Übernatürliche Schöpfung durch den Hl Geist

Dritte Betrachtung

Die übernatürliche Schöpfung durch den Hl Geist

Der neue Mensch ist das Werk des hl. Geistes

Hinweis der Propheten

Schon in den Schriften der Propheten wird hingewiesen auf die Wunder des Neuen Testamentes, und tagtäglich ruft die Kirche in der Liturgie uns einen dieser erhabenen Aussprüche ins Gedächtnis, welche der Welt jene Werke der göttlichen Barmherzigkeit verkünden, die für die große Zeit der Menschwerdung aufbewahrt blieben. Wer sollte nicht von Bewunderung ergriffen sein, wenn er z.B. jene göttlichen Zeilen liest, welche dem königlichen Propheten vom Heiligen Geist diktiert wurden, und in denen wir wie in einer voraus geschriebenen Geschichte Wunder sehen, welche auf das heilige Pfingstfest folgen sollen:

„Entsenden wirst Du Deinen Geist -:
sie werden neu geschaffen;
Und Du erneust das Angesicht der Erde!“ (1)

Die Erneuerung der Schöpfung

Merk` dir`s wohl: Da die Welt schon da ist, so ist die Schöpfung, von welcher der Prophet spricht, nur eine Erneuerung; aber diese Erneuerung ist doch eine so außerordentliche Tat, daß sie nach Gottes Auffassung gleichsam eine neue Schöpfung ist. Offenbar handelt es sich hier um eine große Tat, eine Tat, die einzig da steht in der Weltgeschichte, eine übernatürliche Tat, welche der Sendung des Heiligen Geistes zuzuschreiben ist, denn es heißt: „Entsenden wirst Du Deinen Geist!“ Und diese Tat besteht in der Umbildung des Menschen in ein übernatürliches Geschöpf, welches geistig ist durch seine Gedanken, seine Sprache und seine Sitten; sie besteht in der Erschaffung eines neuen Volkes, das „gestern dieses Volk nicht war und heute dieses Volk geworden ist“, wie der Apostelfürst versichert. (2)
Welch` eine erstaunliche Umwälzung sah also der Prophet in der Folge der Jahrhunderte, eine Umwälzung, die er eine „Schöpfung“, eine „Erneuerung der ganzen Erde“ nennt. Ich kenne jetzt die Macht dieses wunderbaren Ausspruches. Hier ist die übernatürliche Ordnung, die Ordnung der Gnade, die gesetzt ist an die Stelle der Ordnung der Natur. Der Heiland ist gekommen, um zum Heil des Menschen dieses unschätzbar große Gut zu verdienen; und der Heilige Geist, der gesandt ist, die Verdienste Jesu Christi den mit Seinem Blut wieder erkauften Seelen zuzuwenden, wird diese Welt neu erschaffen, wird „erneuern das Angesicht der Erde“. Wer kann die Größe und die Tragweite dieser Wohltat aussprechen? Wer kann die Erhabenheit dieser Gnade würdig schildern?

Anmutung

O, wenn ich dazu käme, sie recht zu schätzen, meine Seele wäre durchdrungen von Dankbarkeit und Liebe; all ihr Ehrgeiz würde sich auf dieses ganz vorzügliche Gut Gottes richten, und nichts würde ihr würdig erscheinen, verglichen zu werden mit dem Besitz des Heiligen Geistes! O mein Gott, rede zu meinem Herzen, belehre mich über diese Wahrheit, deren Kenntnis für mich der Anfang zu ganz besonderer Heiligkeit werden kann!

Anmerkungen zu: Der neue Mensch

(1) Ps. 103,30 Emittes Spiritum tuum, et creabuntur; et renovabis faciem terrae.
(2) Vgl. 1. Petr. 2,10: Qui aliquando non populus, nunc autem populus Dei.

 

Erster Punkt

Wie sich die Umbildung durch den Heiligen Geist vollzieht

Der irdische Mensch

Die menschliche Seele kommt in diese Welt mit dem, was sie von Adam hat; als Erbin ihres Vaters hat sie gar kein Recht auf die Güter, welche dieser verloren hatte, deren er beraubt worden war durch seine Auflehnung gegen Gott. Alle Güter, welche diese Seele besitzt, gehren der Ordnung der Natur an; Alles in ihr wird nur natürlich sein. Der hl. Paulus macht uns darauf aufmerksam mit diesen Worten: „Da der erste Mensch von der Erde kommt, ist er irdisch.“ (1) Mit diesen natürlichen, irdischen Gütern würde der Mensch nie zum Besitz Gottes gelangen. Dies ist ein Hauptgrundsatz, dessen Leugnung dem heiligen Glauben zuwider ist.

