Herbergssuche der heiligen Familie in Bethlehem

Herbergssuche der heiligen Familie in Bethlehem

Ankunft und Herbergssuche der heiligen Familie in Bethlehem

1. Die Ankunft der heiligen Familie in Bethlehem ist hoch merkwürdig, und darum auch vom Heiligen Geist zum ewigen Andenken im Evangelium des hl. Lukas aufbewahrt, wegen der ihr bereiteten Aufnahme…

Der hl. Lukas sagt wehmütig, dass für Maria und Joseph kein Platz in der Herberge war (Luk. 2, 7). Warum war gerade für sie kein Platz mehr frei?

Es ist denkbar, dass wegen des Zusammenkommens so vieler Fremden ein Mangel an Herbergen eintrat; aber mehr berechtigt ist die Annahme daß Maria und Joseph mit ihren dringenden Bitten um die einfachste, geringste Herberge bei den Bethlehemiten, bei ihren Verwandten und Stammes-Genossen nur taube Ohren und erbarmungslose Herzen fanden, weil ihr äußeres Ansehen große Dürftigkeit verriet, noch mehr, weil die augenscheinliche Niederkunft der schwächlichen Frau schwere Unbequemlichkeiten befürchten ließ, aber am meisten aus der völlig unbekannten Ursache, weil Jesus in der tiefsten Selbsterniedrigung und als Schuldner für die Sünden der ganzen Welt geboren werden wollte.

Ganz gewiss sind Maria und Joseph lange, und bis spät in die kalte Dezembernacht hinein durch die Straßen und Seitengässchen Bethlehems gegangen, nach einem Obdach, nach einem schützenden Winkel spähend; gewiss hat der hl. Joseph Türe um Türe schüchtern angeklopft, während Maria, erschöpft vor Müdigkeit und zitternd vor Kälte, in der Straße auf seinen Bericht wartete.

Welch ein Gegenbild zum Bericht des Erzengels Gabriel: „Gegrüßet seist du voll der Gnade, der Herr ist mit dir, du bist gebenedeit unter den Weibern! Siehe, du hast Gnade gefunden bei Gott!“ Die drei Vornehmsten, Besten, Heiligsten: Jesus, Maria und Joseph finden keine Gnade bei den Bethlehemiten! In allen Häusern schimmern die Lichter; die Fremden werden gastlich bewirtet; nur Maria und Joseph werden in keinem dunklen Winkel der Vaterstadt Davids geduldet; nur sie werden roh und gefühllos fortgejagt von den Wohnungen der Menschen, und hinausgestoßen zu einem Stall, zu einer Herberge für – Tiere!

Und doch, wie dringend haben gerade die Bethlehemiten einen Erlöser notwendig, der sie aus dem Elend solch gemeiner Rohheit errettet, der sie wieder menschlich denken und empfinden lehrt!

2. Das ganz unerwartete und unter den gegebenen Umständen sehr schmerzliche Fehlschlagen der Hoffnung, mit welcher Maria und Joseph in Bethlehem bei ihren Verwandten und Bekannten, denen sie gewiss niemals die geringste Kränkung oder Beleidigung angetan hatten, eine freundschaftliche Aufnahme und Herberge erwarteten, drängt unsere gerechte Empörung über die schändlichen Bethlehemiten zur aufmerksamen Untersuchung: wie haben die Verstoßenen dieses schwere Kreuz getragen? Das Resultat des Untersuchens ist ein wunderbar schönes und lehrreiches.

Siehe, Maria und Joseph haben dieses Kreuz, diese große Schmach und Verachtung in ihrer inneren Gesinnung und in ihrem äußeren Benehmen vollkommen im Geist des menschgewordenen Jesus getragen. Es war dies ja die erste Verdemütigung, welche Ihn selbst in dieser Welt, in der Stadt seines Vaters David traf.

Ach, die traurig arme und des verheißenen Erlösers höchst bedürftige Welt will den gottgesandten Erlöser nicht aufnehmen, wirft Ihn hinaus in einen Stall – so in Bethlehem, so in Jerusalem, so in Paris, so in Wien und Berlin und allüberall.

Und warum? Nur deshalb, weil er nicht so kommt, wie ihre Augenlust, ihre Fleischeslust, ihre Hoffart Ihn vor sich sehen will; sondern weil Er so kommt, wie die unendliche Liebe, Güte, Weisheit und Barmherzigkeit Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes solches bestimmt hat. Über diese erste Demütigung hat Jesus, im Schoß Mariens, Sich nicht weniger gefreut als Johannes der Täufer im Schoß seiner Mutter Elisabeth sich freute über die durch die Heimsuchung Mariä empfangene göttliche Gnade; und Er hat wohl seine Freude der Mutter Maria ebenfalls kundgetan, wie Johannes seiner Mutter.

