Siebente Betrachtung
Die Wirkungen des Heiligen Geistes in der Seele
Der Heilige Geist und das Herz Jesu
Unser Herr und Heiland Jesus Christus sprach zu Seinen Aposteln: „Wenn der Heilige Geist kommen wird, so wird Er von dem Meinigen nehmen und es euch mitteilen!“ (1) Zweifelsohne ist dies so zu verstehen, daß der Heilige Geist nehmen wird von dem Lichte, der Wissenschaft und Weisheit, die in Jesu Christo ist, von der Gnade, von der Wahrheit, von der Heiligkeit, welche in Ihm ist, um den Jüngern diese Schätze mitzuteilen, welche der Meister in vollem Maße besitzt. Wenn ich über diese Worte nachdenke, wird es mir da nicht gestattet sein, sofort mein Auge zu richten auf das, was ich am meisten in Jesus liebe, nämlich Sein Herz, und dann mir selbst zu erbitten, was ich wohl zumeist für mich wünschte von all` den wunderbaren Dingen, die das Herz meines göttlichen Meisters umschließt, von denen ich wünschte, daß der Heilige Geist sie nehmen möchte in diesem Zelt, um sie in mein Herz zu bringen, um mir dieselben mitzuteilen? –
Ich weiß, daß mit meinem Jesus mir aller edle Ehrgeiz erlaubt ist. Hat Er mir nicht gesagt: „Du bist in Mir, und Ich in dir“ ? (2) Hat Er nicht ferner gesagt: „All` das Meinige ist dein“? (3) Warum sollte ich so furchtsam sein nach dergleichen Beweisen einer Liebe und Zärtlichkeit, die nicht ihres Gleichen finden dürfte? Muntert mich nicht außerdem der hl. Paulus auf, mit einem unbegrenzten Vertrauen zum „Throne der Gnade“ zu kommen? (4) Und ist dieser Thron nicht offenbar das Herz meines Jesus? –
Ich komme also zu diesem Herzen; aber ich gehe zu demselben nicht allein. Mir ist gesagt, daß der Heilige Geist von diesem Herzen nehmen werde, um mir dasselbe mitzuteilen. Den Heiligen Geist bitte ich, mich eben diesem Herzen nahe zu bringen, um aus ihm Alles zu nehmen, und mir Alles zu geben.
Der Heilige Geist nimmt vom Herzen Jesu
Was findet man aber in einem Herzen? Welches sind die Eigenschaften der Seele, welche welche man dem Herzen zuschreibt, und die ihm eigen sind? Es sind die Wünsche und Neigungen. An ihnen kann man ein Herz erkennen. Will ich nun aber das Herz Jesu Christi kennen lernen, so brauche ich mich nicht so sehr abzumühen, als wenn es sich um einen gewöhnlichen Menschen handelte. Die Wünsche, die Neigungen Jesu Christi, die Zuneigungen Seines Herzens – Alles ist unendlich gut, schön, heilig und liebenswürdig. Das ist es also, was der Heilige Geist, ohne welchen ich nicht sehen, viel weniger lieben, und diese Wünsche und Neigungen für mich nehmen kann – Das ist es, sage ich, was der Heilige Geist von Jesus nehmen wird, um es mir mitzuteilen. Der Heiland Selbst hat es gesagt!
Anmutung
O Veredelung, o Vergötterung des menschlichen Herzens! O unbegreifliche Umgestaltung! Wie? Ich kann ein Herz haben, das fühlt, das liebt wie das Herz eines Gottes? Ein Herz, dessen Wünsche und Neigungen sich vereinigen mit denen eines Gottes? O großer, unbegreiflicher Schatz! O unendliche Liebe meines Gottes für ein so geringes, so verächtliches Wesen, wie ich es bin! –
So will ich denn diese trostreiche Wahrheit betrachten, und um mich lebendig in dieselbe zu vertiefen, will ich zuerst diese wichtige Frage beantworten: Was hat Jesus Christus geliebt und liebt Er noch? Ich sage zu wenig. Welches waren und sind noch die Neigungen und Wünsche des Herzens Jesu Christi? Was sagt Ihm zu, und woran findet Er Geschmack? O Heiliger Geist, antworte für mich; und dann nimm Alles, was dem Herzen Jesu eigen ist, und gib es mir, teile es meinem eigenen Herzen mit! Dies ist mein heißer Herzenswunsch; könnte ich noch einen andern haben? – –
Anmerkungen zu: Der Heilige Geist und das Herz Jesu
(1) Joh. 16,14
(2) Vgl. Joh. 6,57: „Wer Mein Fleisch ist und Mein Blut trinkt, der bleibt in Mir und Ich in ihm!“ – 15,4: „Bleibet in Mir und ich bleibe in euch!“ – V 5: Wer in Mir bleibt, und Ich in ihm, der bringt viele Frucht.“
(3) Luk. 15,31: „Mein Sohn, du bist allezeit bei Mir, und all` das Meinige ist dein!“
(4) Vgl. Hebr. 4,16: „Treten wir also mit Zuversicht hin zum Throne der Gnade, damit wir Barmherzigkeit erlangen und Gnade finden zu rechtzeitiger Hilfe!“
Erster Punkt
Die Kirche genießt das ganze Wohlwollen des hochheiligen Herzens Jesu.
