen, welche Gaben brachten, mit Schimpfworten, indem sie riefen: „Ihr alle, die ihr diesen liebt, seid Feinde des Staates.“ Doch dies war alles nur ein Vorspiel von dem Leid, welches den Papst in Konstantinopel erwartete. Zunächst wurde er in seinem Bett auf dem Schiff liegend einen ganzen Tag dem Spott und Hohn des Pöbels preisgegeben; dann wurde er in ein Gefängnis getragen, in welchem er unter harten Entbehrungen 93 Tage schmachtete. Endlich wurde ein wahrhaft niederträchtiges Gericht über ihn gehalten und die Beschuldigung des Hochverrats erhoben. Unter schmählichen Verunglimpfungen wurde er verurteilt „in Stücke gehauen zu werden“. Der bischöflichen Kleider beraubt und mit Ketten beladen, wurde er unter Vortragung des Schwertes zum Kerker geschleppt, wo man ihn gemeinsam mit Mördern eine Stunde lang eingesperrt hielt. Hierauf brachte man ihn in einen anderen Kerker mit rohen Mißhandlungen, wo er unter unsäglichen Qualen und Entbehrungen wieder 85 Tage gefangen gehalten wurde.
Am Tage nach diesen Gewalttaten besuchte der Kaiser den schwer kranken Patriarchen Paulus und erzählte ihm, was mit dem Papst geschehen sei. Paulus, der Haupturheber aller dieser Untaten, begann zu seufzen, kehrte sich gegen die Wand und rief: „Weh mir, auch das ist noch geschehen zur Erschwerung meines Gerichtes!“ Dann beschwor er den Kaiser dringend, es an dem, was Martin bisher gelitten, bewenden zu lassen. Bald darauf starb der Patriarch in der Irrlehre und Exkommunikation.
Als der Papst von der Bitte des Patriarchen an den Kaiser Kunde erhielt, wurde er sehr traurig, weil er fürchtete, es könnte ihm die Krone des Martyriums entgehen. Welch ein Glaubensheld dieser kranke, gefangene Papst war, beweist folgender Zug. Als ihm mitgeteilt wurde, er werde in die Verbannung abgeführt werden, sagte er gegen Sonnenuntergang zu denen, die bei ihm im Gefängnis waren: „Kommt Brüder, nehmen wir Abschied, man wird bald da sein, mich zu holen.“ Als er sich dann zu einem der Anwesenden wandte mit den Worten: „Komm, gib mir den Friedenskuß“, konnte dieser sich nicht halten, sondern weinte laut auf und alle mit ihm. Der Papst bat sie ruhig zu sein, legte dann die Hand auf den Erwähnten und sagte lächelnd: „Alles ist gut und nützlich. Mußt du dich so benehmen, da du dich vielmehr über mich freuen solltest?“ Der Angeredete erwiderte: „Gott weiß es, ich freue mich über die Ehre, daß Christus dich für seinen Namen leiden läßt, aber ich weine über den Untergang so vieler Anderer.“ In aller Stille wurde der Papst aufs Schiff gebracht und nach Cherson verbannt, wo er bald hernach in Entbehrungen, Jammer und Elend am 16. September 655 starb. In zwei Briefen, die er von Cherson aus kurz vor seinem Tode schrieb, schildert er in ergreifender weise seine entsetzliche Lage und die trostlose Verlassenheit von allen seinen Freunden. Er richtet sich selbst auf mit den schönen Worten: Der Herr ist ja nahe, was mache ich mir Sorge? Denn ich hoffe auf seine Erbarmung, daß er nicht zögern werde, meinen Lauf zu vollenden, wo er will. Das sind die letzten Worte, welche uns von dem päpstlichen Dulder erhalten sind. –
aus: P. Andreas Hamerle C.Ss.R., Geschichte der Päpste I. Band, 1907, S. 209 – S. 210
Der heilige Leib des Papstes wurde nach Rom überführt und ruht noch heute in der Kirche des heiligen Silvester.
In Rom war noch zu Lebzeiten des heiligen Martin ein Oberhirt (siehe: Der heilige Papst Eugen I.) gewählt worden; denn die Christenheit bedurfte in der schweren Zeit mehr als je eines kräftigen Führers und Beschützers; es geschah dies auch, damit der Kaiser nicht einen Irrgläubigen auf den päpstlichen Thron erheben konnte. Papst Martin selbst gab noch vom Gefängnis aus im Jahre 655 seine Zustimmung zur Wahl. –
aus: Chrysostomus Stangl, kath. Weltpriester, Die Statthalter Jesu Christi auf Erden, 1907, S. 210