Lexikon für Theologie und Kirche
Stichwort: Herodes
Herodes und die herodeische Dynastie.
Über die von Johannes Hyrkanus I. unterworfenen Idumäer hatte Alexander Jannäus in Antipas einen Einheimischen als Statthalter gesetzt. Das ist der Stammvater des herodeischen Hauses. Sein Sohn Antipater wurde 47 von Cäsar dem schwachen Hyrkanus II. als Prokurator beigegeben. Von seinen 4 Söhnen ernannte er Phasael und Herodes zu Statthaltern von Judäa bzw. Galiläa. 43 wurde er beim Gastmahl vergiftet auf Anstiften des Malichus, der bald darauf bei Tyrus durch Meuchelmord der Rache des Herodes verfiel.
Herodes d. Gr. * Julius Herodes Archelaus * Herodes Antipas * Herodes Philippus * Herodes Agrippa I. * Herodes Agrippa II. * Herodias
Herodes (*ca. 73 v. Chr.), gewöhnlich „der Große“ genannt, aber unverdient, griff als Statthalter v. Galiläa sofort energisch gegen eine zahlreiche Rotte, die das Land unsicher machte, ein und ließ den Führer Ezechias mit vielen Genossen hinrichten. Darin sah das Synedrium eine Einmischung in seine Kompetenz und verlangte, daß man Herodes zur Verantwortung ziehe. Er wich jedoch einer Urteilsfällung aus, fand Zuflucht beim römischen Statthalter in Syrien und erhielt eine Stelle in der syrischen Provinzialverwaltung, erzwang sich aber bald die Rückkehr, gestützt auf ein Heer und das hinter ihm stehende Rom. 45 stand er auf Seiten der Cäsarianer, ging nach Cäsars Ermordung ins gegnerische Lager und nach der Schlacht bei Philippi (42) zu Antonius, den er durch reiche Geschenke für sich einnahm. Der Triumvir ernannte (41) Phasael und Herodes zu Tetrarchen des jüdischen Gebietes. Durch den Einfall der Parther im Jahr 40 in Vorderasien und mit ihrer Hilfe gelang es dem hasmonäischen Thron-Prätendanten Antigonus, in Jerusalem einzudringen. Hyrkanus und Phasael wurden gefangen; dieser entleibte sich im Kerker. Herodes floh über Ägypten und Rhodus nach Rom.
Hier wurde er auf Verwendung des Antonius und Oktavian durch Senatsbeschluss gegen Ende 40 als König der Juden anerkannt. Unter wechselvollen Kämpfen nahm er mit Hilfe eines römischen Heeres nach mehrmonatiger Belagerung Jerusalem ein (37). Zu Samaria hatte er sich inzwischen mit der Hasmonäerin Mariamme vermählt, einer Enkelein Hyrkanus II, dessen Rückkehr aus der Gefangenschaft er durch reiche Geschenke an den Partherkönig erwirkte. Herodes begann sein Regiment mit Ächtungen und Hinrichtungen der Vornehmsten. Streng hielt er mit Hilfe eines zuverlässigen Söldnerheeres die Widerstrebenden nieder. Unter den Hasmonäern stand ihm besonders Alexandra, die Mutter der Mariamme, feindlich entgegen. Sie erzwang, daß er an Stelle des von ihm eingesetzten unbedeutenden babylonischen Juden Ananel ihren 17jährigen Sohn Aristobul III. zum Hohenpriester ernannte (35), den er aber bald in Jericho beim Baden ertränken ließ. Eine weitere feindliche Macht war Kleopatra. Ihr schenkte Antonius das Gebiet um Jericho, das dann Herodes wieder abpachten musste. Auch für den von den Nabatäern an die Ägypterin zu entrichtenden Tribut hatte er einzustehen und im Interesse Kleopatras (32) einen Krieg mit ihnen zu führen, der glücklich verlief.
