Dreifaltigkeit Gottes: Was ist der Heilige Geist?
Die dritte Person der Gottheit
Unser Herr und Heiland Jesus Christus redete vom Heiligen Geist, wie Er redete von Gott dem Vater und Gott dem Sohne – d. h. als einer göttlichen Person (1).
Der Name „Heiliger Geist“ ist der Eigenname der dritten Person der Allerheiligsten Dreifaltigkeit, also einer göttlichen Person, welche ein und dieselbe Natur und Wesenheit mit dem Vater und dem Sohne hat.
Nach dem hl. Augustinus wird die dritte Person der Gottheit „Heiliger Geist“ genannt, weil Er den beiden anderen göttlichen Personen gemeinsam ist, insofern Er vom Vater und dem Sohne ausgeht, und Er eben darum als Eigenname dasjenige annehmen kann, was jenen Beiden zugleich zukommt. (2) Nun ist der Vater ein Geist, und der Sohn ist ein Geist; ebenso ist der Vater heilig, und der Sohn ist heilig.
Ein anderer Grund für diese Benennung der dritten göttlichen Person ist folgender: Das Wort „Geist“ hat in allen Sprachen die Bedeutung einer bewegenden, treibenden Kraft. Nun ist der Heilige Geist die Liebe des Vaters und des Sohnes. Der Liebe aber ist es eigen, zu bewegen und den Willen des Liebenden zu dem geliebten Gegenstand hinzulenken. Auf der andern Seite legen wir die Eigenschaft der Heiligkeit jedem Ding bei, welches auf Gott als sein letztes Ziel gerichtet ist. Nun ist der Heilige Geist jene göttliche Person, welche hervorgeht durch die Liebe, durch welche Gott sich Selbst liebt. Somit verdient Er den Namen „Heiliger Geist“. (3)
Der Heilige Geist ist wahrhaft eine göttliche Person, die sich unterscheidet von den beiden anderen, welche der Vater und der Sohn sind; Er geht aus Beiden hervor. Der Heilige Geist ist nicht erschaffen, nicht gezeugt, sondern von aller Ewigkeit her ist Er hervorgegangen (4) aus dem Vater und dem Sohne. (5)
Die Liebe ist sein Eigenname. (6)
Man nennt Ihn auch die „Liebe“. Das Wort „Liebe“, im persönlichen Sinne gebraucht, ist der Eigenname des Heiligen Geistes, wie der Name „Wort“ Eigenname für den Sohn Gottes ist. Bei der Allerheiligsten Dreifaltigkeit gibt es eine doppelte Art und Weise, wie eine göttliche Person von der andern ihren Ursprung nimmt. Die erste Art ist derjenige Ursprung, welcher durch das Erkennen vor sich geht, und das ist die Ursprungsweise des Sohnes, des „Wortes“; die andere Art des Ursprunges, welche durch das Wollen zu Stande kommt, ist der Ursprung der „Liebe“ (7), der dritten Person der Gottheit – des Heiligen Geistes. (8)
Man bezeichnet den Heiligen Geist auch mit dem Namen: die „Gabe“. Eine göttliche Person kann sich einer vernünftigen Kreatur mitteilen, sie kann sich schenke; da jedoch kein Geschöpf diese Gnadenerweisung verdienen kann, so ist dieselbe eine umsonst verliehene Gabe. Nun kann aber eine umsonst verliehene Gabe nur aus Liebe geschenkt werden, und das Erste, was man schenkt, ist offenbar die Liebe, durch die man wohl will. Die Liebe ist also das erste Geschenk, die erste Gabe, durch welche alle übrigen umsonst verliehenen Gaben geschenkt werden. Da nun der Heilige Geist vom Vater und Sohne ausgeht als Liebe, so geht Er auch hervor als erste „Gabe“. Durch diese Gabe, welche der Heilige Geist ist, sagt der hl. Augustinus, kommen all` die vielen Gaben, welche der liebe Gott den Gliedern Jesu Christi austeilt. (9)
Anmutung
O, was werde ich hinfür empfinden, wenn ich bete:
„Komm, Schöpfer Geist“ –
„Der Du der Tröster wirst genannt,
Und ein Geschenk aus Gottes Hand!“ (10)
Ja, komm, o Heiliger Geist, Du ganz besonders bist „des Allerhöchstens Gabe“!