Aus diesem schätzbaren Grund haben Maria und Joseph den Bethlehemiten keinen Augenblick gezürnt, die grob abschlägige Antwort derselben zu entschuldigen gewusst, in sanftem Frieden und mit kindlich frommer Hingabe in den heiligen Willen Gottes die teure, vor wenigen Stunden betretene Vaterstadt wieder verlassen, und die Herberge in einem friedlichen Stall aufgesucht. Von Gottes Hand geführt, fanden sie bald das notwendige Obdach, eine Felsengrotte, deren die Hirten sich bedienten, um ihre Schafe vor Schaden durch Regen und Unwetter zu bewahren, aber sonst nichts als Armut und Ungemach: kein Stücklein Brot, keinen Trunk Wasser, kein Licht, keinen Sitz, keinen Strohsack, keinen Schutz gegen die Dezemberkälte, lauter Gold und Diamanten, um ihren Schatz im Himmel mit Millionen an Wert zu vermehren.

3. Versäume es ja nicht, du von Jesus am hl. Kreuz erlöster und mit den reichsten Gaben der Natur und der Gnade beschenkter Katholik, allen Ernstes die Folgen zu betrachten und zu taxieren, welche das rohe, schändliche und entehrende Benehmen gegen Maria für die Bethlehemiten hatte!

Richte und verdamme ihre Herzlosigkeit und gemeine Rohheit, wie sie bei den Nachkommen des frommen Königs und gottbegnadeten Büßers David freilich nicht hätte vorkommen sollen, nicht zu strenge; denn sie kannten ja Maria nicht, weder die Größe ihrer natürlichen und übernatürlichen Vorzüge und Privilegien, noch den Reichtum ihrer Tugenden und Verdienste, noch die Erhabenheit ihrer Muttergottes-Würde. Allein, sie haben doch arg gesündigt gegen ihre erschaffene Gottes-Ebenbildlichkeit, gegen das göttliche, durch Moses und die Propheten verkündete Gesetz der Nächstenliebe, und gegen die stets wahre Selbstliebe.

Darum hat der gerechte Gott ihnen mit dem gleichen Maße eingemessen, mit welchem sie Ihm und seiner gebenedeiten Mutter am 24. Dezember ausgemessen haben. Das hl. Evangelium erzählt, dass und warum Jesus, Maria und Joseph aus Bethlehem nach Ägypten geflohen sind; aber es berichtet uns nicht, dass Jesus oder Maria oder Joseph später noch ein einziges Mal nach Bethlehem gekommen sei, oder doch im Vorbeigehen einen Augenblick dort sich aufgehalten habe. Welch wichtige Lehre und ernste Mahnung ist dies! Die Bethlehemiten hätten allen Grund, sich zu schämen, und es heute noch zu bereuen, dass sie am 24. Dezember vor mehr als 1900 Jahren durch solche Rohheit sich selbst entehrt haben.

Dagegen berichtet der hl. Evangelist Matthäus, dass König Herodes, der eigene Landesfürst, eine kurze Zeit später in Bethlehem alle Knäblein von zwei Jahren und darunter nach der Zeit, die er von den Weisen erforscht hatte, ermorden ließ. Die Bethlehemiten haben ohne Zweifel, in ihrem furchtbaren Schmerz und Jammer über den Martertod ihrer Kinder, zum Gott ihrer Väter, zum Gott des Abraham, des Isaak und Jakob, um Erbarmen und Hilfe laut geschrien; sind aber ebenso wenig erhört worden, als sie selbst das Flehen Mariens und Josephs um Jesu willen erhört hatten! (siehe den Beitrag: König Herodes erschrickt als Gottloser)

Wenn jetzt ein Katholik aus Bosheit, aus Hartherzigkeit Hungernde, Nackte, Fremde, Kranke roh abweist, Unwissende nicht belehrt, Irrende nicht auf den rechten Weg führt, wie solches bei liederlichen Hausvätern, Vormündern, Gemeindevorstehern usw. da und dort vorkommt, so tut er an Jesus genau dasselbe, was die Bethlehemiten am 24. Dezember getan haben; aber er tut es mit vollem klaren Bewusstsein, weil er aus dem Mund Jesu oft und deutlich genug die Lehre gehört:

„Was ihr einem dieser meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr Mir getan“ (Matth. 25, 40). Denke daran, da es noch Zeit ist! –
aus: P. Otto Bitschnau OSB, Maria unsere Mutter. Betrachtungen und Erwägungen, 1910, S. 265 – S. 268

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