Alle suchen das Ihrige nicht die Sache Jesu

Die Liebe zu Jesus Christus: Zwei Engel halten das Schweißtuch Jesu in den Händen

Alle suchen das Ihrige nicht die Sache Jesu Christi

 19. März

Fest des heiligen Joseph

Omnes, quae sua sunt, non quae Jesu Christi.
„Alle suchen das Ihrige, nicht die Sache Jesu Christi.“ ( Philipp. 2, 21)

1. Betrachte, welch zärtliches Mitleid du mit dem lieben Jesus haben sollst, wenn du siehst, daß so Wenige auf Erden seine Sache vertreten. Übergehen wir die sogenannten Weltkinder, die sich offen als solche bekennen; was tun selbst so viele Priester, so viele Prediger, Pfarrer und Prälaten, lauter Gott geweihte Menschen? Sind sie etwa alle durch ein festes Band geeinigt zur Ehre Christi? Zur Bestrafung der ihm zugefügten Beleidigungen? Zur eifrigen Aufsuchung von Vorteil und Gewinn für ihn? O im Gegenteil sind darunter so viele, die sich selbst lieben, die mit höchster Begierde das Ihrige suchen, nicht die Sache Jesu Christi, daß der Apostel sagt: Alle seien so. Ja, so ist es, alle lieben zwar die Ehre und das Wohl Christi, billigen, loben und verlangen sie, aber sie suchen dieselben nicht, weil sie auf ganz verschiedene Weise in der Sache in der Sache Christi und der ihrigen handeln.

Der arme Weinberg Christi

2. Erwäge, daß diese verschiedene Handlungsweise sich besonders aus den zwei oben angeführten Zeichen erkennen läßt, nämlich aus dem Benehmen bei Beleidigungen und dem Eifer für Gewinn.

Was vorerst die Beleidigungen betrifft, so siehe nur, wie sie wüten, wenn ihrer eigenen Person, einem Verwandten oder den Hausgenossen eine Unbild widerfährt! Wo sind hingegen Jene, die zu donnern wagen gegen so viele Gotteslästerer, welche den ganzen Tag über den Namen des Herrn entehren? Man begnügt sich, sie mit Wortschall zu schrecken. Wie viele Ehebrecher gibt es, die stets ungestraft dahin leben, wie viele Ärgernisgeber, wie viele Gottesräuber, – wenn sie nur sonst Niemanden schaden als Jesu Christo!

In Betreff des Gewinnes erwäge ein wenig, mit welchem Eifer man daran denkt, den Glanz des eigenen Hauses zu fördern und wo möglich zu erhöhen. Wer sorgt hingegen mit gleichem Eifer für so viele Arme, die ohne das Brot des göttlichen Wortes haufenweise auf dem Lande draußen vor Hunger sterben? Oder wer fördert mit gleicher Sorgfalt die Einkünfte der Kirche oder die Zunahme der Klöster? Ja wird nicht vielmehr von Vielen selbst das Einkommen der Kirche ohne Anstand zum Nutzen ihres Hauses verwendet? O armer Weinberg Christi! Gibt es doch so Viele, die sich wie die Herren darin benehmen, die, nicht zufrieden, Trauben zu ihrer Sättigung zu nehmen, sie auch noch hinaus schleppen, um sie den Neffen, Schwägern, Verwandten und anderen beliebigen Personen mit um so größerem Unrecht zu geben, als so etwas in dem Weinberg des gemeinsten Mannes zu tun niemals erlaubt war. „Denn wenn du“, spricht der Herr, „in den Weinberg deines Nächsten kommst, so iß Trauben, soviel dir beliebt, hinaustragen aber darfst du keine.“ (Deut. 23,24) Heißt das, Christi Vorteil sich angelegen sein lassen? Heißt es nicht vielmehr, ihn seiner Habe berauben, so daß es dann an Mitteln fehlt, die Armen zu nähren, die Widerspenstigen zu gewinnen, die Gegner zu unterdrücken, die Freunde zu belohnen?

Viele benützen Jesus für sich selbst

3. Betrachte, daß so Viele, die demnach nicht die Sache Jesu Christi suchen, vielmehr den Herrn Jesus Christus selbst benützen, um besser das Ihrige suchen zu können. Das kannst du wieder in den beiden oben erklärten Punkten, in der Beleidigung und in dem Gewinn sehen.

