Die hohe Würde des Priesters

Von der Bestimmung des Priesters: Er steht in der heiligen Messe vor dem Hochaltar

Die hohe Würde des Priesters übersteigt die Würde der Engel

Vortrag während der geistlichen Übungen für Priester (v. A. M. von Liguori)

Erstes Kapitel.

1. Der heilige Märtyrer Ignatius (Epist. ad Swyrn.) sagt, das Priestertum sei die höchste Würde auf Erden: „Der Gipfel der Würde ist das Priestertum.“ Der heilige Ephrem (De Sacerd.) nennt diese Würde eine unendliche Würde: „Das Priestertum ist ein erstaunungswürdiges Wunder, groß, unermesslich und unendlich“; und der heilige Johannes Chrysostomus sagt, dass man das Priestertum, wenn es auch auf Erden ausgeübt wird, dennoch zu den himmlischen Dingen zählen müsse. (Lib. 3. de sacerd. c. 3.)

O Priester des Herrn ruft Cassian (In catal. Glor.) aus, wenn du die Erhabenheit aller Himmelsgeschöpfe erwägest, so übertrifft doch deine Herrlichkeit sie alle, und einzig nur deinem Gott und Schöpfer stehst du nach. Innozenz III. sagt, der Priester sei in die Mitte zwischen Gott und den Menschen gestellt, minder als Gott sei er, mehr als Mensch. (Serm. 2. in Consecr. Pont.) Der heilige Dionysius nennt den Priester einen göttlichen Mann, und deshalb das Priestertum nicht nur eine englische, sondern eine göttliche Würde. (De coel. hier. c. 3.) Kurz, sagt der heilige Ephrem, die priesterliche Würde übersteigt allen Begriff. —

Es genügt uns indes zu wissen, daß Jesus Christus selbst von den Priestern gesagt hat: „Wer euch hört, der hört Mich, wer euch verachtet, der verachtet Mich.“ (Luc. 10, 16.), worüber der heilige Chrysostomus bemerkt : Wer die Priester ehrt, verehrt Christus, wer die Priester beleidigt, der beleidigt Christus. (Homil. 17. in Matth.) Die ehrwürdige Maria von Ognies war deshalb so tief von der priesterlichen Würde durchdrungen, dass sie jedes Mal die Erde küsste, die ein Priester betreten hatte.

2. Die Hoheit der priesterlichen Würde erkennt man aus den erhabenen Beschäftigungen, die damit verbunden sind. Die Priester sind nämlich von Gott auserwählt, hier auf Erden Seine Geschäfte zu verrichten und Seine Ehre zu fördern, wie das der heilige Cyrillus von Alexandrien bemerkt. (L. 13. de ador. etc,). Der heilige Ambrosius nennt das Priesteramt ein göttliches Amt. (De dignit. sacerd. c. 3.) Der Priester ist ein von Gott dazu bestimmter Diener und Abgesandter der ganzen Kirche, dass er den Herrn verehre und allen Gläubigen Gnaden erlange.

Die ganze heilige Kirche kann Gott nicht so viele Ehre erweisen, sie vermag nicht so viele Gnaden von Ihm zu erlangen, als ein einziger Priester, wenn derselbe die heilige Messe liest; denn die ganze Kirche ohne Priester, könnte doch Gott keine größere Ehre erweisen, als wenn sie Ihm das Leben aller Menschen zum Opfer darbrächte; aber was wäre dies Opfer, im Vergleich mit dem heiligen Messopfer, wo Jesus Christus, der ein Opfer unendlichen Wertes ist, Sein Leben Gott darbringt. Was sind auch nur alle Menschen in den Augen Gottes anders, als ein wenig Staub: „Sie sind wie ein Tropfen am Eimer, wie ein dünner Staub.“ (Is. 40, 15.)

Ja, gleichwie ein Nichts sind sie vor Gott: „Alle Völker sind wie Nichts vor Ihm.“ (Oseas 5.) Deshalb erweist auch der Priester, wenn er das heilige Messopfer darbringt, und in ihm dem ewigen Vater Jesus Christus aufopfert, demselben unendlich mehr Ehre, als wenn alle Menschen Ihm ihr Leben durch einen freiwilligen Tod darbringen würden. Ja, der Priester verschafft durch eine einzige heilige Messe Gott mehr Ehre, als alle Engel und Heiligen Gottes, die allerseligste Jungfrau mit eingeschlossen, Ihm jemals verschaffen könnten; weil diese Alle Ihm keine unendliche Verehrung erweisen können, wie dies der Priester tut, wenn er auf dem Altar das heilige Messopfer darbringt.