Der Paraklet
Der Heilige Geist wird von Jesus Christus auch der „Paraklet“, d. h. Tröster genannt (11) Der hl. Athanasius bemerkt, daß das Alte Testament diesen Namen dem Heiligen Geist nie beigelegt habe. Der Grund hiervon ist enthalten in den Worten des göttlichen Meisters: „Wenn Ich nicht weg gehe, so wird der Tröster nicht zu euch kommen; wenn Ich aber weg gehe, so werde Ich Ihn euch senden.“ (12) Die leibliche Gegenwart Jesu Christi mitten unter den Seinigen war ohne Zweifel für sie ein großer Trost (13); aber der innere Trost, welchen der Heilige Geist den Seelen der Gerechten spendet, steht sehr hoch über jenem fühlbaren Glück, welches die Apostel verkosteten. Eben darum sagte der göttliche Heiland: „Es ist gut für euch, daß Ich weg gehe.“ (14)
Anmutung
Nun fange ich an zu begreifen, daß ich über große Dinge und wichtige Wahrheiten belehrt werden muss, die ein Ausfluss und eine Folge dieser ersten Hauptsätze sind. Und schon freue ich mich, daß viele Worte des Evangeliums vermittelst einer gründlichen Belehrung über den Heiligen Geist helle Lichtstrahlen in meinem dunklen Verstand verbreiten werden.
Ja, ich sehe klar, warum unser Heiland Jesus Christus gesagt hat: „Taufet alle Völker im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes!“ (15) Ich begreife, warum der Heilige Geist genannt wird „der Geist Jesu Christi“ (16) und ferner „der Geist, der ausgeht vom Vater“ (17). Der Heilige Geist, der vom Vater und Sohne ausgeht, ist ihre gegenseitige Liebe, die Liebe von Ein und derselben Wesenheit, die göttliche Liebe, welche Gott selbst ist. (18) – Er ist die gemeinsame und gegenseitige Gabe des Vaters und des Sohnes, ihr Band, ihre gemeinsame Vereinigung, in welcher die Fruchtbarkeit und alle Wesenswirkungen der Allerheiligsten Dreifaltigkeit ihren Grund haben.
O, wie sehr wünsche ich all` dasjenige zu erfahren, was der Heilige Geist gerne für mich sein möchte, alles, was Er in mir oder durch mich wirken will! Du selbst wirst mir das alles sagen, o göttlicher Geist, Du wirst mein Meister und mein Lehrer sein, Du wirst die unaussprechlich großen Schätze aufdecken, welche die Lehre unserer heiligen Kirche in sich birgt, wenn sie von dem Werk der Gnade, der Heiligkeit und der Liebe des Heiligen Geistes handelt!
O, wie glücklich fühle ich mich in diesem Augenblick, als ein Kind der katholischen Kirche beten zu können:
„Ich glaube – an den heiligen Geist. Den Herrn und Lebendigmacher, der vom Vater und dem Sohne ausgeht; der mit dem Vater und dem Sohne zugleich angebetet und verherrlicht wird, der durch die Propheten geredet hat.“ (19)
Anmerkungen zu: Die dritte Person der Gottheit
1) Vgl. Matth. 28,19: „Gehet hin, lehret alle Völker und taufet sie im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes!“– Joh. 14,26: Der Tröster aber, der Heilige Geist, den der Vater in Meinem Namen senden wird, der wird euch alles lehren.“
(2) Vgl. Thomas Aq. I. qu. 36. art. 1 (Vgl. Aug. De Trin. Lib. XV. Cap. 17)
(3) Ein dritter Grund für diesen Namen liegt darin, daß Er das geistige Leben in unser Herz eingießt, und wir ohne Seinen heiligen Anhauch kein übernatürlich gutes und verdienstliches Werk vollbringen können (Catech. Rom. p.1. c. IX. qu. 3): daß Er uns heilig und geistig macht.
(4) Spiritus Sanctus a Patre et Filio noch factus. Nec creatus, nec genitus, sed procedens. (Symbol. Athanas.)
(5) Als von einem einzigen Ursprung.
(6) Statt „Heiliger Geist“ heißt Er auch „Geist Gottes“ (Röm. 8,9; 1. Kor. 2,10 u. 11; 1. Joh. 4, 12-13), „Geist aus Gott“ (1. Kor. 2,12); Geist des Vaters (Matth. 10,20 – während in den Parallelstellen Mark. 13,11 und Luk. 12,12 „Heiliger Geist steht), „Geist des Sohnes“ (Gal. 4,6), „Geist Christi“ (Röm. 8,9; 1. Petr. 1,11), „Geist Jesu Christi“ (Phil. 1,19), „Geist des Herrn“ (2. Kor. 3,17). – In diesen Stellen liegt der Ausgang des Heiligen Geistes von Gott dem Vater und dem Sohne ausgesprochen.