In Betreff der Beleidigung wirst du Manche finden, die Christus als Schutzmantel zur Sicherung ihrer eigenen Ehre gebrauchen. Obwohl es keinem Zweifel unterliegt, daß das priesterliche Gewand von Allen in höchsten Ehren zu halten sei; wirst du doch sehen, daß nicht Alle diese Ehre deshalb fordern, weil das Kleid heilig, sondern weil es das ihrige ist. Forderten sie diese Ehrenhaltung bloß wegen der Heiligkeit des Kleides, wie könnten sie es dann an sich selbst so verachten, daß sie profanen Gesellschaften beiwohnen, gewisse Verhältnisse unterhalten, zu Schmeicheleien sich herabwürdigen, Handel treiben und andere Dinge üben, die der Heiligkeit des Kleides so zuwider laufen?

Was den Gewinn anbelangt, kannst du Unzählige sehen, die Christum vorschützen, um – mehr zu gewinnen. Es gehört zur Würde Christi, sagt man, den Glanz seines Standes aufrecht zu halten. Allerdings; doch gehört das nicht auch zur Würde Christi, daß man mehr Mitleid gegen die Armen trage, und die Sanftmut, die Bescheidenheit und die Keuschheit mehr beobachte? Wohl tausendmal hat Christus diese Tugenden empfohlen, den Glanz nicht ein einziges Mal, obwohl ich ihn lobe, wenn er nicht in Luxus ausartet. Geht man deren Einen an, um ihn zu irgendeinem bedeutenden Werk zur Ehre Gottes zu vermögen, ein Seminar zu errichten, eine Kirche oder ein Kloster zu bauen, also gleich hat man die Antwort: „Es ist noch nicht Zeit, das Haus des Herrn zu bauen“ (Agg.1,2); man müsse bedachtsam zu Werke gehen, um den Kultus und die Ehre Gottes nach Gebühr zu fördern, müsse günstigere Zeiten, bessere Gelegenheiten abwarten, sonst müsste man die Sache übereilen. Und doch – zur Bereicherung des Hauses ist es immer Zeit, sind alle Gelegenheiten passend, scheinen alle Umstände günstig. Ja man sieht, wie sehr sie eilen, damit sie doch nicht von der Zeit, der schlimmsten Betrügerin der Ehrsüchtigen, verraten werden. „Es ist noch nicht Zeit, das Haus des Herrn zu bauen“, so klagte Gott schon im alten Bund, „und dann eilet ihr ein Jeder in sein Haus“ (Agg. 1,9). Aber das ist noch nicht alles. Du findest auch Solche, die oft aus Eitelkeit predigen, dafür aber einen Deckmantel suchen und sagen, es gehöre zur Ehre Gottes, daß die Kirche durch das Zusammenströmen des Volkes voll sei. Aber um dieselbe Ehre Gottes ist man nicht besorgt, wenn anderswo noch mehr Volk zusammen strömt. Christi Ehre ist es, daß oft gepredigt wird; Christi Ehre ist es, daß die Leute oft beichten; Christi Ehre, daß der eigenen Orden Siege feiere über die Heiden, Ketzer und besonders die Sünder, welch letztere doch leichter zu bekehren sind. Aber gehört das auch zu Christi Ehre, wenn man sich ärgert, daß solche Palmen in fremdem Wald ebenso schön wachsen? Sieh da, in welchen Stand man jenen mächtigen Herrn versetzt, dem wir so sehr verpflichtet sind. Wir wollen ihm nicht bloß keine treuen Dienste leisten, sondern verlangen sogar, daß er uns zum Deckmantel diene für unsere Fehler, d.h. für eben jene Beleidigungen, die wir ihm antun. „Zu deinen Sünden habe ich dir dienen müssen“ (Is. 43,24).

Erforsche dich ob du Jesus wahrhaft liebst

4. Betrachte, daß man mit Recht bittere Tränen weinen soll, wenn die Beleidigungen und die Sache Jesu Christi so wenig beachtet werden. „Alle suchen das Ihrige, nicht die Sache Jesu Christi.“ Wenn du aber schuldigermaßen über solche Verkehrtheit trauerst, so musst du dich selbst sorgfältig vor dem nämlichen Fehler bewahren, um nicht Jenen zu gleichen, die ihr unglückliches und gegen Verdienste so undankbares Jahrhundert betrauern, aber nicht bedenken, daß sie selbst dazu beitragen, indem sie die Zahl der Ehrgeizigen vergrößern. Erforsche dich darum aufs genaueste und siehe, ob du Jesum wahrhaft liebst.