3. Wenn der Priester das heilige Messopfer darbringt, so opfert er Gott auch ein würdiges Dankopfer auf für alle Gnaden, die Er den Heiligen im Himmel erwiesen hat, und zwar ein so würdiges Dankopfer, dass alle Heiligen zusammen es nicht vermögen, Gott ein Gleiches darzubringen. Auch in dieser Beziehung ist die Würde des Priesters erhabener, als alle himmlischen Würden. Überdies ist der Priester auch noch ein Abgesandter der ganzen Welt bei Gott um allen Geschöpfen Gnaden von Ihm zu erlangen, wie der heilige Chrysostomus bemerkt. (De sacerd. lib. 6. c. 4.) Denn, sagt der heilige Ephrem: „Der Priester unterhandelt auf vertrauliche Weise mit Gott, und für ihn gibt es keine verschlossene Türe.“ (Lib. 1. de sacerd.)

Jesus Christus ist gestorben, um Priester ins Leben zu rufen

4. Jesus Christus ist deshalb gestorben, um Priester ins Leben zu rufen. Es war nicht notwendig, dass der Heiland starb, um die Welt zu erlösen, denn ein Blutstropfen, eine Träne, ein Gebet hätte hingereicht, um das Heil Aller zu erlangen. Da dieses Gebet von unendlichem Wert gewesen, so hätte es genügt, nicht etwa um eine, sondern um tausend Welten zu erlösen.

Aber um einen Priester einzusetzen, musste Jesus Christus sterben; denn wo hätte man sonst das Opfer hergenommen, welches jetzt die Priester des neuen Bundes Gott darbringen, ein heiliges, ein unbeflecktes Opfer, das allein Gott die gebührende Ehre verschaffen konnte. — Das Leben aller Menschen und aller Engel hätte also, wie gesagt, nicht hingereicht, um Gott eine unendliche Ehre zu erweisen, wie dies ein Priester tut, wenn er eine einzige Messe dem Herrn darbringt.

5. Die hohe Würde des Priesters ermisst man aber auch aus der Gewalt, die er sowohl über den wahren, als über den mystischen Leib Jesu Christi erhalten hat. Was den wahren Leib des Herrn anbelangt, so ist es ein Glaubenssatz, dass sich das fleischgewordene Wort Gottes verpflichtet hat, ihm, dem Priester, zu gehorchen, und unter den Gestalten des Brotes und Weines sich in seinen Händen einzufinden sowie er die Worte der Konsekration ausspricht.

Wunderbar ist es, wie Gott dereinst dem Josua, einem Menschen gehorchte, und wie die Sonne auf seinen Befehl still stand, da er nämlich sprach: „Sonne bewege dich nicht von Gabaon, und die Sonne stand still mitten im Himmel“ (Josua 10, 13.); — aber noch weit wunderbarer ist es, wenn wir vernehmen, wie Gott Selbst den wenigen Worten eines Priesters gehorcht, und auf den Altar herab kommt; ja wie Gott dies sogar noch dann tut, wenn auch der Priester Sein Feind ist, und es dennoch wagt, den Herrn zu rufen.

Und nachdem der Herr auf solche Weise gekommen, gibt er Sich ganz der Verfügung des Priesters hin; der Priester trägt Ihn nach Belieben von einem Orte zum andern; von ihm hängt es ab, ob er Ihn auf den Altar aussetze, oder wieder in den Tabernakel einschließe; ob er Ihn zur Kirche hinaustrage, ob er sich oder Andere damit speisen wolle.

O höchste Gewalt! ruft ein heiliger Laurentius Justinian aus, auf ihr (der Priester) Gefallen hin, wird das Brot in den Leib Christi verwandelt; das Wort steigt vom Himmel herab und wird Fleisch, auf dem Altar wird es als auf einem Tisch gefunden. Das (sagt er von den Priestern) wird ihnen aus Gnade erteilt, was den Engeln niemals gegeben ward. Diese stehen dem Herrn zur Seite, jene aber halten Ihn in ihren Händen, genießen Ihn selbst, geben Ihn andern zur Speise. (Sermon. de Euchar. n. 27.)