(7) Die Liebe ist der erste und vorzüglichste Willensakt.
(8) Vgl. Thom. Aq. I. qu. 37, art. 1.
(9) Vgl. Thom. Aq. I. qu. 38, art.2
(10) Veni Creator Spiritus – Altissimi donum Dei!
(11) Vgl. Joh. 14,26: „Der Tröster aber, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird euch Alles lehren, und euch Alles in Erinnerung bringen, was Ich euch gesagt habe.“
(12) Joh. 16,17
(13) Vgl. Joh. 14,16: „Ich werde den Vater bitten, und einen andern Tröster wird Er euch geben, damit Er bei euch bleibe in Ewigkeit.“
(14) Joh. 16,7
(15) Matth. 28,19
(16) Röm. 8,9; Phil. 1,19
(17) Joh. 15,26
(18) Vgl. 1. Joh. 4,8: Wer nicht liebt, der kennt Gott nicht: denn Gott ist die Liebe.“
(19) Credo – Symbol. Nic.-Const. – Credo der hl. Messe
Erster Punkt.
Die Tätigkeit des Heiligen Geistes bei den Werken Gottes
Die heiligen Schriftsteller weisen beständig auf die Tätigkeit des Heiligen Geistes bei den Werken Gottes, des Schöpfers, hin. (1) Und ganz gewiß, da der liebe Gott stets mit Weisheit und Liebe handelt, ist der Geist der Weisheit und Liebe der Urgrund aller göttlichen Taten, Er steht sowohl allen Plänen vor, welche die Gottheit faßt, als auch deren wundervollen Ausführung.
Der Heilige Geist ist der Urgrund der Schönheit der sichtbaren Geschöpfe. Der fromme Job ruft aus:
„Der Geist des Herrn hat ausgeschmückt die Himmel.“ (2)
Denselben Gedanken drückt David aus, wenn er sagt:
„Durch`s Wort des Herrn sind fest gemacht die Himmel,
Durch Seines Mundes Hauch all` ihre Zier.“ (3)
So sehen wir einerseits, daß Gott der Herr Alles gemacht hat durch Sein Wort (4); andererseits, daß Er Alles erschaffen hat durch Seinen Geist. Diese Beiden, Wort und Geist, sind also – wie Tertullian sagt – gleichsam die beiden Hände der Gottheit. (5)
Seine Wirkungen
Was ist aber zu halten von den Wirkungen des Heiligen Geistes und Seiner eigentlichen Tat in der Welt der Geister? Ohne Zweifel hat der liebe Gott die Geister der Engel und der Menschen erschaffen, damit sie mit Ihm vereint seien durch Erkenntnis und Liebe; aber gerade durch den Heiligen Geist wohnte Gott in diesen Geistern und teilte Er ihnen zugleich mit den Lichtstrahlen der Wahrheit die Gefühle aller Tugenden mit. Indem diese Geister auf solche Weise mit dem Heiligen Geist vereint waren, waren sie heilig und – wie der hl. Gregor sagt – von vollkommener Schönheit.
Nun geschah es, daß Gott seinen Geist jenen Geistern entzog, welche sich gegen die unumschränkte Majestät aufgelehnt hatten. Indem die bösen Engel durch den Stolz sich vom heiligmachenden Geist trennten, verloren sie die Heiligkeit, die sie nicht wieder erlangen sollten. Auch Adam hatte sie durch seine Sünde für sich und seine Nachkommenschaft verloren.
Der liebe Gott aber wollte in irgend einer Weise das Wunder einer neuen Schöpfung auf dem Gebiet des Geistes wirken, und Er verkündete durch Seine Propheten während viertausend Jahren, daß Er der Welt Seinen heiligmachenden Geist senden werde. Jesus Christus erneuerte diese Verheißung während Seines Erdenlebens; Er erfüllte sie nach Seiner Himmelfahrt. Der Heilige Geist kam herab – und eine neue Welt ward geschaffen.
