Aphorismen aus dem Tagebuch des P. Rinn SJ
VIII. Fehler gegen die Demut
Fehler gegen die Demut: Die Sucht, Menschen zu gefallen, das Verlangen, geliebt, geehrt zu werden, etwas zu gelten, seine Talente übertrieben hoch zu schätzen und andere gering achten, sich hervor drängen, gerne von sich und seinen Gaben reden, seiner eigenen Einsicht so leicht vertrauen und der Anderer so leicht misstrauen, Eigenwillen, Widerspenstigkeit, Entschuldigung und Rechtfertigung seiner Fehler, Erwartung und Verlangen eines großen Wirkungskreises, Lästigkeit der Verborgenheit und Einsamkeit und des Stillschweigens, Eifersucht, heimlicher geistlicher Neid; heftige Behauptung seiner Meinung, Empfindlichkeit, wenn uns hierin nicht Genüge geleistet wird, Ungeduld und Missmut bei eigenen und fremden Fehlern, Unzufriedenheit mit der Alge, in der wir sind, Planmachen für die Zukunft, Anmaßung von vielen und großen Geschäften und Ämtern, Heftigkeit in Vorsätzen usw.
Ach Gott! Verleihe, daß ich doch einmal die Demut ebenso getreu übe, wie ich sie vom Herzen liebe. – Wo sie mir vor Augen kommt, erfreut sie mich, nur in mir finde ich sie nicht.
Sei immer bedacht auf praktische Übungen der Demut und Liebe, und denke über solche Übungen nach, schreibe sie dir auf und lasse Fehler gegen die Demut und Liebe nie, ohne fühlbare Strafe an dir zu nehmen, vorüber gehen. Es nützt Alles nichts, wenn du die Demut und Liebe nicht hast; alles Übrige sind nur Mittel zu diesen Beiden, wie diese Beiden selber wieder Mittel sind zur Vereinigung mit Gott als zum letzten Zweck.
„Selig sind die Barmherzigen.“ Matth. 5, 7. –
Die christliche Barmherzigkeit ist eine eigene Mischung, gemeinschaftliche Wirkung und bestimmte Äußerung von Liebe und Demut. Der Anteil der Liebe dabei ist dieser: die durch den hl. Geist in unseren Herzen ausgegossene Liebe vereinigt Alle zu einem Leib, und macht uns Alle zu Gliedern eines Leibes, – und die Folge solcher geistig-organischen Verbindung ist, wie in der körperlichen, die Teilnahme der einzelnen Glieder an Allem, was die Übrigen trifft. Überdies ist es der Liebe eigen, ihrer selbst zu vergessen und ganz in Auffassung der Bedürfnisse und Zustände Anderer zu leben. –
Das Wesen der Liebe nach ihrem Muster in Christo ist opfern; – sie wird dadurch erst recht ihrer selbst bewußt, und hat allzeit einen unwiderstehlichen Drang dazu. Der Anteil der Demut dabei aber ist das Bewusstsein eigenen Elends, macht empfänglich für die Auffassung des fremden. -Das demütige Anerkennen, – daß Alles, was wir haben, Gabe ist, treibt an, daß wir es auch wieder zum Geben gebrauchen. Was die Demut immer bittet, das verleiht sie auch gerne: Vergebung der Schulden, – Demut dient gerne, – und räumt alle Hindernisse, die etwa Stolz, falsche Scham, Eitelkeit, eigene Meinung usw. dem Wirken der Liebe entgegen stellt, hinweg. – In solcher Verbindung mit der sich selbst vergessenden und opfernden Liebe wird die Demut – Großmut. –
aus: Friedrich Rinn SJ, Die ewigen Wahrheiten der geistlichen Übungen des heiligen Ignatius von Loyola, 1878, 1. Bd., S. 67 – S. 68