Die richterliche Gewalt des Priesters

6. Was aber den mystischen Leib Jesu Christi, nämlich die Gläubigen, betrifft, so besitzt der Priester die Schlüsselgewalt, das heißt die Gewalt, den Sünder von der Hölle zu befreien, und des Himmels würdig zu machen; ihn aus einem Sklaven des Teufels in ein Kind Gottes umzuwandeln.

So groß ist die richterliche Gewalt des Priesters, sagt der heilige Maximus, daß das himmlische Gericht seinem Urteil überlassen ist, das heißt, daß Gott Selbst verpflichtet ist, dem Urteilsspruch des Priesters nahe zu kommen, zu verzeihen oder nicht zu verzeihen, je nachdem der Priester den Büßer losspricht oder nicht, wenn anders dieser der Lossprechung fähig ist. Der heilige Peter Damian sagt: „Der Ausspruch Petri geht dem Ausspruch des Heilandes voran; der Herr folgt dem Diener, und wie dieser auf Erden gerichtet hat, so bestätigt es Jener im Himmel.“ (Serm. 27.)

7. Die Priester sind die Ausspender der göttlichen Gnaden und die Gefährten Gottes. „Betrachtet, sagt der heilige Ignatius der Märtyrer (Epist. ad Polyc.) die Priester als die Haushälter der himmlischen Schätze im Hause des Herrn, und die Gefährten Gottes.“ — „Sie sind die Zierde der Kirche, sagt der heilige Prosper (De vita contempl. c. 3.), die festesten Säulen der Pforten jener ewigen Stadt, durch welche Alle zu Christus eingehen. Sie sind die Pförtner, denen die Schlüssel zum Himmelreich übergeben sind, sie sind die Gnadenspender im Hause des Königs, denen es überlassen ist, jedem seine Stelle anzuweisen.

8. Wenn der Heiland Selbst in eine Kirche herabkäme, und Sich in einen Beichtstuhl begäbe, um das Sakrament der Buße auszuspenden, und zu gleicher Zeit wäre in einem andern Beichtstuhl ein Priester, und wenn Jesus zu einem Sünder sagen würde: Ich spreche dich los; und der Priester sagte dasselbe; so würde das Beichtkind des einen wie des andern auf gleiche Weise losgesprochen sein. Welche Ehre wäre es für einen Untertan, wenn sein König ihm die Gewalt gäbe, wen er immer wolle, aus dem Gefängnis zu befreien!

Aber weit größer ist die Gewalt, welche der ewige Vater Jesu und welche Jesus den Priestern erteilt hat, dass sie nicht nur die Leiber, sondern sogar die Seelen aus der Hölle befreien können. „Ihnen, sagt der heilige Chrysostomus (De sacerdot. I. 3. ec. 5.), ist vom Sohne Gottes alles Gericht übergeben; denn indem sie gleichsam in den Himmel versetzt wurden, ist ihnen diese Herrschaft anvertraut. Wenn ein König einem Sterblichen die Macht erteilte, alle Gefangenen aus dem Kerker zu befreien, so würden Alle einen Solchen selig preisen; die Priester haben aber von Gott eine viel größere Macht erlangt, weil die Seele edler ist, denn der Leib.

Die priesterliche Würde ist die edelste Würde auf Erden

9. Die priesterliche Würde ist also die edelste Würde hier auf Erden, sagt der heilige Ambrosius. (De dignit. sacerd. c. 3.) Sie übertrifft weit die Würde der Kaiser und Könige, ja sogar jene der Engel, sagt der heilige Bernhard. (Serm. ad past. in syn.) Die Würde eines Priesters sagt der heilige Ambrosius (De dignit. sacerd. c. 2.), verhält sich zu der Würde eines Königs, gleichwie das Gold zum Blei. Und dieses deshalb, sagen die heiligen Clemens und Chrysostomus, weil die Macht der Könige sich nur über zeitliche Dinge, nur über den Leib erstreckt, indes die Gewalt der Priester die Seele und die geistlichen Güter zum Gegenstand hat. (S. Clem. I. 2. c. 34. I. Chrysost. hom. 5. in Isaiam.)