Die Kirche ist die Gemahlin Jesu Christi
Die Kirche ist die Gemahlin Jesu Christi. (1) Diese Gemahlin hat Er Sich erworben um den teuren Preis Seines Blutes! Wenn man die Liebe, welche der Heiland für sie Hatte, nach den Opfern beurteilen muss, welche Er gebracht, um sie ewig zu besitzen: wer wird dann diese Liebe zu beschreiben versuchen? Das Sakrament der Ehe ist nur ein sehr unvollkommenes Sinnbild der Vereinigung, welche Jesus Christus mit seiner Kirche eingegangen hat. Nachdem Er sie ausgewählt und mit Seinen göttlichen Händen gebildet hatte, nahm Er sie zur Gemahlin und schenkte ihr Sein ganzes Herz. Dieses Geschenk ist unwiderruflich; keine Ehescheidung, keine Trennung ist hier möglich; nein, gar keine Trennung, weder dem Geiste noch dem Körper nach, weder eine Trennung der Güter noch eine Trennung der Gefühle und der Gesinnungen.
Die Beweise der Liebe, welche Jesus Christus Seiner Kirche gibt, erteilt Er mit den feurigsten Worten der Liebe und durch die heldenmütigsten Taten. Wenn Er vor ihr spricht, so hat Er für sie eine Fülle der zärtlichsten Worte. Er nennt sie „Seine Einzige, Seine Schöne, Seine Unbefleckte, Seine Schwester, Seine Taube, Seine Lilie, Seine Rose“ (2) Er ist gleichsam eifersüchtig in Bezug auf sie. Nein, nie wird er es zulassen, daß man sie Ihm entreiße. Sie ist Sein Gut, Sein Schatz, Sein Trost, Seine Süßigkeit. Er ist stolz auf sie!
Hört ihr, wie Er sagt: „Du bist in Mir, und Ich in dir; wohne in Meinem Herzen! Fürchte nichts; wie Mein Vater Mich von Ewigkeit geliebt hat mit unendlicher Liebe, so liebe Ich dich!“ – –
Wenn ich aber von den Worten auf die Taten übergehe, welchen Begriff werde ich dann von der Liebe bekommen, welche Jesus Christus zu Seiner Kirche hat! Was hat Er ihr wohl versagt? Was konnte Er ihr geben, was Er ihr nicht gegeben hat? Wenn man sich dem Geliebten ganz hingibt, was kann dieser noch mehr verlangen? Anbetungswürdiger Leib, kostbares Blut meines Jesu, ihr seid das Eigentum der heiligen Kirche! Ja, ganz gewiß, der göttliche Gemahl muss für Seine Kirche eine gar große Liebe haben! –
Woran ein Christ zu erkennen ist
Wer wird nunmehr nicht glauben wollen, daß die süßesten, unwiderstehlichsten Neigungen Jesu Christi Seiner Kirche gelten? Wer wird bezweifeln, daß Seine stärkste Zuneigung die Kirche zu ihrem Gegenstand hat? Wer wird nicht beistimmen, daß das lebhafteste Wohlwollen des hochheiligen Herzens Jesu Seiner heiligen Kirche gesichert ist? –
Wenn dem aber so ist, und wenn andererseits der Heilige Geist die Aufgabe hat, von Jesus Christus zu nehmen, um uns es mitzuteilen, so muss man sagen, daß das Zeichen, an welchem ein Christ erkennen kann, daß der Heilige diese Aufgabe zu seinen Gunsten gelöst hat, dieses Wohlwollen für die Kirche, diese Neigung, diese Vorliebe für die Kirche ist. Wenn ich nicht dieses Wohlwollen für die Kirche, diese Vorliebe für die Kirche hätte, und man mir die Überzeugung beibringen wollte, daß ich von Jesus Christus sei, daß der Heilige Geist mich zu Seinem Tempel gemacht habe, daß Er mein Führer und mein Lehrmeister sei, so würde ich ganz einfach sagen, man treibe seinen Spott mit mir.
