Für die heilige Pfingstzeit – Der Gott der Wahrheit, Gutheit und Schönheit
Der Heilige Geist – Gott der Gutheit
Was ist Gutheit?
Gutheit ist das Begehren, das Leben und der Adel des freien menschlichen Willens. Es ist die sittliche Gutheit, die wir hier meinen, eine ständige geordnete Verfassung des freien Willens in Unterwürfigkeit gegen die Vernunft und die Anforderungen der sittlichen Ordnung in Bezug auf uns, auf die Mitmenschen und Gott. Hier ebenfalls ist die Sittlichkeit im übernatürlichen Sinn zu verstehen. Keine natürlich Gutheit mag uns zum übernatürlichen Ziel verhelfen. Wie der Verstand, so muss auch der Wille schon hienieden in die übernatürliche Ordnung erhoben sein und mit übernatürlichen Kräften streben.
Der Heilige Geist macht uns wirklich gut
Auch hier ist der Einfluss und die Wirksamkeit des Heiligen Geistes entscheidend. Er ist ja der Heilige Geist, der Geist der Heiligkeit, weil der Liebe; denn die Heiligkeit ist nichts als die Reinheit und Beständigkeit der Liebe. Er ist aber die Person der Liebe in Gott, weil er durch den Willen und die Liebe ausgeht. So steht er durch diese persönliche Eigenschaft dem Willen des Menschen zunächst und vollzieht in ihm alle Heiligkeit, wie er in der Gottheit selbst die Person der Heiligkeit ist und nach außen alle Heiligkeit mitteilt. Somit ist der Heilige Geist wie das Vorbild aller Heiligkeit, so auch der Ursprung und Bewirker aller Heiligkeit und sittlichen Gutheit. Der Heilige Geist macht uns also wirklich gut, übernatürlich gut, indem er uns seine Gutheit mitteilt. Wie er für die Vermittlung der Wahrheit auf den Verstand des Menschen so viele Mittel, äußere und innere, anwendet, so auch für die Mitteilung der Gutheit an den Willen.
Die äußerlichen Mittel des Heilige Geist
Äußerlich verhilft er zur Gutheit durch das Gesetz, das gleichsam ein sichtbarer und handgreiflicher Weg zum Guten ist. Die Gesetzgebung ist aber immer eine Betätigung des heiligen Geistes. Schon im Alten Bund galt er als Urheber des Gesetzes, das großenteils auch in den Neuen Bund übergegangen ist, und wurde der „Finger Gottes“ genannt, welcher die Gesetzestafeln schrieb (2. Mos. 34, 1; 5. Mis. 9, 10). Dem äußeren Gesetz entspricht aber sogleich als innerer Widerschein und Widerhall oder vielmehr als ein geistiges Urbild des äußeren Gesetzes die Vernunft und das Gewissen im Menschen. Unsittlich ist ja etwas nicht gerade, weil es verboten ist, sondern weil es gegen die geordnete Vernunft geht. Urheber dieses inneren Gesetzes wie des äußeren (Apg. 20, 28) ist wieder der Heilige Geist (2. Kor. 3, 3). –
Ein anderes äußeres Mittel in der Hand des Heiligen Geistes ist das kirchliche Leben mit der Verkündigung des Sittengesetzes, mit dem öffentlichen Gottesdienst und den Segnungen des Kirchenjahres, durch das der Heilige Geist wie mit einem leuchtenden, erwärmenden und befruchtenden Luftkreis der Gnade nach dem Vorgehen des Naturjahres das christliche Leben umgibt, segnet und heiligt. –
Vor allem aber sind Werkzeuge der sittlichen Gutheit die heiligen Sakramente, die Zeichen und Bewirker der übernatürlichen Gnade und Heiligung sind. Von den Sakramenten kommt unsere ganze innere Gutheit und übernatürliche Heiligung. Die Sakramente sind Werkzeuge des Heiligen Geistes, um uns das Gnadenleben entweder mitzuteilen oder zu erhalten und zu entwickeln. Deshalb verteilt sie der Heilige Geist mit liebendem Sorgsinn über unser ganzes Leben, über alle Vorkommnisse und Bedürfnisse unserer irdischen Pilgerfahrt: selbst für die großen Gestaltungen des christlichen Gesellschaftslebens hat er Hilfe in den sog. Standessakramenten.