10. Die Könige dieser Welt rechnen es sich zur Ehre, den Priestern ihre Verehrung zu beweisen, sagt der Papst Marcellin. (In c. Boni princ. dist. 96.) Und Peter de Blois (Serm. 47.) sagt: Bereitwillig beugen sie die Knie vor den Priestern; wenn sie ihnen Geschenke darbringen, küssen sie ihre Hände, und empfangen mit gebeugtem Haupt ihren Segen, weil, wie der heilige Chrysostomus sagt, die Herrschaft der Priester weit erhabener ist, als jene der Könige. (Hom. 4. in verb. Isai.) —

Baronius (Ann. 325. n. 18.) erzählt, als Leontius, Bischof von Tripolis, von der Augusta Eusebia an den Hof berufen ward, ließ er ihr sagen, wenn sie ihn bei sich sehen wolle, müsse sie zuvor die Bedingung eingehen, dass sie bei seiner Ankunft also gleich ihren Thron verlasse, und mit gebeugtem Haupt seinen Segen verlange und dass sie nur mit seiner Genehmigung sich setzen dürfe, mit dem Zusatz, dass er ohne diese Bedingung niemals kommen würde. Da der heilige Martin vom Kaiser Maximus zu Tische geladen war, ließ er zuerst seinen Kaplan und hierauf erst den Kaiser aus seinem Becher trinken.

Kaiser Konstantin wollte in der Kirchenversammlung zu Nicäa den letzten Platz nach allen Priestern einnehmen, und das auf einem Stuhl, der niedriger war, als die Sitze der Bischöfe. — König Boleslau hatte solche Ehrfurcht vor den Priestern, daß er es nie wagte, sich in ihrer Gegenwart niederzusetzen.

Die priesterliche Würde übersteigt die Würde der Engel

11. Die priesterliche Würde übersteigt aber auch noch die Würde der Engel, sagt der heilige Thomas. (3. p. q. 22. a. 1. ad 1. ), und der heilige Gregor von Nazianz sagt: „Selbst die Engel ehren die Priester.‘ Alle himmlischen Geister zusammen können nicht von einer einzigen Sünde lossprechen. Die heiligen Schutzengel stehen den ihnen anvertrauten Seelen zur Seite, und tragen Sorge, dass sie zu den Priestern ihre Zuflucht nehmen, wenn sie sich im Stande der Sünde befinden, damit sie losgesprochen werden; aber sagt der heilige Peter Damian (Serm. 26. de sanct. Petr.), keiner von ihnen hat die Gewalt, zu binden und zu lösen.

Wenn der heilige Erzengel Michael einem Kranken naht, der ihn anruft, so kann er zwar die Teufel, die denselben bedrohen, in die Flucht jagen; aber er kann den, der ihn angerufen, nicht aus den Banden derselben befreien, wenn nicht ein Priester kommt, der ihn losspricht. Als der heilige Franz von Sales eines Tages einem frommen Geistlichen die Priesterweihe erteilt hatte, sah man, dass der ausgeweihte Priester beim Fortgehen vor der Türe stehen blieb, als ob er einen andern vor sich hinausgehen lassen wolle.

Als man den Heiligen hierüber befragte, antwortete er, dass der Herr denselben der sichtbaren Gegenwart seines Schutzengels gewürdigt habe, welcher, als er gekommen sei, ihm voraus und zur Rechten gegangen wäre, nachdem derselbe die heilige Weihe empfangen, habe er sich zu seiner linken Seite gehalten und nicht vor ihm hergehen wollen; aus diesem Grund sei der Priester an der Türe still gestanden und sei mit seinem Engel gleichsam in einen heiligen Wettstreit geraten. Der heilige Franz von Assisi sagte auch noch: würde ihm ein Engel und ein Priester zu gleicher Zeit erscheinen, so würde er zuerst seine Knie vor dem Priester und dann erst vor dem Engel beugen.