Dann muss ich aber weiter sagen: Die Seele, welcher der Heilige Geist das gebracht, was von Jesus Christus ist, ist jene Seele, welche alle Leiden der Kirche mitempfindet und deren innigste Herzens-Besorgnis der Kirche gilt; jene Seele, die vor Freude außer sich ist, wenn die Kirche triumphiert, wenn sie ihre Eroberungen ausdehnt; das ist jene Seele, die in tiefer Trauer ist, wenn die Feinde der Kirche triumphieren; kurz das ist jene Seele, welche ihre Freude und ihre Trauer, ihre Befürchtungen und ihre Hoffnungen, alle ihre Interessen mit den Befürchtungen, den Freuden und den Interessen der Kirche vereinigt.
Was die Seelen angeht, denen die Gefühle für die Kirche fremd sind, die unempfindlich sind angesichts ihrer Schmerzen oder ihrer Freuden, die beinahe erstaunen, wenn sie einen Christen sehen, der mit Begeisterung von seiner Kirche spricht -: was soll ich von ihrem Zustand denken? – Der Heilige Geist ist nicht in sie gekommen; denn wohin Er kommt, dahin bringt Er mit und da gibt Er, was von Jesus Christus ist, also auch die Liebe und die Zuneigung Jesu Christi zu Seiner Kirche.
O mein Gott, wie viele arme Seelen gibt es, die sich täuschen! Sie glauben durch den heiligen Geist zu leben, und ihr eigener Geist ist ihr ganzes Leben. – –
Anmerkungen zu: Die Kirche genießt das ganze Wohlwollen
(1) Vgl. Eph. 5,25: „Ihr Männer, liebet eure Frauen, sowie auch Christus die Kirche geliebt und Sich Selbst für sie hingegeben hat!“
(2) Vgl. Cant. 2,10: „Mache dich auf, eile, Meine Freundin, Meine Taube, Meine Liebliche, und komme!“ – 5,2: „Öffne Mir, Meine Schwester, Meine Freundin, Meine Taube, Meine Makellose!“ – 2,2: „Wie eine Lilie in Mitte der Dornen, so ist Meine Freundin in Mitte der Töchter.“
Zweiter Punkt
Die Vorliebe des Herzens Jesu für das Kreuz
Das Kreuz ist die Wiege der Kirche
Es ist eine Wahrheit, die man nur auszusprechen braucht, und die der Beweise nicht bedarf: alle Wünsche und Neigungen Jesu Christi, die Vorliebe Seiner Seele, die Neigungen Seines Herzens gelten dem Kreuz. Er dachte ganz besonders an das Kreuz, als Er in diese erhabenen Worte ausbrach: „Ich muss Mich mit einer Taufe taufen lassen, und wie drängt es Mich, bis es vollbracht ist!“ (1) Und ferner. „Sehnlich habe Ich verlangt, dieses Ostermahl mit euch zu essen, ehe denn Ich leide!“ (2)
Wovon sprach der göttliche Heiland mit Moses und Elias, als Er auf dem Tabor in Lichtesglanz erschien? Frage den hl. Schriftsteller, er wird dir antworten: „Sie besprachen Seinen Ausgang, den Er bald erfüllen sollte in Jerusalem!“ (3) Worüber unterhält sich Jesus Christus mit Seinen zwölf Aposteln? Über Sein Leiden, über das Kreuz, auf dem Er geopfert werden soll. Ganz gewiß, wenn „der Mund aus der Fülle des Herzens redet“ (4), so muss man sicher zugeben, daß das Herz Jesu Christi sich beständig nach dem Kreuz hingezogen fühlte.
Jesus Christus hat zu Seiner Kirche eine unendliche Liebe: welches war aber der Baum, der diese Frucht ewigen Segens bringen sollte? Mit anderen Worten: Wo sollte die Kirche entstehen? Wann sollte der neue Adam eine Gemahlin erhalten? Das Kreuz, das Kreuz ist der Baum, der diese wunderbare Frucht hervorgebracht: Das Kreuz ist die Wiege der Kirche; das Kreuz war der Ort, wo Jesus Christus, der himmlische Gemahl mit der Kirche verbunden ward, welche Er von aller Ewigkeit erwählt hatte, sie zu seiner Gemahlin zu machen!