Der neue Mensch

Doch siehe, es kommt die göttliche Barmherzigkeit! An Stelle des ersten Menschen, der von der Erde stammte, und wegen dieses seines Ursprunges ganz irdisch war, wollte der liebe Gott einen neuen Menschen setzen, der geschaffen werden sollte in Gerechtigkeit und Heiligkeit. Dieser neue Mensch nun – sagt der hl. Paulus – kommt vom Himmel, er ist himmlisch (2). Dieser neue Mensch wird das Werk des Heiligen Geistes sein; ebenso wie die heilige Menschheit Jesu Christi im Schoße der allerseligsten Jungfrau zu ihrem Urgrund nur die Kraft des Heiligen Geistes hatte, ebenso wird in der durch den Erlöser wieder erkauften menschlichen Seele eine neue geistige Kreatur nur durch dieselbe göttliche Kraft geschaffen. Der Heilige Geist wird der unendlich weise Werkmeister und bewunderungswürdigen Umbildung zu Stande bringt! Durch Ihn ist der Gottessohn ein wahres Kind Adams geworden; durch Ihn können alle Adamskinder Söhne Gottes werden.
Auf diese Weise wird – so sagt uns der hl. Johannes, der neue Mensch geschaffen in Gerechtigkeit und Heiligkeit, nicht das Werk von Fleisch und Blut sein; er wird jungfräulich sein, weil er geboren wird vom Geiste Gottes. (3)

Der Hl. Geist raubt den Adamsgeist

Aber was wird alsdann aus dem früheren Menschen, dem alten Menschen, dem Menschen, der Adams Sohn ist? Was wird aus der Erbschaft, die er von seinem Vater erhalten hat? Merk` Dir`s wohl, christliche Seele, und juble auf! Es steht geschrieben:

„Wegnehmen wirst Du ihren Geist -:
sie schwinden hin,
Und kehren in den Staub zurück!“ (4)

Siehe da, ein ganz besonderes Werk Gottes! Der Geist des Irrtums, der Falschheit und der Lüge; der Geist des Hasses, der Eifersucht, der Boshaftigkeit; der Geist des Stolzes, der Sinnlichkeit und des Geizes – das ist wohl der Geist des Menschen, wie wir ihn bei der Geburt mitbringen: und eben diesen Geist verspricht der liebe Gott uns weg zu nehmen, zu vernichten, zu Staub zu machen. Der Heilige Geist raubt dem Menschen den Adamsgeist: und nach dieser notwendigen Beraubung wird der Mensch neu und wird ein „Sohn Gottes“ genannt.
O kostbare und tausendmal wünschenswerte Beraubung! Wer hat sie kennen gelernt aus eigener Erfahrung? Leider musste der hl. Paulus einigen Jüngern des Evangeliums vorwerfen, daß sie noch fleischlich seien! (5)
O wie viele arme Seelen haben sich der Wegnahme des alten Menschen widersetzt, und sind noch im Leben des Fleisches! Wie viele sehen nur durch Augen des Fleisches!

Wiedergeburt durch den Hl. Geist

Unser Herr Jesus Christus hat von einer doppelten Geburt für den Menschen gesprochen, und hat versichert, daß ohne eine Wiedergeburt durch den Heiligen Geist niemand in den Himmel eingeht. (6) Daraus folgt, daß ohne die göttliche Umbildung, von der wir reden, das Seelenheil unmöglich ist: wenn der Heilige Geist nicht frei ist bei mir, um den alten Menschen, meine böse Natur zu zerstören, umzustürzen und zu Staub zu machen; wenn Er nicht den neuen Menschen, den übernatürlichen Menschen in mir erschafft, muss meine Hoffnung auf den Besitz Gottes eitel und vergeblich und unbegründet sein.

Anmutung

Täglich preise ich Jesum Christum und nenne Ihn „empfangen vom Heiligen Geist“, geboren durch Einwirkung des Heiligen Geistes. Dieses Lob muss auch auf mich passen; wenn ich nur durch die Gesetze meiner armen in Adam verderbten Natur empfangen und geboren wäre -: was würde aus mir werden! O glückliche die Seele, die sagen darf, daß sie wieder geboren ist aus dem Heiligen Geist! Diese Seele hat die Umwandlung erfahren, welche uns zu Kindern Gottes und zu Erben Seines Reiches macht.

