Die Reise von Maria und Joseph nach Bethlehem – Wie Maria und Joseph nach Bethlehem reisten
Der Weg, den sie reisen mussten, war schier vierthalb Tagreisen, nämlich von Nazareth nach Jerusalem drei große Tagreisen, von Jerusalem aber bis Bethlehem drei gute Stunden. Von Nazareth bis zum Flecken Ginim ist zwar ein ziemlich guter und ebener Weg; von Ginim aber bis Jerusalem geht es immer bergauf und bergab. Desgleichen von Jerusalem nach Bethlehem ist der ganze Weg sehr rauh, steinig, bergig und beschwerlich, ausgenommen auf dem halben Weg an den Terebinthen-Baum Mariä, wo er eine Weile eben und sanft ist. Und nun beherzige, was die zarte Jungfrau Maria und der liebe Joseph auf diesem so weiten, bergigen und beschwerlichen Weg leiden mussten, und bilde dir ein, als sähest du sie ganz elendiglich einherziehen.
Die Mühen und Beschwerden auf der Reise
Das Wetter ist rauh und kalt, wie es gemeiniglich im Christmonat (Dezember) zu sein pflegt; bald regnet`s, bald schneit`s, bald ist es windig, bald neblig, der Boden bald hart, bald kotig, bald bergauf, bald bergab.
Die zarte Jungfrau ritt bisweilen auf dem Esel, bisweilen ging sie zu Fuß; denn lange zu reiten war ihr zu kalt, und lange zu gehen war zu beschwerlich für sie. Wenn sie ritt, so führte Joseph den Esel am Zaum, damit er nicht strauchle; wenn sie aber ging, so trieb er den Esel voraus und hatte allezeit große Sorge, daß ihr ja kein Ungemach widerfahre. Also gingen sie beide mühselig einher und mussten auf dieser Reise viel ausstehen; denn ohne Zweifel tat der zarten Jungfrau das Gehen gar wehe, und Wind und Regen waren ihr gar beschwerlich.
O was für ein herzliches Mitleiden hatte der fromme Joseph mit ihr, und wie tat`s ihm so wehe, daß er sie so viel Ungemach musste leiden sehen!
Er hätte gern alles Elend der Welt allein gelitten, wenn er nur sie dadurch von aller Beschwernis hätte befreien können. Wenn er merkte, dass sie müde war, bat er sie so lange, bis sie entweder ausruhte oder wieder ritt; und wenn sie bisweilen an einen gelegenen Ort kamen, so kehrte er daselbst ein, damit sie sich wärmen und erquicken möchten. Er ging auch gar langsam und gemach und machte gar kurze Tagreisen, auf daß die liebe Jungfrau desto sanfter könnte fortkommen. Kurz, er tat alles, wovon er denken konnte, dass es der Jungfrau lieb wäre, und bewahrte sie nach Möglichkeit vor allem Ungemach.
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O wer kann sich nicht genugsam wundern, daß der liebe himmlische Vater diesen ihm so wohlgefälligen Personen so viele Leiden gesendet hat? Wer sollte sich nicht über diese große Armut der seligsten Jungfrau und ihres und ihres frommen Bräutigams erbarmen? Darum tröstet euch mit ihnen, ihr armen und dürftigen Leute! Wenn ihr auch bisweilen große Kälte und Not leiden müsst, und nehmt all euer Kreuz mit Geduld von der Hand Gottes an. Ruft den hl. Joseph in allen euren Nöten um Hilfe an, und sprecht ihm zu Ehren mit Andacht folgendes
Gebet zu Ehren der Reise nach Bethlehem
O allerseligster Joseph! Ich erinnere dich an die mühselige Reise, welche du von Nazareth nach Bethlehem machtest, als du die seligste Jungfrau mit großem Fleiß und vieler Sorgfalt dahin führtest. Gedenke, wie viel Elend du ausgestanden, wie viele saure Schritte zu getan, wie manches rauhe Wetter zu ertragen und wie viele Müdigkeit zu gelitten hast. Überdies erinnere ich dich an das herzliche Mitleiden, welches du mit deiner allerliebsten Braut gehabt, und an die treuen Dienste, welche du ihr auf dem Wege erzeigt hast. Denn wegen der unaussprechlichen Liebe, welche du zu ihr getragen, dientest du ihr mit höchstem Fleiß, und alles, was sie litt, ging dir mehr zu Herzen als deine eigenen Leiden.
O wäre ich bei dir gewesen, heiliger Joseph, wie gern wollte ich alle Beschwerden des Weges ausgestanden und Hunger, Durst und Kälte mit dir gelitten haben! O mein liebstes Jesuskindlein! Im Geiste der Andacht gehe ich mit dir und geselle mich zu deinen lieben Eltern Maria und Joseph. Ich will dich begleiten auf dem ganzen Weg und bei dir bleiben bis zu deiner Geburt. Denn wo könnte ich mich besser befinden als bei dir? Und von wem könnte ich mehr Gutes empfangen als von dem Herrn Himmels und der Erde?