Musste also Jesus Christus nicht dieselbe Liebe zum Kreuz haben, welche Er für seine Kirche aufbewahrte? Ja, das Kreuz, welches dem Erlöser Seine Braut schenkte, wird stets Sein Herz besitzen! Sein Wohlwollen, Seine Neigungen gehören ihm, Seine Vorliebe ist ihm unwiderruflich gesichert. Siehst du auch, wie Er es erhöht vor den Augen der ganzen Welt? Es ist Sein Zeichen, Seine Fahne, Sein Banner: ohne diese Fahne wirst du nimmer den Sieg erlangen, denn nur durch das Kreuz ward Erde und Hölle unterworfen! –
Wie der Heilige Geist die gläubige Seele heiligt
Die Kirche hat diese Vorliebe Jesu Christi für das Kreuz so gut verstanden, daß sie jeden Augenblick dieses Zeichen gebraucht, um alle Segnungen des Himmels auf die Erde herab zu ziehen. Kein Opfer, kein Sakrament, keine Bitten, kein Gebet ohne das Kreuz: man möchte sagen, daß der Gnadenblick Jesu Christi nicht auf die Kreatur herab gelenkt werden kann, daß er nicht bis zu derselben gelangen kann, wenn er nicht dem Kreuz begegnet! Ja, ich täusche mich; was ich da bemerke, ist nicht eine bloße Annahme, es ist eine ganz sichere Wahrheit, die klar zu Tage liegt und von Niemanden bezweifelt wird!
Was tut nun der Heilige Geist, um eine Seele zu heiligen? Er nimmt in dem Herzen Jesu Christi diese Liebe zu Kreuz, diese Neigung, diese Vorliebe für das Kreuz, und teilt sie der Seele mit, welche die Freundin Jesu sein soll. Ohne diese Mitteilung wird Heiligkeit unmöglich sein.
Schau` hin auf die Apostel beim Verlassen des Speisesaales, befrage den hl. Paulus nach seiner Bekehrung: was bemerkst du an ihnen? Was verkündet ihre Sprache? Was sagt uns ihr ganzes Benehmen? Sie sind überselig vor Liebe zum Kreuz: vom Kreuz reden sie; das Kreuz predigen sie überall, und dies mit einer erstaunlichen Kraft, welche ihre Neigung und Liebe zum Kreuz bekundet, aber eine Liebe, die sich zu einer Begeisterung steigert, an welcher die Heidenvölker anfangs Ärgernis nehmen.
O mein Christ, als du die heilige Taufe empfingest, nahm der Heilige Geist Besitz von dir. Aber vorher ward dir das Zeichen des hl. Kreuzes auf Stirn und Brust gedrückt! –
Anmutung
Verstehst du dieses Geheimnis, dieses notwendige, unentbehrliche Band zwischen der Herrschaft des Heiligen Geistes in deiner Seele, und dem beständigen Gedanken und der wahren, starken, beständigen Liebe des Kreuzes? O, wie sind doch alle Neigungen und alle Herzenswünsche derer, welche der Heilige Geist zu Geistesmenschen macht, auf das Kreuz gerichtet! Wie oft verehren sie es mit heißen Küssen heiliger Liebe! Mit welcher Zärtlichkeit lassen sie es auf ihrem Herzen ruhen! Man sieht es wohl: der Heilige Geist hat im Herzen Jesu den Geschmack am Kreuz genommen und denselben ihrer Seele mitgeteilt.
Anmerkungen zu: Die Vorliebe des Herzens Jesu für das Kreuz
(1) Luk. 12,50: Baptismo autem habeo baptizari: et quomodo coarctor, usquedum perficiatur!
(2) Luk. 22,15: Desiderio desideravi hoc pascha manducare vobiscum, antequam patiar.
(3) Luk. 9,30-31
(4) Matth. 12,34: Ex abundantia enim cordis os loquitur.