Nach der Schlacht bei Aktium (Sept. 31) ergriff er die Partei des Augustus. Von ihm wurde er, nachdem er zuvor noch den 80jährigen Hyrkan hatte hinrichten lassen, bei einer Zusammenkunft in Rhodus (Frühjahr 30) als König bestätigt. Im Herbst suchte Herodes den Augustus abermals in Ägypten auf und erhielt Jericho zurück, außerdem Samaria, Gadara, Hippos, Gaza, Anthedon, Joppe, Stratonsturm. Zurückgekehrt, ließ er (29) seine Gemahlin Mariamme angeblich wegen Untreue hinrichten, 28 deren Mutter Alexandra, 25 auch die 2 Söhne Babas, Seitenverwandte des Hasmonäer-Hauses, womit dieses nun völlig ausgerottet war. Sein Schwager, der Idumäer Kostobar, der jenen Schutz gewährt hatte, erlitt das gleiche Schicksal. –
Der jüdischen Kultur stand Herodes fremd gegenüber, dagegen zog es ihn zum Hellenismus. Er sammelte griechisch gebildete Männer um sich und übertrug ihnen die wichtigsten Staatsmänner; der bedeutendste darunter war Nikolaus v. Damaskus, zugleich sein Hof-Historiograph. Unbedingt war er Rom ergeben und pflegte eifrig den Kaiserkult. Für die Unterstützung des Aelius Galba bei dessen Feldzug gegen die Araber erhielt er 23 die Landschaften Trachonitis, Batanaea und Auranitis, 20 gelegentlich einer Zusammenkunft mit Augustus in Syrien auch die Tetrarchie des Zenadorus, d.i. die Landschaften Ulatha u. Panias mit den Nachbarbezirken.
Herodes entfaltete eine großartige Bautätigkeit, vielfach unter Verletzung jüdischer Anschauungen, so u.a. Bau eines Theaters, Amphitheaters und Hippodroms in der Nähe der Hauptstadt. Burgen und Festungen wurden angelegt (Machärus, Masada, Herodium) oder umgebaut, so die Makkabäer-Burg Baris als Antonia. In Jerusalem entstand ein prächtiger Königspalast; 20 begann der Umbau des Tempels (erst unter Agrippa II. vollendet). Samaria wurde prächtig verschönert und in Sebaste umbenannt; an Stelle von Stratonsturm entstand Cäsarea mit großartiger Hafenanlage; alte Städte wurden wieder hergestellt (Anthedon als Agrippeion)), neue entstanden (Antipatris, Phasaelis); in den nicht-jüdischen Städten erstanden Tempel des Augustus. Weit über Palästina hinaus betätigte er eine verschwenderische Freigebigkeit, so in den Seestädten Phöniziens, in Damaskus, Antiochia, selbst bis nach Pergamum, Rhodus, Athen u. Sparta. Überall wußte er sich in höchstes Ansehen zu setzen durch Schaustellung seiner Macht und Munifizenz. –
Der letzte Teil seiner Geschichte ist vorzugsweise Hofgeschichte. Besonders unheilvoll war das Zerwürfnis mit den Söhnen der Mariamme, Alexander und Aristobul, die 18 aus Rom, wohin sie zur Vollendung ihrer Ausbildung geschickt worden waren, zurück berufen wurden. Herodes hatte eine zahlreiche Familie: er war 10mal verheiratet; mehrere Frauen besaß er zugleich, 13 berief er seinen Erstgeborenen, Antipater, der bisher mit seiner Mutter Doris in der Verbannung gelebt hatte, wieder an den Hof und damit den ärgsten Feind seines häuslichen Friedens. Seinen und der Salome, der Schwester des Herodes, Intrigen, gelang es, daß die Söhne der Mariamme wegen angeblichen Hochverrats verurteilt und im Jahr 7 zu Samaria hingerichtet wurden. Antipater wurde hierauf zum Thronerben bestimmt. Aber seine geheimen Anschläge gegen den Vater wurden schließlich entlarvt; während er in Rom weilte, wurde er zurückberufen, verurteilt, eingekerkert und 5 Tage vor dem Tod des Herodes hingerichtet. Dieser selbst starb kurz vor dem Paschafest 4 v. Chr. (nach unserer Zeitrechnung). Er wurde bestattet in Herodium, 60 Stadien südlich v. Jerusalem. Nach Mt. 2, 16ff. Hat er, um das Jesuskind zu beseitigen, seinen Bluttaten den Bethlehemitischen Kindermord hinzu gefügt.
Herodes hatte in seinem letzten (3.) Testament das Reich unter seine Söhne Archelaus, Antipas und Philippus geteilt. Archelaus sollte im Königtum folgen, begab sich deshalb nach Rom, um die Bestätigung einzuholen. Vorher aber war es in Jerusalem zu einem Aufstand gekommen, den der Legat v. Syrien, Varus, blutig unterdrückte. Gleichzeitig mit Archelaus fanden sich Antipas und Philippus beim Kaiser ein, um gegeneinander zu agitieren, ebenso eine Gesandtschaft der Juden, die überhaupt gegen die Herrschaft der Herodeer waren. Augustus entschied 4 v. Chr. , daß Archelaus als Ethnarch (nicht als König) über Judäa, Samarien und Idumäa herrsche, Antipas als Tetrarch über die nord-östlichen Landschaften (vgl. Lk. 3, 1).