Anmerkungen zu: Wie sich die Umbildung

(1) 1. Kor. 15,47: Primus homo de terra, terrenus; secundus homo de coelo, coelestis.
(2) Ebd.
(3) 1. Joh. 1,12-13: „Allen aber, die Ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden, denen, die an Seinen Namen glauben, die nicht aus dem Geblüte, und nicht aus Fleisches Willen und nicht aus Mannes Willen, sondern aus Gott geboren sind.“
(4) Ps. 103,29: Auferes spiritum eorum, et deficient et in pulverem suum revertentur.
(5) Vgl. 1. Kor. 3,1-2: Und ich, Brüder, konnte nicht zu euch reden als zu Christen, sondern als zu Fleischlichen. Gleich als Kindern in Christo gab ich euch Milch zu trinken, nicht Speise, denn noch waret ihr nicht stark genug; ja nicht einmal jetzt seid ihr es, denn ihr seid noch fleischlich!“
(6) Vgl. Joh 3,5: „Wahrlich, wahrlich, Ich sage dir, wenn jemand nicht wieder geboren ist aus Wasser und Heiligem Geist, so kann er nicht eingehen in das Reich Gottes!“

 

Zweiter Punkt

Die Zeichen der Umwandlung durch den Heiligen Geist

Siehe, ich mach alles neu

Die Vernichtung des alten Menschen verkündet die Erschaffung des neuen Menschen. Diese Erschaffung ist wunderbar, denn sie umfaßt Alles, den Geist, das Herz, den Willen, die Zunge, die Gewohnheiten und die Sitten. Als die ersten Christen den Speisesaal verließen und sich dem Volke zeigten, ward man von Staunen ergriffen: man sah neue Menschen, eine unbekannte Welt, deren Möglichkeit oder Wirklichkeit man nie geahnt hatte. (1) Ich werde davon nicht überrascht werden. Wie hätte man sich diese Umwandlung auch nur erdenken können, welche der Heilige Geist eben vollzogen hatte? Eine neue Schöpfung hatte im Speisesaal stattgefunden, und die Jünger Jesu Christi konnten sagen: Hier ist ein Schauspiel neu für Engel und Menschen!
Dieses Schauspiel bietet sich der Welt tagtäglich dar in der Person der Gerechten. Als der Heilige Geist in sie einkehrte, zerstörte Er, stürzte Er um, machte Er zu Staub, und Er erschafft von Neuem. Er konnte sagen: „Siehe, Ich mache Alles neu!“ (2) Alle, sage ich: denn es handelt sich nicht um eine leichte Abänderung, sondern vielmehr um eine Schöpfung, da es heißt: „Aussenden wirst Du Deinen Geist -: sie werden neu geschaffen werden!“ Damit es nun wirklich eine Schöpfung sei, muss Alles neu sein, und muss der geistliche Mensch an die Stelle des tierischen Menschen treten.
David ruft aus: „Du wirst erneuern das Angesicht der Erde!“ (3) Eine erneuerte Seele ist eine frische, neue Seele. Man erneuert ein Kleid oder einen sonstigen Gegenstand nicht dadurch, daß man einfach die Flecken beseitigt, oder die zerrissenen Stellen durch einige Stücke Tuch ersetzt.

Die Erneuerung ist Werk des Hl. Geistes

Dies Erdreich meiner Seele muss also erneuert werden, und diese Erneuerung ist das Werk des Heiligen Geistes. Aber ich frage mich, ob man wohl leicht glauben würde, daß ein Erdreich erneuert worden sei, wenn dieses Erdreich ganz voll Sand und Kieselsteine bliebe, und immer nur schlechte Pflanzen hervor brächte, ohne daß je ein edler Baum in demselben Wurzel schlagen könnte? Ganz gewiß würde man an eine behauptete Erneuerung nicht glauben wollen. Warum sollte dieser Vergleich nicht dazu dienen, mich aufzuklären und meine törichten Einbildungen zu zerstreuen? Der Heilige Geist ist mir gegeben als Schöpfer, als Urgrund eines neuen Seins. Er soll dies Erdreich meiner Seele erneuern. So wird also Alles in meiner Seele Seiner würdig, Gottes würdig werden. So wird also diese Seele fortan ein heiliges Erdreich werden, ein Erdreich, begossen und befruchtet durch den Himmel (4): die Früchte, so es tragen wird, werden Gottes Herz erfreuen.
Wenn es aber erwiesen bleibt, daß ich nur ein armes Kind Adams bin; daß ich in mir noch immer nur den alten Menschen zeige, der nur sich selbst und seine Interessen liebt, der eifersüchtig, empfindlich, rachsüchtig, sinnlich ist; wenn meine Gedanken irdisch sind und bleiben; wenn meine Gefühle, meine Wünsche, meine Befürchtungen und meine Hoffnungen sich immer in dem engen Kreise der Dinge der Erde bewegen; wenn meine Sprache die des früheren Menschen, des alten Adam ist; wenn meine Werke nichts anderes als nur sehr Natürliches an sich haben, und in keiner Weise an den Werken Jesu Christi und der Heiligen teilnehmen: muss ich da nicht ernstlich in mich selbst Einkehr nehmen und mich fragen, wie zu meinen Gunsten dieses so oft wiederholte Gebet der Kirche erhört ward:

„Entsenden wirst Du Deinen Geist -:
sie werden neu geschaffen,
Und Du erneust das Angesicht der Erde“?

Anmutung

O Heiliger Geist, komm in mein Herz! Leite die Gewissens-Erforschung, die ich jetzt anstellen will! Zerstreue alle Finsternis und laß meinen schwachen Geistesaugen Dein göttliches Licht leuchten!

Anmerkungen zu: Die Zeichen der Umwandlung

(1) Vgl. Apg. 2,6; 7,12
(2) Apok. 21,5: Et dixit, qui sedebat in throno: Ecce, nova facio omnia!
(3) Ps. 103,30
(4) Vgl. die Postcommunio der hl. Messe am Pfingstsonntag: „O Gott, laß die Eingießung des Heiligen Geistes in unsereHerzen uns reinigen, und befruchten durch die reichliche Besprengung mit deinem Gnadentau!“

 

Dritter Punkt.

Die wunderbaren Wirkungen der Umwandlung durch den Heiligen Geist

Der Geist wird euch alles lehren

Es steht geschrieben: „Der Geist des Herrn erfüllt den Erdkreis, und dem, der Alles zusammen hält, ist jeder Laut bekannt.“ (1)
Jesus Christus kommt in die Welt; Er ist das Wort des Vaters, das ewige Wort, und siehe, Er wendet Selbst auf Seine anbetungswürdige Person die Stelle des Propheten Isaias an: „Der Geist des Herrn ruhte auf Ihm, der Geist der Weisheit und des Verstandes, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Wissenschaft und der Frömmigkeit, und der Geist der Furcht des Herrn wird Ihn erfüllen.“ (2)
Als der Herr Seinen Aposteln die Sendung des Heiligen Geistes für sie ankündigte, sprach Er zu ihnen: „Dieser Geist wird euch Alles lehren; Er wird euch das Verständnis alles dessen geben, was Ich euch gesagt habe!“ (3)
In dieser Eigenschaft ist der Heilige Geist in unserer Seele. Er könnte nicht darin wohnen, ohne ihr Licht, ihre Fackel ihre Sonne zu werden; Er ist der Führer, der Lehrer, der Prediger, der Leiter dieser Seele; Er bemächtigt Sich dieser Seele und macht sie vertraut mit der Wahrheit. O mein Gott, wer kann diese großen Dinge begreifen? –

Das Übel des Menschen ist Unwissenheit

Was ist aber die Wahrheit? Gott ist sie, die Erkenntnis Gottes, wie sie der Mensch bedarf, um zum Glück zu gelangen. Das große Übel des Menschen ist die Unwissenheit, und der Irrtum die bitterste und die giftigste Frucht derselben. Und nun wird der Heilige Geist gegeben, um die Finsternis der Unwissenheit zu zerstreuen und vor Irrtum zu bewahren: Er teilt jedes Licht mit; die Wissenschaft, die Weisheit, der Verstand und der Rat bilden Sein ruhmreiches Gefolge. Er gibt der Seele jene Gabe der Durchdringlichkeit, welche ihr den wahren Sinn der Reden Jesu Christi aufdecken hilft, welcher ihr klar den Gedanken Jesu Christi zeigt und das Licht, welches in eine jede Seiner Reden eingeschlossen ist. Jesus Christus hatte gesagt: „Ich bin die Wahrheit.“ Und zur selben Zeit: „Der Heilige Geist wird Zeugnis von Mir ablegen.“ (4) Lasset den Heiligen Geist kommen, daß Er von einer Seele Besitz nehme -: und siehe, Jesus Christus, ein verschlossenes Buch für die stolzen Seelen, welche sich weigern, eine andere Leitung als die ihres eigenen Geistes anzunehmen, und siehe, sage ich, Jesus Christus zeigt Sich: Alles ist Licht, Klarheit, Wissenschaft und Weisheit in Ihm. Der Heilige Geist ist gleichsam die Sonne, welche den Blumen, der ganzen Natur Glanz und Schönheit gibt. Es gibt eine ganze Welt in Jesus Christus, in Seinen Geheimnissen, Seinen Werken und Seinen Reden. Aber ohne den Heiligen Geist ist diese Welt in Finsternis, in einer dunklen Nacht. Ach, diese schreckliche Wahrheit ist erwiesen durch den Zustand, in welchem die meisten Menschen leben! Aber wann der Heilige Geist in eine Seele niedersteigt, beleuchtet plötzlich die Sonne Jesum Christum, und diese Seele sieht Ihn! – Augustinus, der Anhänger der Lüge, sah nie Jesus Christus. Der Unglückliche! Aber plötzlich kommt der Heilige Geist, Augustinus empfängt Ihn: er öffnet die Augen, er erblickt Jesum Christum. Lies jetzt seine wundervollen Werke, sie werden Dir sagen, was der neue Jünger in der anbetungswürdigen Person seines Meisters gesehen hat!