Dritter Punkt
Die Vorliebe des Herzens Jesu für das allerheiligste Altarsakrament
Das göttliche Siegel der Kinder Gottes
Mit einer heiligen Begierde suche ich nach den deutlichen Zeichen der Gegenwart des Heiligen Geistes in einer Seele. Der hl. Paulus sagt mir, die Gerechten haben das Siegel des heiligen Geistes empfangen. (1) Warum sollte ich dieses Siegel, das die gerechtfertigten Seelen kennzeichnet und sie von den Weltmenschen unterscheidet, nicht kennen wollen? Ich habe etwas sehr klar eingesehen, nämlich daß das göttliche Zeichen, das göttliche Siegel der Kinder Gottes sich in ihrem Herzen findet, und daß dasselbe in der Gleichförmigkeit der Neigungen und Wünsche dieses Herzens mit den Neigungen und Wünschen des Herzens Jesu Christi besteht.
Das allerheiligste Altarsakrament
Die Kirche und das Kreuz sind Gegenstand der ganzen Vorliebe Jesu Christi, weil die Kirche und das Kreuz unzertrennlich sind, wie die Ursache unzertrennlich ist von ihrer Wirkung. Was soll ich nun aber von dem allerheiligsten Altarsakrament sagen? Hat Jesus Christus Vorliebe zu diesem anbetungswürdigen Sakrament? Haben die Neigungen Seines Herzens die hl. Hostie zu ihrem Gegenstand? Zur ersten Antwort auf diese Frage frage ich meinerseits, ob das allerheiligste Altarsakrament nicht der unvergleichliche Schatz Jesu Christi ist. Wenn ich dieses erhabene Sakrament nenne, kann ich darin etwas Anderes sehen, als das heilige Fleisch, mit dem der Gottessohn im Schoß der Jungfrau Sich bekleidete, etwas Anderes, als das unendlich anbetungswürdige Blut, welches, einmal vergossen für das Heil der Welt, ewig fließen wird in den Adern eines Gottes? Hat nicht durch dieses göttliche Fleisch, durch dieses unendlich wertvolle Blut Jesus Christus Seinen Vater verherrlicht und das Menschengeschlecht wieder erkauft? Wenn dem aber so ist, wie betrachtet Jesus Christus Selbst Sein Fleisch und Sein Blut? Hat diese Hochachtung Schranken, hat sie Grenzen? Und wenn diese Hochachtung grenzenlos ist, muss sie da nicht eine unendliche Liebe erzeugen? Kann in der vollkommenen Seele des Sohnes Gottes die Hochachtung und die Liebe von verschiedene Charakter sein, müssen sie nicht denselben Grad haben? –
Der erhabene Thron in der Kirche
Doch sehen wir auf die Taten. Sicherlich muss die Handlungsweise Jesu Christi in Rücksicht auf Sein anbetungswürdiges Fleisch und Sein kostbares Blut uns das Maß Seiner Liebe und Seiner Zuneigung zu eben diesem anbetungswürdigen Fleisch und Blut angeben. Ich sage nun, daß diese Liebe Jesu Christi zu Seinem heiligen Leibe dazu beitrug, daß Ihm eine unendliche Ehre, ein göttlicher Ruhm zu Teil ward. Diese Ehre und diesen Ruhm finde ich in dem allerheiligsten Sakrament. Sieh hin auf jenen erhabenen Thron in der Kirche! Da werden alle Huldigungen, alle Ehrenbezeigungen, die der Gottheit gebühren, fortwährend dem Leibe Jesu Christi erwiesen. Die ganze Erde ist erfüllt von diesem Ruhm, alle Völker besingen ihn: Das ist ein Triumph in jedem Augenblick!
Wollt ihr aber eine Ehre, noch größer als die einer ewigen Anbetung? Schauet einmal aufmerksam hin auf die heilige Hostie: aus ihr hat Jesus Christus das Brot unserer Seele gemacht, und hier finde ich für das Fleisch und das Blut des Heilandes eine Verherrlichung, die allen menschlichen Begriff übersteigt. Wie? Das Fleisch und das Blut Jesu wird meine Seele nähren, die eine geistige Substanz ist? Der Leib wird nähren den Geist, der Stoff wird dem geistigen Wesen das Leben geben! O unbegreifliches Geheimnis! – So ist dieses Geheimnis die höchste Verherrlichung, die ich mir von der heiligen Menschheit Jesu Christi denken kann.
Was unterstellt diese so hohe, so erhabene Verherrlichung seitens desjenigen, der sie gewollt, anders, als eine unendliche Liebe zu diesem Leibe, zu diesem kostbaren Blute, die ich finde in dem allerheiligsten Altarsakrament? Sag nun an, ob Jesus Christus für dieses Sakrament nicht eine ganz besondere Vorliebe haben wird, eine Vorliebe, erhaben über alles, was man sich nur denken kann! Nein, nie werden die Neigungen des Herzens Jesu, Seine Herzenswünsche auf einen Gegenstand gerichtet sein, der würdiger wäre, sie anzuziehen und sie unendlich zu machen!