So erfüllte sich die wundervolle Weissagung des königlichen Propheten:
„Wegnehmen wirst Du ihren Geist -: sie schwinden hin
Und kehren in den Staub zurück;
Entsenden wirst Du Deinen Geist -: sie werden neu geschaffen,
Und Du erneuerst das Angesicht der Erde!“ (6)
Dieses Wunderwerk einer neuen Schöpfung auf geistigem Gebiet setzt der liebe Gott fort und vollbringt dasselbe in jedem Augenblick durch den Dienst des Priesters. Auf diese Weise stellt Er die Verbindung her, die Er mit dem Menschen einzugehen geschworen hat.
Anmutung
O herrliche, o wunderbare Schöpfung! Ich bin tagtäglich ihr glücklicher Zeuge, und ich denke nicht an sie! Was sage ich? Ich bin sogar vielleicht öfters der Gegenstand derselben gewesen, denn es ist in der Macht des Menschen gelegen, das zu vernichten, was der Heilige Geist zu wiederholten Malen in einer Seele erschafft. Und ich beschäftige mich so wenig damit, daß man glauben könnte, ich stehe diesen Wundern der Geisterwelt ganz fremd gegenüber, wiewohl ich doch derselben anzugehören das Glück habe!
Neuerschaffung durch die hl. Taufe
Aber wie vollzieht sich diese Schöpfung? Der heilige Augustinus sagt: „Nicht ohne Grund spricht der Prophet zuerst von einer Austilgung unseres Geistes, und dann erst von der Mitteilung des Geistes Gottes, indem er sagt: „Du nimmst hinweg ihren Geist – und du gibst ihnen Deinen Geist -: Du wirst den Stolz von ihnen nehmen, sie werden sich demütigen, sie werden zurückkehren in den Staub ihres Nichts, sie werden sich für nichts achten in Deiner Gegenwart: alsdann wirst Du ihnen Deinen Geist mitteilen und wirst sie ganz erneuern.“
Das ist der Gedanke der heiligen Kirche. Sie beschwört den Heiligen Geist, uns von Neuem zu schaffen, zu erneuern diese Erde, die beschmutzt ist durch die Sünde; sie bittet, daß das Feuer der göttlichen Liebe an die Stelle des sträflichen Feuers unserer Begierlichkeit trete.
Diejenigen also werden auch zu neuen Kreaturen werden, ganz und gar erneuert durch die Taufe im Heiligen Geist, welche aufrichtig gewillt sind, auf ihren eigenen Geist zu verzichten.
Leider nimmt in sehr vielen Seelen der Menschengeist den Platz des Geistes Gottes ein! Werde ich einwilligen in eine gänzliche Ablegung meines Geistes, um den Geist Gottes zu empfangen und nur noch durch Ihn zu leben? – –
Nein, man will es nicht verstehen, man verschließt der Wahrheit das Ohr. Gerade das ist es, was die Seelen ins Verderben bringt! Sie sind voll von ihrem eigenen Geiste, sie leben vom Leben ihres Geistes, und da der Geist des Menschen, der sich dem Bösen überliefert hat, ein Feind des Geistes Gottes ist, so stoßen diese armen Seelen, indem sie sich nicht dazu verstehen, ihren Geist abzulegen, den Geist Gottes von sich, entfernen denselben und hindern Ihn, den neuen Menschen zu schaffen, bekleidet mit Gerechtigkeit und Heiligkeit.
Anmutung
O mein Gott, möge ich nicht einer von diesen Unglücklichen! Nein, in der ganzen Aufrichtigkeit meines Herzens sage ich Dir: Nie mehr will dem Heiligen Geist den geringsten Widerstand leisten! Komm, o Heiliger Geist, komm zurück in dieses Herz, das für Dich geschaffen ist, und das Du ehedem besessen hast: besuche es von Neuem, und entferne Dich nie wieder von ihm!
Anmerkungen zu: Die Tätigkeit des Heiligen Geistes bei den Werken Gottes
(1) Vgl. Gen. 1,2: „Finsternis war über dem Abgrund, und der Geist Gottes schwebte über den Wassern. (D. h. Er waltete dort mit Seinem allmächtigen Schöpferwillen.
(2) Job 26,13: Spiritus ejus ornavit coelos.
(3) Ps. 32,6: Verbo Domini coeli firmati sunt, et spiritu ejus omnis virtus eorum.