Die Wissenschaft des Hl. Geistes

Diese Wissenschaft, welche die allein notwendige ist, gibt der Heilige Geist derjenigen Seele, welche sie will, derjenigen hauptsächlich, welche nach ihr sich sehnt; Er gibt sie ihr zunächst für sich selbst und zu ihrem eigenen Nutzen. Das ist die kostbarste Gnade, denn es ist große Gefahr, vorhanden, daß man für Andere weiß, und für sich nicht weiß: ein schreckliches Unglück, in welches berühmte Lehrer gefallen sind! Man kann auch umgekehrt nichts wissen für die Anderen, stumm sein, und doch in ganz hervorragender Weise diese göttliche Wissenschaft der Stimme, der Rede Gottes besitzen. Wie viele einfache, ungekannte, von den Gelehrten vielleicht verachtete Seelen besitzen Schätze von Licht, welche die tiefsten Gottesgelehrten mit Bewunderung erfüllen! Glückliche Seelen, wie beneide ich euch um euern Reichtum!
Aber diese Wissenschaft der Sprache, der Rede, gibt der Heilige Geist gewissen Menschen zum Heile und zu Heiligung ihrer Mitbrüder. O, ihr Alle, die ihr Andere zu leiten habet, die ihr Rat erteilet, die ihr den Anderen die Wahrheit, das Licht zeigen sollet: was könntet ihr geben, wenn der Heilige Geist eure Seele verließe, wenn nicht Er Selbst sie mit allem Nötigen versähe? O, wie notwendig ist der Heilige Geist, damit man nicht Blinde sehe, die andere Blinde führen!

Mahnung

Christliche Seele, bemühe dich nach dieser Wissenschaft der Sprache, der Rede: es ist die Wissenschaft Jesu Christi! Aber suche sie im Gebet: der Heilige Geist, der da allein sie gibt, will angerufen werden durch eure inneren Seufzer! Rufet oft zum Himmel und saget mit dem königlichen Propheten:
„Dein Knecht bin ich; gib Einsicht mir. Auf daß ich Deine Zeugnisse verstehe!“ (5)
Vergiß jedoch nicht den Wink, den derselbe Prophet nieder geschrieben:
„Er gewähret Einsicht kleinen Kindern!“ (6) Diese kleinen Kinder sind die, so demütig sind von Herzen. Wehe dem hochmütigen Menschen, der sich für weise und hinreichend aufgeklärt hält! Der Heilige Geist entfernt Sich von ihm; Er überläßt ihn seiner Finsternis, seiner Unwissenheit! Dieser Unglückliche sieht niemals Jesum Christum.

Anmerkungen zu: Die wunderbaren Wirkungen

(1) Sap. 1,7: Qonium Spiritus Domini replevit orbem terrarum: et hoc, quod continet omnia, scientiam habet vocis.
(2) Is. 11,2
(3) Joh. 14,26
(4) Vgl. Joh. 14,6
(5) Ps. 118,125: Servus tuus sum ego: da mihi intellectum, ut sciam testimonia tua.
(6) V. 130: Inellectum dat parvulis.

aus: F. X. Coulin, Apostol. Missionar und Ehrendomherr von Marseille, Der Heilige Geist Betrachtungen, 1881, S. 45 – S. 58

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