Die Vorliebe der gläubigen Seele für das allerheiligste Sakrament
Wenn dem aber so ist, so wird eine Seele, zu deren Gunsten der Heilige Geist das tut, was Jesus Christus gelehrt hat, notwendig eine sehr lebhafte Vorliebe für das allerheiligste Sakrament haben. All` ihre Neigungen werden auf dasselbe gerichtet sein; all` ihre Neigungen werden auf dasselbe gerichtet sein; all` ihre Vorliebe wird sie nach diesem Gegenstand tragen, all` ihre Herzenswünsche werden ihm gelten. Hier ist kein Mittelding möglich: entweder muss man diese Wahrheit zugeben, oder man muss sich die Anschuldigung gefallen lassen, daß man die einfachste Wahrheit nicht einzusehen im Stande ist.
Wenn ich also im heiligen Evangelium diese Worte lesen werde: „Der Heilige Geist wird von Mir nehmen, um euch dasselbe mitzuteilen“, so werde ich an die Vorliebe Jesu Christi zu dem allerheiligsten Altarsakrament mich erinnern und mich prüfen müssen, wo in Bezug auf diesen Geschmack und diese Liebe mein Herz ist. Dieses wird das Mittel sein, den Grad der Wirkung des Heiligen Geistes in mir kennen zu lernen.
Ich darf diese Betrachtung nicht schließen, ohne alles Gesagte noch einmal kurz zusammen zu fassen; die Wahrheiten, die ich soeben gelernt, sind zu wichtig, als daß ich sie wieder vergessen dürfte.
Wer hat die Neigungen und den Geschmack Jesu Christi? Nur eine kleine Zahl von jenen Christen, die im Getümmel der Welt leben. Die meisten Menschen würden die Wünsche und Neigungen Jesu Christi nicht sofort verurteilen, wenn sie dieselben recht kännten. Die wahren Gläubigen indessen, Jene, welche den Geist Gottes haben, bewundern und lieben Alles, was Jesus Christus geliebt hat, und sie sind bemüht, in dieser Liebe zu wachsen, da diese allein sie retten kann. Auf welcher Seite stehe ich in diesem Augenblick? Habe ich den Geschmack Jesu Christi? Denn Widerwillen haben gegen Alles, was Er liebt, heißt schließlich so viel, als Widerwillen haben gegen Ihn Selbst. Was ist aber ein Christ, der keinen Geschmack an Jesus Christus hat? Dieser Unglückliche hat keinen Geschmack an Gott und an demjenigen, was von Ihm kommt: was soll ich von seinem Zustand denken? – –
Anmutung
Ihr gläubigen Seelen, lasset die Welt reden; lasset sie in ihrem Unverstand, wenn sie nicht weise werden will! Ihr eurerseits, vergesset nicht diese himmlischen Neigungen, die der Heilige Geist euch mitgeteilt, auf daß ihr diesen göttlichen, ganz himmlischen Sinn in eurer Seele vermehret, und ihr werdet mit dem hl. Paulus sagen: „Wir haben nicht den Geist dieser Welt empfangen, sondern den Geist, der aus Gott ist!“ (2)
Anmerkungen zu: Die Vorliebe des Herzens Jesu für das allerheiligste Sakrament
(1) Vgl. Eph. 1,13: „(Christus), in welchem auch ihr (berufen wurdet), da ihr das Wort der Wahrheit hörtet, das Evangelium eures Heiles, woran ihr glaubtet und besiegelt wurdet mit dem Heiligen Geist der Verheißung, der ein Unterpfand unserer Erbschaft ist bis zur Erlösung der Erwerbung zum Lobe Seiner Herrlichkeit.“ – 4,30: „Betrübet nicht den Heiligen Geist Gottes, in welchem ihr besiegelt seid auf den Tag der Erlösung!“
(2) 1. Kor. 2,12: Nos autem non spiritum huius mundi accepimus, sed Spiritum, qui ex Deo est, ut sciamus, quae a Deo donata sunt nobis. –
aus: F. X. Coulin, Apostol. Missionar und Ehrendomherr von Marseille, Der Heilige Geist Betrachtungen, 1881, S. 105 – S. 120