Lexikon für Theologie und Kirche
Stichwort: Wiedergeburt
Wiedergeburt. I. Dogmatisch. Regeneratio, bedeutet in der Rede Jesu Mt. 19,28 die Umgestaltung der Welt am Gerichtstag, in Pauli Mund aber (Tit. 3,5) die Umgestaltung der Einzelseele im Hl. Geist durch die Taufe. („das Bad der Wiedergeburt“), entspricht also hier Joh. 3,3 u. 7 und Joh. 3,5f u.8 des Nikodemus-Gespräches sowie dem „Geborenwerden aus Gott“ und dem Empfangen der „Macht, Kinder Gottes zu werden“ des Johannes-Prologs. Sie umschließt beides: die wahre Entsündigung und innere Heiligung; denn durch sie „macht Gott uns würdig und fähig zur Anteilnahme am Los der Heiligen im Licht, reißt uns heraus aus der Macht der Finsternis, versetzt uns in das Königreich seines geliebten Sohnes, in welchem wir die Erlösung, die Nachlassung der Sünden haben“ (Kol. 1,12ff). „Mit diesen Worten wird uns die Beschreibung der Rechtfertigung des Gottfernen gegeben, die somit eine Überführung ist aus dem Zustand, in dem der Mensch als Kind des ersten Adam geboren wird, in den Zustand der Gnade und Gotteskindschaft durch den zweiten Adam Jesus Christus, unsern Heiland. Diese Überführung kann nach der Verkündigung des Evangeliums ohne das Bad der Wiedergeburt (Tit. 3,5) oder das Verlangen danach nicht geschehen, wie Joh. 3,5 geschrieben steht“ (Trid. Sess. VI c. 4: Denzinger 796). Der Ausdruck Wiedergeburt ist mit den erwähnten gleich bedeutenden Ausdrücken die klarste Wiederlegung einer nur forensischen Zurechnung der Gerechtigkeit Christi und einer bloßen Zudeckung der Sünden. Sie ist wirkliche „Geisteserneuerung“ (Eph. 4,24), ist Neuschöpfung (Gal. 6,15), ist Adoptivkindschaft (Röm. 8,15), gewirkt und bezeugt durch den Hl. Geist (Röm. 8,16; 1. Joh. 3,1), bewirkend, daß der aus Gott Geborene auf die Verkünder des Evangeliums hört (1. Joh. 4,6), recht handelt (1. Joh. 2,29) und nicht sündigt, weil der übernatürliche Lebenskeim in ihm lebendig bleibt (1. Joh. 3,9). Dadurch ist sie Anfang jener einstigen „Umgestaltung in das Bild (der Herrlichkeit Gottes) von Herrlichkeit zu Herrlichkeit“, worin wir „mit entschleiertem Antlitz die Herrlichkeit Gottes schauen“ (2. Kor. 3,18), ist somit wirklicher Empfang eines „neuen“ übernatürlichen „Lebens“ (Röm. 6,4), nicht nur Zeichen einer andern Einschätzung durch Gott bei völligem Beharren des inneren Zustandes, vielmehr Begründung eines Mitbesitzes oder Mitgenusses der unendlichen und beseligenden Reichtümer der göttlichen Natur (2. Petr. 1,4), nicht im pantheistischen Sinn eines Selbst-Gott-Werdens, sondern eines aus Gnade gewährten Mitbesitzens. Sie ist gegeben aus freischenkender Gnade: „Aus freiem Willen hat er uns durch das Wort der Wahrheit geboren, damit wir ein Neuanfang seiner Geschöpfe seien“ (Jak. 1,18).
II. Religionsvergleichend. Vergebens sucht man in den heidnischen Religionen zur Zeit Christi den Gedanken einer Wiedergeburt, die solche Entsündigung, sittliche Umgestaltung, wahre Heiligung und einstigen Mitbesitz an Gottes heiliger Natur selbst begründet. Die Riten des Tauroboliums (Kybele, Mithra, Tod UU 4) bringen auch dem Zeugnis der meisten Inschriften nur eine magische Erneuerung und Erhöhung der irdischen Lebenskräfte auf 20 Jahre (H. Graillot, Le culte de Cybéle, Paris 1912, 156). Daß einmal, in einem Text vom Jahre 376 n. Chr., die Hoffnung ins Jenseits reicht , ist in so später Zeit sicherlich vom Christentum her bedingt. Es gibt kein vorchristliches, in Kleinasien bodenständiges „phrygisches Mysterium der Wiedergeburt“… Den Ausdruck Wiedergeburt hat Reitzenstein wiederholt in gnostischen, persischen und mandäischer Literatur, auch in solcher von griechischer und ägyptischer Herkunft, festgestellt. Das im Leser dieser Wiedergeburt-Erzählungen zu erweckende Erlebnis gehört in theosophisch-pantheistisches Fühlen, kennt wenig Demut und Reue über Sünden vor dem heiligen Gott und steht zum neutestamentlichen Frommsein in größtem Gegensatz. (…) Der Vorgang der Wiedergeburt in christlichem Sinn mit seiner Metanoia, seiner sittlichen Umgestaltung, seiner Sünden-Tilgung um des Sühnetodes Christi willen, seinem Empfang des Hl. Geistes, seiner moralischen Sicherung des Jenseits-Heiles, hat mit der Wiedergeburt durch rituelles Sterben und Wieder-Erstehenin Angleichung an die herbstlichen Sterbefeiern und im Frühjahr begangenen Auferstehungs-Feiern von Vegetations-Gottheiten nur eine äußerliche Ähnlichkeit, aber keine religiös-sittliche Verwandtschaft. Erst im 3. Jahrhundert ändert sich unter christlichem Einfluß die naturhafte Religiosität der heidnischen Mysterien mehr in das sittliche Reinheits-Streben; trotzdem bleibt auch jetzt das Hauptstreben des Mysten auf Gewinnung höherer Kräfte gerichtet, mit denen im Diesseits die schicksalhaften Hemmungen des Daseins überwindbar und im Tode ein gehobenes Lebensglück erreichbar werden sollen. – Über den besonders in Indien verbreiteten Glauben an Reinkarnation s. Seelenwanderung.
aus: Michael Buchberger, Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. X, 1938, S. 868-870