(4) Vgl. Joh. 1,3: „Alles ist durch Dasselbe geworden, und ohne Dasselbe ist nichts geworden, was geworden ist.“ – vers. 10: „In der Welt war Es, und die Welt is durch Dasselbe geworden.“
(5) Alle Werke Gottes nach Außen sind den drei göttlichen Personen gemeinsam, doch einer jeden derselben in anderer Weise. So wird die Schöpfung hauptsächlich dem Vater zugeschrieben, weil sich in ihr ganz besonders die göttliche Allmach offenbart. Der Sohn war mit tätig, sofern sich dabei auch die göttliche Weisheit enthüllte; und der Heilige Geist hatte an der Schöpfung Teil, insofern sich in derselben das göttliche Leben und die göttliche Liebe kund gab, durch welche Alles im Einzelnen ausgeführt, belebt, vollendet und besiegelt ward.
(6) Ps. 103,29-30: Auferes spiritum eorum, et deficient, et in pulverem suum revertentur. Emittes spiritum tuum, et creabuntur, et renovabis faciem tarrae.
Zweiter Punkt
Der Heilige Geist bei der Erlösung
Die Ankündigung im Alten Bund
Der liebe Gott wollte die Ankunft Seines Sohnes in der Welt während viertausend Jahren vorbereiten. In der Geschichte der Jahrhunderte, welche der Menschwerdung des Wortes voran gingen, hat Alles Bezug auf dieses große Geheimnis. Gerade damals erschienen die Propheten in der Mitte Israels, um die erstaunenswerten Wunder anzukündigen, welche in der durch Gottes Ratschluss festgesetzten Zeit die unendliche Barmherzigkeit kund machen sollten, die da den Geschicken des Menschen vorsteht.
Wer war es aber, der in den alten Zeiten vom Messias, von Seinem Leben und Sterben,Seinen Triumphen und Siegen gesprochen? Wer hat Ihn kenntlich gemacht durch so handgreifliche Züge der Wahrheit, daß man versucht ist, Isaias und David die Evangelisten des Alten Testamentes zu nennen? Es war der Heilige Geist. Die Kirche hat es laut verkündet; sie hat diese Wahrheit unter die ersten Glaubensartikel gesetzt: „Der durch die Propheten geredet hat.“
„Der Heilige Geist hat mich gesandt“, rief des Sohn des Amos aus (1); und schon David hatte diese Worte geschrieben: „Der Geist des Herrn spricht durch mich, und Sein Wort ist auf meiner Zunge.“ (2)
Als der Patriarch Abraham im Übermaß der Freude aufjubelte und aus der Ferne her den Tag der Menschwerdung begrüßte, da erfüllte der Heilige Geist seine Seele und deckte dem Vater der Gläubigen die unzähligen Reichtümer auf, welche der Ersehnte der Nationen dereinst der Welt bringen sollte.
Die Erfüllung im Neuen Bund
Doch der Augenblick kommt heran: Gott wird erscheinen; eine neue Welt wird bald einen neuen Herrscher begrüßen. Das „Wort“ wird Sich einkleiden in die Natur des Menschen. Nun ist der Heilige Geist gewissermaßen beauftragt, dieses unaussprechliche Geheimnis zu erfüllen.
Eine Jungfrau ist empfangen ohne Makel, und der Heilige Geist bereitet ihre Seele und ihren Leib, um die würdige Wohnung des Gottessohnes daraus zu machen. Der Heilige Geist läßt Maria den Vorzug der Jungfräulichkeit erkennen und flößt ihr den Willen ein, sich ihrem Gott zu weihen von zartester Kindheit an: eine Weihe, nach dem hl. Ambrosius, notwendig, damit ein Gott von einem Weibe geboren würde.
Nun brauche ich nur das Evangelium aufzuschlagen, und ich sehe klar die Wahrheit, daß der Heilige Geist der unmittelbare Urheber der heiligen Menschheit Jesu Christi ist. „Der Heilige Geist“ – sagte Gabriel – „wird über Dich kommen, und die Kraft des Allerhöchsten wird Dich überschatten.“ (3)
Dieser Geist der Gnade, der Heiligung und der Liebe, welcher die Seele, das Herz und den Leib Mariens bereitete, ist der nämliche Geist, welcher die Seele des göttlichen Heilandes erschafft, und Sein anbetungswürdiges Fleisch aus dem reinsten Blut der „Königin der Jungfrauen“ bildet.