Die Macht des Priesters übersteigt die Gewalt der allerseligsten Jungfrau Maria

12. Aber die Macht des Priesters übersteigt auch noch die Gewalt der allerseligsten Jungfrau Maria. Die göttliche Mutter kann zwar für eine Seele beten, und erlangt sie auch durch ihr Gebet alles, so kann sie dennoch niemanden auch nur von der kleinsten Sünde lossprechen. Papst Innozenz III. (De poen. rem.) sagt: „Ist auch die allerseligste Jungfrau mit mehr Vorzügen ausgestattet, so hat doch der Herr nicht ihr, sondern den Priestern die Schlüssel zum Himmel übergeben.“ Der heilige Bernardin von Siena (Tom. I. serm. 20. a. 2. c. 7.) ruft aus: „O gebenedeite Jungfrau, verzeihe mir, denn ich will nicht wider Dich reden; aber der Herr selbst hat die Würde des Priestertums über Deine Würde erhoben.“

Und er führt den Grund davon an, indem er sagt: „Maria hat Jesus Christus nur einmal empfangen, aber wenn der Priester konsekriert, so empfängt er Ihn, so zu sagen, so oft als er nur will, und wäre die Person des Erlösers noch nicht auf der Welt gewesen, so würde der Priester durch das Aussprechen der Konsekrationsworte den Gottmenschen hervorbringen. „O verehrungswerte Würde der Priester, sagt der heilige Augustin (Hom. 2. in Ps. 37.), in deren Händen der Sohn Gottes, gleichwie in dem Schoße der Jungfrau Fleisch annimmt.“

Der Priester gibt Jesus Sein sakramentales Dasein

13. Deshalb werden denn auch die Priester von einem heiligen Bernhard (Serm. ad past. in syn.) Väter Jesu Christi genannt; denn die Priester sind wirklich die handelnde Ursache (causa activa), dass die Person Jesu Christi sich wahrhaft in der konsekrierten Hostie gegenwärtig befindet, und man kann allerdings in einem gewissen Sinne den Priester einen Schöpfer seines Schöpfers nennen. Indem dieser nämlich die Worte der Konsekration ausspricht, erschafft er, so zu sagen, Jesus im Sakrament, da er Ihm Sein sakramentales Dasein gibt, und Ihn als ein Opfer zur Darbringung für den ewigen Vater hervorbringt.

Gleichwie es Gott genügte, bei Erschaffung der Welt Seinen Willen auszusprechen, worauf dieselbe also gleich erschaffen war, denn er sprach und es ist geworden (Ps. 32, 9.), so genügt es auch, dass der Priester über das Brot die Worte ausspreche: Dies ist mein Leib, und also gleich ist das Brot nicht mehr Brot, sondern der Leib Jesu Christi.

Die Macht des Priesters, sagt der heilige Bernardin von Siena, gleicht der Macht der drei göttlichen Personen; denn es wird ebenso viel Macht erfordert zur Verwandlung des Brotes, als erfordert wird, die Welt zu erschaffen. O ehrwürdige Heiligkeit dieser Hände, ruft der heilige Augustin (In Ps. 37.) aus. O seliges Werk! Der, welcher mich erschaffen hat, gab mir (wenn es gestattet ist, dies zu sagen), die Macht, Ihn Selbst zu erschaffen, und der, welcher mich ohne mich erschaffen hat, erschuf Sich Selbst vermittelst meiner. Gleich wie das Wort Gottes Himmel und Erde erschuf, ruft der heilige Hieronymus (Sermon. de corp. Chr.) aus, so erschaffen die Worte des Priesters Jesum Christum.

So erhaben ist die Würde des Priesters, daß dieser sogar Jesus Christus als Opfer auf dem Altar segnen kann, um Ihn dem ewigen Vater darzubringen. Der P. Mansi (Tract. 22. disc. 12. n. 6.) sagt, dass man Jesus Christus im heiligen Messopfer als den eigentlichen Opferpriester und zugleich als die Opfergabe betrachten müsse; als Darbringer des Opfers segne Jesus den Priester, aber als Opfer betrachtet, werde Er von dem Priester gesegnet.

Die Priester sind Gesandte an Christi statt

14. Überdies kann man auch noch die Erhabenheit der priesterlichen Würde aus der hohen Stellung ermessen, welche derselbe einnimmt. Das Priestertum wird der Sitz der Heiligen genannt (Sermon de corp. Chr.), und der heilige Augustin (Tract. 22 disc. 12 n. 6) nennt die Priester Statthalter Jesu Christi auf Erden, weil sie die Stelle Jesu Christi vertreten. Dasselbe lehrt der heilige Karl Borromäus, da er in der Synode von Mailand von den Priestern sagte, dass sie die Person Gottes auf Erden vertreten. Und vor ihm schon sagte der Apostel: „Wir sind Gesandte an Christi statt, indem Gott gleichsam durch uns ermahnt.“ (2. Kor. 5, 20.)