Sieh, wie deine lieben Eltern auf diesem Weg so vieles leiden müssen und gleichwohl alles mit höchster Geduld ertragen, ja sogar bereit sind, tausendmal mehr um deinetwillen zu erdulden, da sie wohl wissen, dass es zu deinem Dienst und zu deiner Ehre gereiche.
O wenn ich auch eine solche Liebe zu dir hätte und mit Freuden alle Widerwärtigkeiten ertrüge! Verleihe mir etwas von deiner Geduld, damit ich ihren Fußstapfen treulich nachfolge. Ich opfere dir alle mühseligen Schritte auf, welche sie auf dieser weiten Reise getan haben, zur Verzeihung aller sündhaften Schritte, welche ich zum Bösen schon gemacht habe. Amen.
Die Freude von Maria und Joseph auf dieser Reise
Hierbei ist auch zu vermerken, daß, obschon diese weite und mühselige Reise Maria und Joseph sehr beschwerlich fiel, dieselbe ihnen doch auch sehr süß und lieblich war, nicht allein weil sie wussten, daß es Gott so haben wollte, sondern auch, weil sie denjenigen persönlich bei sich hatten, welcher alle Mühe und Arbeit leicht macht.
Gedenke, o Mensch, was Maria für Freude empfand, als sie die Süßigkeit des Himmels in ihrem keuschen Leib trug. Sie war auf der ganzen Reise so sehr mit ihrem Kindlein im Geiste vereinigt, dass sie kaum bemerkte, was sie äußerlich tat oder litt. Sie redete allzeit mit der Gottheit ihres lieben Jesukindes, und ihr Geist frohlockte in Gott, ihrem Heiland. Viele Legionen Engel umschwebten sie, welche ihr dienten und mit höchster Ehrerbietung sie begleiteten.
Ebenso hatte auch der hl. Joseph unaussprechliche Freude, weil er wusste, dass er seinen Erschaffer bei sich hatte, dass er denjenigen begleitete, den die englischen Geister allenthalben begleiten. O mit welcher Ehrfurcht wandelte er in seiner Gegenwart!
O wie hütete er sich, etwas zu tun, was seinen Augen missfallen konnte! Er redete auch oft gar freundlich mit Maria von der nahen Geburt Christi und von allen Gnaden, die er ihnen beiden gezeigt hatte. Wenn sie dann eine Weile miteinander geredet hatten, so verrichteten sie wieder ihr Gebet und redeten in ihren Herzen mit dem süßen Kindlein, das sie bei sich hatten. Also brachten sie einen Tag nach dem anderen zu, bis sie endlich frisch und gesund nach Jerusalem und von da nach Bethlehem kamen.
Die Begrüßung Bethlehems durch Maria
Als nun Maria die Stadt Bethlehem, welche sie zuvor noch nie gesehen hatte, vor Augen sah, wie meinst du wohl, daß sie sich innerlich und äußerlich werde erfreut haben?
Sie erhob ihre Hände und Augen gen Himmel und dankte Gott, dass sie diesen Tag erlebt hatte. Danach wendete sie sich gegen die Stadt und sprach mit freudigem Herzen: „Sei mir gegrüßt, du von Gott gesegnete Stadt vor allen Städten der ganzen Welt! Groß war bisher dein Name, weil unsere liebe Väter Jesse und David in dir geboren worden; jetzt aber wird dein Name viel größer werden in aller Welt, da Gott dich auserkoren hat zur Geburtsstätte seines eingebornen Sohnes. Ihr glückseligen Bewohner Bethlehems! Wenn ihr wüsstet, wer derjenige ist, der da kommt, euch heimzusuchen, mit welcher Freude würdet ihr ihm entgegeneilen und wie bereitwillig ihm das beste Haus der ganzen Stadt einräumen!“ –
Hierauf sprach sie zu Joseph: „Wo werden wir einkehren und ein schönes Gemach finden, worin der Heiland geboren werde?“ Joseph entgegnete: „Lass nur mich sorgen, meine liebe Maria! Denn ich habe viele Freunde und Bekannte in der Stadt, weil ich darin geboren und erzogen worden bin.“ Maria sprach: “Dafür sei Gott gelobt! Denn obschon ich gern bei armen Leuten vorlieb nehmen wollte, so möchte ich doch nicht gern sehen, daß mein hochheiliges Kindlein an einem solchen Ort sollte geboren werden.“ Also freundlich redend kamen sie zur Stadt, und zwar noch gut bei Tage, es war an einem Freitag.
Geselle dich, o andächtige Seele! Zu Maria und Joseph und stelle dir vor, als wenn du ihnen alle Dienste auf dem Weg leisten würdest. –
aus: Des ehrw. P. Martin von Cochem großes Leben und Leiden unseres Herrn und Heilandes Jesu Christi und seiner glorwürdigen Mutter Maria, 1898, S. 96 – S. 99
Bildquellen
- Joseph_and_Mary_arrive_at_Bethlehem: wikimedia