Durch alle Jahrhunderte hindurch rief die heilige Kirche aus von Jesus Christus: „Er ward empfangen durch Wirkung der Heiligen Geistes.“ (4)
Die Menschwerdung ist Sein Werk
Stets wurde das erhabene und tiefe Geheimnis der Menschwerdung das ganz besondere Werk des Heiligen Geistes genannt. Wenn man jemals sagen konnte: „Hier ist der Finger Gottes“ (5), so gewiß dann, wenn man einen menschgewordenen Gott betrachtet. Ja wohl, der Heilige Geist ist der Finger Gottes: „Digitus Paternae dexterae“ – „Du Finger Gottes rechter Hand!“ (6) Ein so erstaunenswertes Wunder konnte nur von Ihm kommen.
Die Menschwerdung ist das große Geheimnis der Liebe, der unendlichen Liebe Gottes gegen Sein armes Geschöpf. Die Menschwerdung ist die vollkommene Gnade, das Geschenk im ganz besonderen Sinne. So ist also der Heilige Geist der unmittelbare Urheber dieser Liebe, Er ist der große Geber: durch Ihn teilt Sich Gott dem Menschen mit. Der Heilige Geist ist also der Urheber der Menschwerdung.
Hier muss ich aber auch das Zeugnis Jesu Christi Selbst anführen. Ich höre Ihn ausrufen: „Der Geist des Herrn ist über Mir, darum hat er Mich gesalbt.“ (7) Ja, der Heilige Geist ist es, der Jesu Christo die Salbung und priesterliche Weihe erteilt hat, als im Augenblick der Menschwerdung die menschliche Natur, mit dem Wort zu einer Person vereinigt, mit der Gottheit Selbst gesalbt und durch sie geweiht ward zum ewigen Priestertum.
Alle Taten Jesu Christi, alle Seine Predigten, alle Seine Wunder, Sein Opfer, Sein Tod, Seine Auferstehung, Seine Himmelfahrt haben somit zu ihrem Urgrund den über Ihn ausgegossenen Heiligen Geist. Daher kam am Tage Seiner Taufe, als Er die Laufbahn Seiner apostolischen Wirksamkeit eröffnete, der Heilige Geist sichtbar vom Himmel herab, um auf ihm zu ruhen. (8) So musste es geschehen, auf daß alle Menschen erkännten, daß der Heilige Geist es war, der durch den Mund Jesu Christi redete.
Anmutung
Ich wußte bereits, o mein Gott, daß viele Gnaden und Segnungen, die über mich ausgegossen wurden, mich mit Dankbarkeit und Liebe gegen den Heiligen Geist erfüllen müssen. Aber das gestehe ich, hatte nie so recht über diese große Wahrheit nachgedacht: Jesum Christum verdanke ich dem Heiligen Geist, das lehrt mich der Glaube. Jesus Christus ist das Geschenk, das mir der der Heilige Geist gemacht hat! … O, wer vermag zu sagen, wie viel Erleuchtung in den kurzen Worten enthalten ist: „Qui conceptus est de Spiritu Sancto“ – „Der empfangen ist vom Heiligen Geist“? … Man spricht gar oft diese Worte aus, man singt sie: wer versteht sie? Wer betrachtet sie? Wer findet Geschmack an ihnen? Nur derjenige, dem der Heilige Geist sie erklärt. Ich wünsche, ich erbitte diese Gnade für mich, o göttlicher Geist! Schlage mir dieselbe nicht ab! Laß mich begreifen, was ich Dir zu verdanken habe, nachdem ich von Dir Jesum Christum erhielt! Dann werde ich Dich mit heißer Inbrunst lieben, und meine Seele wird nur noch einen Wunsch haben: sich ganz und auf immer zu verlieren in dem Ozean Deiner Liebe!
Anmerkungen zu: Der Heilige Geist bei der Erlösung
(1) Is. 48,16: Dominus Deus misit me et Spiritus ejus.
(2) 2. Sam. 23,22: Spiritus Domini locutus est per me et sermo ejus per linguam meam.
(3) Luk. 1,35
(4) Qui conceptus est de Spiritu sancto. (Credo)
(5) Vgl. Exod. 8,19: „Da sagten die Zauberer zu Pharao: Das ist der Finger Gottes!“
(6) Vgl. Veni Creator Spiritus.
(7) Luk. 4,18: Spiritus Domini super me: propter quod unxit me, evangelizare pauperibus misit me, sanare contritos cord.