Nachdem der Heiland in den Himmel aufgefahren ist, hat Er die Priester auf Erden als Mittler zwischen Gott und den Menschen zurück gelassen. Der heilige Laurentius Justinian sagt: „Der Priester tritt, gleichwie Christus selbst an den Altar.“ „Am Altar, sagt der heilige Cyprian, vertritt der Priester Christi Stelle.‘ — Wenn du einen Priester opfern siehst, sagt der heilige Chrysostomus, so stelle dir vor, als ob Christi Hand unsichtbar über ihn ausgestreckt sei. (Synod. Carnot. Ann. 1550).

15. Aber auch dann, wenn der Priester den Sünder durch die Worte: „Ich spreche dich los“, von seinen Sünden befreit, so vertritt er die Stelle Jesu Christi; denn Jesus Christus hat diese große Gewalt, die Er von Seinem ewigen Vater empfangen hatte, den Priestern mitgeteilt. —

Jesus, sagt Tertullian, bekleidet die Priester mit dem Seinigen. Um eine einzige Sünde vergeben zu können, bedarf es der göttlichen Allmacht, und deshalb betet die heilige Kirche: „Gott, der Du Deine Allmacht hauptsächlich im Nachlassen und Erbarmen zeigest !“ Mit Recht fragten deshalb die Juden, als sie gehört, Jesus habe dem Gichtbrüchigen seine Sünden verziehen: Wer kann Sünden vergeben, als Gott allein?

Aber was Gott allein durch Seine Allmacht zu tun vermag, das kann auch der Priester tun, wenn er die Worte ausspricht: Ich spreche dich von deinen Sünden los; denn wenn der Priester bei Ausspendung der Sakramente die Form anwendet, das heißt, wenn er in diesem Sakramente die vorgeschriebenen Worte, welche die Form bilden, ausspricht, so bewirken dieselben, was sie bedeuten. Würde es nicht ein sehr großes Wunder sein, wenn jemand es vermöchte, durch einige Worte einen Neger in einen weißen Menschen zu verwandeln.

Aber ach! der Priester tut noch weit mehr; denn durch die Worte „Ich spreche dich los“, verwandelt er in demselben Augenblick diesen Sünder aus einem Feinde Gottes in einen Freund Gottes, und macht ihn aus einem Sklaven der Hölle zu einem Erben des Paradieses.

16. Der Kardinal Hugo lässt den Herrn an einen Priester, der von den Sünden losspricht, folgende Worte richten: Ich habe Himmel und Erde erschaffen, dir aber überlasse ich eine noch bessere und edlere Schöpfung; mache du aus der sündigen Seele eine neue, mache nämlich, daß sie aus einer Sklavin des Teufels meine Tochter werde. Ich befahl, dass die Erde ihre Früchte bringe; dir aber überlasse ich eine noch bessere Schöpfung, dass nämlich die Seele Frucht bringe.

Denn ohne die Gnade Gottes gleicht die Seele einem dürren Baum, der keine Früchte hervorbringen kann; sobald sie aber vermittelst des Priesters dieselbe erlangt, bringt sie Früchte fürs ewige Leben hervor. Der heilige Augustin fügt noch hinzu: „Es ist ein größeres Werk, aus einem Sünder einen Gerechten zu machen, als Himmel und Erde zu erschaffen.“ Der fromme Job (40, 4.) fragt: „Hast du denn einen Arm wie Gott, und donnerst du mit gleicher Stimme?“ Wer könnte dies aber wohl anders sein, als der Priester, der sich seines Armes bedient, wenn er von Sünden losspricht, und dessen Stimme ebenfalls göttlich ist, wenn er die Seele von der Hölle befreit.