Und willst du dies klar erkennen, so untersuche nur, wie du dich selbst hassest. Denn nur deshalb ist Jesus Christus verlassen, weil seine Gläubigen ganz voll von Eigenliebe sind. Dieses Laster musst du mit der Wurzel ausreißen, indem du dich nie selbst suchen sollst, selbst da nicht, wo es erlaubt wäre. „Keiner suche das Seinige.“ (1.Kor. 10, 24) Du sollst nicht sagen, erst für die Ehre Jesu Christi und dann für die deinige sorgen zu wollen; sondern einzig für die Ehre Christi. So bist du sicherer, daß dir dein Benehmen nicht  zum Deckmantel der Selbstsucht diene. Wenn dir was immer für eine Beschäftigung unter die Hände kommt, so erwäge also gleich, ob sie zur Ehre Christi gereiche. Dessen befleiße dich, wenn du reisest oder zu Hause bist, wenn du wachest oder schläfst. Wenn du ungefähr weltliche Neuigkeiten hörst, so lasse dich nicht darauf ein, außer dann, wenn auch Christus Teil daran hat. Beteure ihm tausendmal, aber mit aufrichtigem Herzen, daß du auch nicht einen Augenblick leben möchtest, außer allein für ihn. O wie billig ist es, daß du dich einmal entschließest, nicht nur Jesum mehr als dich selbst zu lieben, sondern auch dich selbst nicht anders zu lieben, als in Beziehung auf Jesus Christus!

Der heilige Joseph als Vorbild

5. Betrachte, wie uns der Herr an dem glorreichen heiligen Joseph einen Menschen zeigen wollte, der ganz für Christus, nicht für sich selbst lebte. Er war allerdings der Bräutigam der seligsten Jungfrau, aber nur insofern dies zur Ehrenrettung Christi und seiner heiligen Mutter erforderlich war. Übrigens ließ der Heilige seine Braut stets unberührt, gleich der Ulme, die sich wohl dem Weinstock vermählt, aber an dessen Frucht nicht den mindesten Teil hat. Joseph war gleichfalls der Vater Jesu Christi, aber nur ein Vater dem Namen, der Hilfe, der Liebe nach, sofern er nämlich für Christus jene Sorgfalt haben musste, die jeder Vater für sein Kind hat; aber die Ehre, in Wahrheit der Vater Christi zu sein, sollte er nicht haben. Von seinem Leben sollten wir nur jene wenigen Handlungen kennen lernen, die zur größeren Ehre Christi gereichten. Und nach seinem Tode musste er viele Jahrhunderte unbekannt, unverherrlicht und beinahe hätte ich gesagt, ohne alle Verehrung bei den Völkern sein: so forderte es die Ehre Christi. Denn weil einige verwegene Ketzer gleich anfangs unter dem Volk den Irrtum verbreiteten, daß Christus der wahre Sohn Josephs gewesen sei; so musste die Kirche vorsichtig sein und für den heiligen Joseph vielmehr eine mindere Hochschätzung an den Tag legen; weshalb es uns nicht wundern darf, wenn sie ihn in der äußeren Verehrung vielen anderen Heiligen nachsetzte, die ihm doch an Verdienst weit nachstanden.

So scheint es bei näherer Betrachtung, daß dieser so große Heilige auf Erden die hohe Ehre haben sollte, nach welcher der heilige Bernard so sehr seufzte, wenn er ausrief: „Ich bin zufrieden, wenn mich der Herr als Schild gebrauchen will.“ Ein solcher Schild zum Schutze Jesu Christi war in Wahrheit der heilige Joseph, indem er alle Pfeile, die sonst Christum getroffen hätten, in sich aufnahm. So beschützte er sein Leben, indem er ihn dem Schwert des Herodes entzog und mit größter Anstrengung schnell nach Ägypten floh. Er schützte ihn vor Hunger, indem er ihn mit Speise versah; er schützte ihn vor Kälte, indem er ihn kleidete; er schützte ihn vor jener tiefen Not, die ihm sonst von allen Seiten bevorstand, indem er ihm täglich das mit seinem Schweiß Erworbene mitteilte. Endlich schützte er ihn vor den schrecklichen Schmähungen unzähliger Verleumder; indem er in seinem Leben und nach seinem Tod beigetragen, die Ehre Christi ganz unverletzt zu bewahren.

Deshalb sollst du dir diesen Heiligen von Allen zum Fürsprecher auserwählen, um die größte Gnade zu erlangen, nämlich nur für Jesus Christus auf Erden leben zu wollen. Er schützt zwar jeden, der ihn anruft, in jeder Not: „Er ist ein Schild denen, die auf ihn hoffen“ (Prov. 30, 5); aber du sollst ihn nur bitten, daß er dich vor dir selbst schütze, weil du dein eigener größter Feind bist, indem du, um für dich zu leben, nicht für Christus lebst. –
aus: Paul Segneri S.J., Manna oder Himmelsbrod der Seele, 1853, Bd. I, S. 214 – S. 219

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