(8) Vgl. Mark. 1,10: Und indem Er sogleich aus dem Wasser heraufstieg, sah Er den Himmel offen und den Geist gleich einer Taube herabsteigen und auf Ihm bleiben.“
Dritter Punkt
Er ist Urheber aller Güter für die Heiligung der Seelen
Er ist die Seele der Kirche
Der Heilige Geist ist die Seele der ganzen Kirche! (1) er ist es, der alle Gläubigen unter einander, und diese mit den rechtmäßigen Hirten vereinigt, um aus ihnen Glieder eines und desselben Leibes zu machen. Er ist der Urgrund und Quelle aller Gnaden und aller Gaben, die zur Leitung, Erhaltung, und zum glücklichen Gedeihen der Kirche dienen. Der hl. Paulus schreibt Ihm zu die Weisheit und die Wissenschaft, den Glauben, die Macht, Wunder zu wirken, die Gabe der Prophetie, der Unterscheidung der Geister, die Gabe, in verschiedenen Sprachen zu reden, die Gnade der Heilungen und die Erklärung der Reden. (2)
Alles ist der Kirche gegeben worden zur Heiligung der Auserwählten Gottes, und der Heilige Geist ist der Urheber aller Güter, welche die Kirche besitzt. Er erhält dieselben, Er macht sie nützlich für die Seelen, Er bewirkt, daß sie Frucht bringen.
Der Heilige Geist öffnet die Türe, durch die wir in die Kirche eintreten als Seine Kinder. Durch Ihn sind wir getauft.
Der Heilige Geist redet, belehrt und rührt die Herzen durch das Predigeramt, das den Priestern anvertraut ist. Er ist der höchste Lehrer der Seelen.
Der Heilige Geist führt den Vorsitz bei den Kirchen Versammlungen und diktiert ihre Entscheidungen über Glauben und Sitten und die kirchliche Disziplin. „Der Heilige Geist ist es“, – wie uns der hl. Johannes sagt, – „der bezeugt, daß Jesus Christus die Wahrheit ist.“ (3) Auch wenn die Kirche redet, spricht sie wohl überlegt: „Es hat dem Heiligen Geist und uns gefallen.“ (4)
Also alles Licht und alle Heiligkeit, welche die Kirche zur Erbauung des mystischen Leibes Jesu Christi besitzt, muss dem Heiligen Geist zugeschrieben werden.
Anmutung
Wenn ich nunmehr an der Hand der heiligen Schrift die wundervollen Gaben betrachte, die alle Seelen durch den Heiligen Geist empfangen, so finde ich diese Wahrheiten ebenso tröstlich, wie sie ehrenvoll für mich sind.
Die Wiedergeburt durch den Hl. Geist
Der heilige Geist erzeugt den Menschen gleichsam zum zweiten Male, Er heiligt ihn und teilt ihm eine Gerechtigkeit und Heiligkeit mit, die sich fest mit ihm vereinigen. Er befreit die Seele von der Knechtschaft der Sinne. Er macht den Menschen zum Kinde Gottes, zum Erben Gottes, zum lebendigen Glied Jesu Christi. Er wohnt im Menschen wie in Seinem Tempel. Er wird sein Führer und läßt ihn handeln durch Seine Anregung. Er flößt ihm den Geschmack an geistigen und ewigen Gütern ein. Er erfüllt ihn mit Mut, um Jesum Christum vor den Menschen zu bekennen. Er tröstet ihn in seinen Widerwärtigkeiten; Er läßt ihn siegen über den Tod.
Der Heilige Geist stellt im Menschen das Ebenbild Gottes wieder her und läßt ihn teilnehmen an den göttlichen Vollkommenheiten.
Der Heilige Geist wirkt ein auf unser ganzes Wesen und auf alle unsere Seelenvermögen. Er wirkt ein auf unsern Verstand, den Er mit Licht erfüllt, indem Er ihm die Erkenntnis der Wahrheit mitteilt und indem Er ihn erhebt zur Betrachtung der göttlichen Vollkommenheiten und der höchsten Geheimnisse. Der Heilige Geist wirkt ein auf unser Gedächtnis, indem Er ihm alle Glaubenswahrheiten vergegenwärtigt. Er übt Seinen mächtigen Einfluß aus auf unsern Willen, indem Er ihn die Werke hervorbringen läßt, welche der große Apostel „die Früchte des Heiligen Geistes“ nennt, weil man dieselben mit so großer Leichtigkeit vollbringt. Er bringt die religiösen Gefühle hervor, die rein und dauerhaft sind, als da sind: das Gebet, die Freude und der Friede. Endlich läßt Er die christlichen Tugenden üben auf eine so vollkommene Weise, daß man sie „Seligkeiten“ (5) nennt, weil sie uns sehr glücklich machen – schon in diesem Leben.