17. Der heilige Ambrosius schreibt, wenn der Priester von Sünden losspricht, vertrete er das Amt des heiligen Geistes, der die Seele rechtfertigt. Deshalb hat der Heiland nach den Worten des heiligen Johannes, als er den Priestern die Gewalt loszusprechen mitteilte, sie angehaucht und zu ihnen gesprochen: „Empfanget den heiligen Geist! Welchen ihr die Sünden nachlassen werdet, denen sind sie nachgelassen, und welchen ihr sie behalten werdet, denen sind sie behalten.“ (Joh. 20, 22. 23.) Der Herr gab ihnen Seinen Geist, d. h. den heiligen Geist, welcher die Seelen heiligt, indem Er sie zu Seinen Gehilfen bestellte, nach dem Ausspruch des heiligen Paulus (Korinth. 3, 9): „Wir sind Gottes Mitarbeiter.“

Die Priester, sagt der heilige Gregorius, erlangten eine richterliche Gewalt, um nach göttlichem Recht einigen die Sünden nachzulassen, und andern vorzubehalten. Der heilige Clemens hat also Recht, wenn er sagt, der Priester sei gleichsam ein Gott auf Erden. Der Psalmist rief aus: „Gott steht mitten in der Versammlung der Götter.“ (Ps. 81.) Diese Götter, sagt der heilige Augustin (Serm. 36 ad pers.), sind die Priester, und Innozenz II. bemerkt, dass die Priester um der Würde ihrer Verrichtungen willen, mit dem Namen Götter beehrt werden.

Größer ist der Fall der Priester, welche sündigen

18. Welch ein Unglück ist es aber, sagt der heilige Ambrosius (De dign. sacred. c. 2), wenn man sehen muss, wie jemand eine hohe Würde bekleidet, und dabei ein schändliches Leben führt; wie er ein göttliches Amt verwaltet, und sündhafte Werke verübt. Nein, sagt er, die Handlungen müssen dem Namen entsprechen. Ist es nicht, sagt Salvian (Lib. 2 ad eccles. cath.), als ob ein Edelstein mit Kot bedeckt wäre, wenn man sieht, dass eine so hohe Würde einem Unwürdigen erteilt worden ist.

19. „Es nimmt sich niemand selbst die Ehre, sondern der von Gott berufen wird wie Aron. So hat auch Christus Sich nicht Selbst verherrlicht, Hoherpriester zu werden, sondern der zu Ihm geredet hat: Mein Sohn bist Du, heute habe Ich Dich gezeugt.“ (Hebr. 5, 4.)

Der Apostel lehrt uns durch diese Worte, dass niemand es wagen solle, in das Priestertum einzutreten, wenn er nicht wie Aron zuvor den göttlichen Ruf dazu vernommen hat. Deshalb wollte auch sogar Christus nicht Selbst die priesterliche Würde auf Sich nehmen, sondern Er wartete, bis Sein Vater Ihn dazu berief. Aus dem bisher Gesagten konnten wir zur Genüge die Hoheit der priesterlichen Würde erkennen; je erhabener sie aber ist, desto mehr müssen wir aber auch dieselbe fürchten. —

Erhaben ist diese Würde, sagt der heilige Hieronymus, aber größer ist auch der Fall derer, welche sündigen, nachdem sie mit derselben bekleidet sind. Wir müssen uns freuen, dazu emporzusteigen, aber uns auch weit mehr fürchten vor dem Falle (Lib. 3 in Ezech. ad c. 44). Weinend ruft ein heiliger Gregorius (Homil. 17 in Evang.) aus: „Die Auserwählten gehen, durch die Hände der Priester versöhnt, ins himmlische Vaterland ein, und ach! die Priester eilen den Qualen der Hölle entgegen. — Sie gleichen, sagt er, dem heiligen Taufwasser, das den Getauften von seinen Sünden reinigt und in den Himmel sendet, selbst aber in die Pfütze ausgegossen wird. –
aus: Alphons Maria von Liguori, Der Priester in der Einsamkeit, 1856, S. 7 – S. 19

siehe dazu auch den Beitrag: Pius XI.: Die erforderliche Heiligkeit des Priesters – Auszug aus dem Rundschreiben „Ad catholoci sacerdotii“ v. 20. Dezember 1935

sowie den Beitrag: Pius XII.: Die Heiligkeit des Priesterlebens – Apostolische Ermahnung von Papst Pius XII. vom 23. September 1950

siehe auch den Beitrag: Die Kirche ist eine Priesterkirche

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