Die innerlichen Wirkung des Heiligen Geistes
Innerlich aber macht uns der Heilige Geist gut vor allem durch die heiligmachende Gnade. Sie ist eine geistige Nachbildung der göttlichen Natur in unserer Seele (2. Petri 1, 4). Sie heftet sich an den Grund unserer Seele, der in der Geistigkeit besteht, und verleiht ihr eine übernatürliche Geistigkeit, macht sie dadurch zum Kind und Erben Gottes. In der heiligmachenden Gnade besteht das Wesen und Fundament der übernatürlichen Gutheit, und sie kommt vom heiligen Geist, welcher deshalb der Geist der Heiligung (Röm. 1, 4), der Gnade (Hebr. 10, 29) und der Kindschaft (Röm. 8, 15) heißt und der mit ihr und durch sie sich selbst uns mitteilt. –
Die heiligmachende Gnade wie die Geistigkeit der Seele an und für sich ist aber noch kein tätiges Vermögen oder ein Vermögen zum Handeln und Wirken; sie geht zum Handeln über erst durch den Verstand und den Willen, welche die Grundkräfte zum Leben und Handeln sind. Der Heilige Geist vervollkommnet also unsere übernatürliche Gutheit und unser übernatürliches Leben, indem er den natürlichen Grundvermögen, dem Verstand und Willen, zu gutem und heilsamem Wirken übernatürliche Hilfskräfte verleiht. Dies geschieht durch die Verleihung der übernatürlichen Tugenden oder Tugendvermögen, und zwar in vielfacher, ausreichender und überfließender Weise. Der Heilige Geist verfolgt die ganze Einrichtung der natürlichen Fähigkeiten und gießt einer jeden von ihnen die entsprechenden Hilfskräfte ein, dem Verstand und Willen durch Verleihung zuerst der Tugenden, und vornehmlich der theologischen Tugenden, die sich geradewegs auf Gott beziehen, dann der moralischen Tugenden, die alle Beziehungen zu den Dingen außer Gott wahrnehmen. Diese Tugendvermögen verleihen dem Menschen die einfache Möglichkeit, unter dem Einfluss der wirklichen Gnade übernatürliche Werke zu verrichten. Damit dies aber leicht und ohne besondere Schwierigkeit geschehe, fügt der Heilige geist noch eine Reihe höherer Vermögen hinzu und den sog. Gaben des Heiligen Geistes, die sich ebenfalls gleichmäßig auf den Verstand und den Willen verteilen. Alle diese Kräfte werden dem Heiligen Geist, als dem Lebendigmacher und Vervollkommner des Lebens, mit Recht zugeschrieben (Röm. 5, 5; 15, 13; Gal. 5, 22; Is. 5, 22; Is. 11, 2f).