Selbst unser Leib ist geheiligt durch den göttlichen Geist, da ja Er es ist, der die Begierlichkeit schwächt und zur Unsterblichkeit uns vorbereitet.
Die Mittel dargeboten in der hl. Kirche
Die Mittel, um zur Teilnahme an all` diesen Gütern zu gelangen, werden uns dargeboten in der heiligen Kirche. In der Taufe heiligt uns der Heilige Geist, indem Er die Gnade in unsere Seele ausgießt, indem Er aus unsern Herzen einen heiligen Tempel macht den Er selbst bewohnen will. Durch die Firmung stärkt uns der Heilige Geist wider die Feinde unseres Heiles und läßt uns den Sieg davontragen. Am Tische des Herrn gibt der Heilige Geist uns den Geschmack für dieses Brot, das vom Himmel herabgekommen, und dazu bestimmt ist, uns rein wie Engel zu machen. In dem heiligen Bußgericht rührt Er uns, durchdringt uns mit heilsamer Reue und erschafft in uns jenes zerknirschte und demütige Herz, dem der liebe Gott niemals widersteht. Die christlichen Brautleute empfangen am Fuße des Altars mit dem heiligen Sakrament der Ehe jenen geist der Eintracht, der vom Himmel kommt, und dessen Urheber der Heilige Geist ist. Auf dem Sterbebett wird der Gläubige losgelöst von der Erde, gereinigt von den geringsten Makeln, und gestärkt gegen die Schrecknisse des Grabes – : Das geschieht durch den Heiligen Geist, der im Sakrament der letzten Ölung mitgeteilt wird. Wenn endlich Gott der Vater Seine Kirchendiener erwählt hat, wenn Gott der Sohn sie weiht und ihnen einen Auftrag gibt ähnlich jenem, der Er Selbst empfangen, dann entzündet der Heilige Geist die Herzen der Priester und verspricht, durch ihren Mund zu reden. Fügen wir noch hinzu, wenn die Jungfrau, die der vorzüglichsten Gnade treu ist, in Vereinigung mit Maria zum Altar kommt, um ohne Teilung ihrem himmlischen Bräutigam Alles, was sie besitzt, zu schenken, dann nimmt der Heilige Geist sie an der Hand und vollendet ihre Vereinigung mit Jesus!
Anmutung
Nun, ziemt es sich, daß ich mich recht oft mit dem heiligen Geist beschäftige? Oder ist es nicht etwas höchst Beklagenswertes, sehr viele Seelen zu sehen, die nie vom Heiligen geist reden, die Ihn nicht kennen? –
Ach, Herr, ich selbst bin von Scham bedeckt! Wie habe ich so oft meine Pflichten gegen den Heiligen Geist vergessen können? Ich habe so lange es unterlassen können, Ihm den Tribut meiner Erkenntlichkeit und Liebe zu bringen! Diese Unordnung wird heute aufhören: Nein, nimmermehr werde ich den Heiligen Geist nachlässig behandeln; ich will Ihn kennen und lieben, will unaufhörlich zu Ihm beten und Ihn herabrufen, will Ihn in mich herabziehen mit allen Mitteln, die Er selbst mir einzuflößen geruht -: ich habe es gesagt, ich werde damit anfangen von diesem Augenblicke an! (6)
Anmerkungen zu: Der Heilige Geist bei der Heiligung der Seelen
(1) Cyrillus Hierosol.
(2) Vgl. 1. Kor. 12,7-11: „Einem Jeglichen aber wird die Offenbarung des Geistes gegeben zum Nutzen. Dem einen wird durch den Geist gegeben die Rede der Weisheit, einem Andern aber die Rede der Wissenschaft nach demselben Geiste; einem Andern Glaube in demselben Geiste, einem Andern Gnade zu Heilungen im demselben Geiste, einem Andern Wirkung von Wunderkräften, einem Andern Weissagung, einem Andern Unterscheidung der Geister, einem Andern Sprachen-Arten, einem Andern Auslegung von Reden. All` dieses aber wirket ein und derselbe Geist, zuteilend einem Jeden, so wie Er will.“
(3) Vgl. 1. Joh. 5,6
(4) Vgl. Act. 15,28
(5) Vgl. Matth. 5,3-10
(6) Vgl. Ps. 76,11: Es dixit: Nunc coepi! –
aus: F. X. Coulin, Apostol. Missionar und Ehrendomherr von Marseille, Der Heilige Geist Betrachtungen, 1881, S. 1 – S. 23