Aber sie würden nicht ins Leben treten und zu Handlungen übergehen, wenn sie nicht durch die vorüber gehende Gnade getroffen, geweckt und zur Tat befähigt würden. Hierin liegt wieder eine ganz eigentümliche Tätigkeit des Heiligen Geistes, der, alle Wege zu unserem Willen ausspähend und ergreifend, uns zuvor kommt und sanft und kräftig, ohne unsere Freiheit zu beeinträchtigen, an unsere Seelenstimmung anlehnend, uns das Heilswerk ermöglicht, das nie und nimmer zustande käme ohne seine Hilfe, weil wir ohne ihn nichts Heilförderndes tun, nicht einmal den Namen Jesu mit Verdienst aussprechen können (1. Kor. 12, 3). Selbst das Gebet, nach den Sakramenten das wichtigste und allgemeinste Gnadenmittel im geistlichen Leben, das zur Erlangung wirksamer Gnaden notwendig ist und niemand erlassen wird, ist in seinem Anfang und Ende ein Werk des Heiligen Geistes, denn der Geist unterstützt unsere Schwachheit; wir wissen nicht, um was wir rechter Weise beten sollen; er aber bittet nach Gottes Wohlgefallen für die Heiligen (Röm. 8, 26f). –
So gehen denn unter Mithilfe des Heiligen Geistes die übernatürlichen Kräfte und Vermögen in die Tat über und bringen die guten Werke und Heilsfrüchte hervor, deren Belohnung und Ziel die ewige Seligkeit ist. Eben deshalb werden die Heilswerke mit Recht in der Heiligen Schrift „Früchte des Heiligen Geistes“ genannt. (Gal. 5, 22f) Ein guter Baum an Wasserbächen, mit Früchten und Blüten zugleich behangen, ist die Seele des Christen unter dem Walten des Heiligen Geistes. – Ja, der Heilige Geist hat in seiner Kirche einen eigenen Ziergarten der Tugend und Vollkommenheit angelegt, in dem die Wasser reichlicher fließen, die Sonne kräftiger Licht und Wärme spendet, wo er selbst vorzüglich die Gärtnersorge übernimmt und die reichsten Erzeugnisse seiner Gutheit, seiner Liebe zu Gott und zu den Menschen erzielt. Es ist der Ordensstand, aus dem so viele Heilige und Glaubensboten hervor gingen, und der im besondern Sinne für eine Pflanzung des heiligen Geistes zur Pflege des geistlichen Lebens und zur Hilfe der Kirche gehalten wird. Seine herrliche Welt der Heiligkeit ist das Werk der Wahrheit und Gutheit des Heiligen Geistes und seines allgewinnenden und lieblichen Trostes.
So macht uns der Heilige Geist wirklich ganz gut. Er flößt sich uns ein, durchdringt alle unsere Vermögen und Fähigkeiten bis in den Grund unserer Seele hinein und erfüllt uns mit seiner übernatürlichen, göttlichen Gutheit. Ja er selbst gibt sich uns mit seinen Gaben, weiht uns zu seinem heiligen Tempel und zu seinem lebendigen Ebenbild ein. In unserer Seele wohnend und wirkend, ist er so recht unser treuer Vormund, unser Lehrer und Erzieher. Es gibt keinen Künstler, der so liebewarm an seinem Kunstwerk arbeitet, keinen Lehrer, der so unentwegt über seinen Zögling wacht, keine Mutter, die mit größerer Liebe an ihrem Herzenskind hängt, wie der liebe Heilige Geist in unsern Herzen weilt, betet, arbeitet, reinigt und veredelt, und das alles mit einer Geduld und Ausdauer, die wirklich unserer ganzen Dankbarkeit und Liebe wert ist. Was der Heilige Geist aus uns machen kann und will, wird offenbar an den heiligen, sowohl des Alten als den Neuen Bundes. Sie alle gingen hervor aus seiner Schule, sie waren seine besten Schüler, und wie herrlich und groß hat er sie nicht gemacht vor Gott und der Welt! Vertrauen wir also auf den heiligen Geist; er ist gut und wird auch uns gut machen. Was für eine Güte ist schon das, daß er uns nicht bloß in der Taufe von der Sünde gereinigt und in seine Kirche aufgenommen hat, sondern daß er uns nach der Taufe in dem Sakrament der Buße die schwere Sünde vergibt, die alle übernatürliche Güte in uns austilgt. In welch anderer Religion können wir Gewissheit haben, daß unsere Sünden vergeben sind? Und doch hängt davon die große Entscheidung, unsere Ruhe, unser Friede und unsere Seligkeit ab. In der katholischen Kirche allein haben wir diese Gewissheit. Sie ist das Haus des Heiligen Geistes. Ja er selbst ist die Vergebung der Sünden. –
aus: Moritz Meschler SJ, Aus dem katholischen Kirchenjahr, Erster Band, 1919, S. 431 – S. 435