Julius Herodes Archelaus siehe Archelaus
Herodes Antipas, im NT und auf Münzen bloß unter dem dynastischen Namen Herodes, von der Samariterin Malthake * um 20 v. Chr., als Tetrarch v. Galiläa u. Peräa der Landesherr Jesu, weshalb Pilatus diesen an ihn schickte (Lk. 23, 6-12). Er residierte anfangs zu Sepphoris, später in dem neu erbauten Tiberias. Ein charakterloser Mensch, hinterlistig und ohne Achtung vor dem göttlichen und traditionellen Gesetz; verheiratet mit einer Tochter des Nabatäerkönigs Aretas IV., nahm später Herodias, das Weib seines Stiefbruders, zur Frau, die ihn zur Gefangennahme und dann zur Hinrichtung des Täufers verleitete. Wegen der seiner Tochter widerfahrenen Schmach und wegen Grenzstreitigkeiten kam es 36 mit Aretas zum Krieg, bei dem Herodes unterlag. Als Herodes auf Antrieb seines ehrgeizigen Weibes nach Italien reiste, um sich den Königstitel zu erbitten, wurde er von Caligula auf Anschwärzung des Herodes Agrippa I. hin abgesetzt und nach Lyon in Gallien verbannt (39). Sein Gebiet kam 40 an den letzteren.
Herodes Philippus, aus der Ehe mit Kleopatra, der 5. Gemahlin des Herodes, 4 v. Chr. Tetrarch v. Batanäa, Trachonitis, Auranitis, Gaulanitis, Panias, nach Lk. 3, 1 auch v. Ituräa (d. h. eines kleinen Stückes dieser Landschaft),d er beste unter den Herodeern. Unter ihm verwandelte sich Bethsaida in Julias, Panias in Cäsarea Philippi. Er war verheiratet mit Salome, der Tochter der Herodias. Er starb 34 n. Chr. Kinderlos. Sein Gebiet wurde der Provinz Syrien zugeteilt, aber bereits 37 dem Herodes Agrippa I. verliehen.
Herodes Agrippa I., * 10 v. Chr. als Sohn des im Jahr 7 hingerichteten Aristobul. Als 6jähriger Knabe nach Rom gebracht und bis ins Mannesalter dort, führte er ein abenteuerliches Leben. Schlemmerei und Verschwendung stürzten ihn in Schulden, so daß er schließlich Rom verlassen musste. In seiner bedrängten Lage unterstützte ihn sein Schwager Herodes Antipas und machte ihn zum Marktaufseher in Tiberias. Agrippa entzweite sich aber mit ihm und kam nach mancherlei Abenteuern wieder nach Rom. Infolge einer unvorsichtigen Äußerung ließ ihn Tiberius einkerkern. Nach ½jähriger Gefangenschaft befreite ihn sein inzwischen zur Regierung gelangter Jugendfreund Caligula und verlieh ihm Frühjahr 37 die Tetrarchie des Philippus und Lysanias mit dem Königstitel. Wahrscheinlich 40 erhielt er auch das Gebiet des verbannten Herodes Antipas.
Zur Zeit der Ermordung Caligulas weilte er wieder in Rom. Der ihm befreundete Claudius, dem er sich bei den Krisen seines Regierungsantritts nützlich gezeigt hatte, verlieh ihm 41 noch Judäa und Samaria, so daß Agrippa das ganze Reich seines Großvaters wieder vereinigte. Durch heuchlerische Beobachtung der pharisäischen Satzungen machte er sich populär. Um der Volksgunst willen verfolgte er die junge Christen-Gemeinde, ließ um das Paschafest 44 den Apostel Jakobus d. Ä. Hinrichten, den Petrus einkerkern; er begann im Norden von Jerusalem eine neue (3.) Mauer, die aber auf Einspruch Roms unvollendet blieb. Er starb i. J. 44 plötzlich bei einem Fest zu Ehren des Kaisers in Cäsarea. Da sein gleichnamiger Sohn erst 17 Jahre zählte, wurde das ganze Reich in römische Verwaltung genommen.
Herodes Agrippa II., erwähnt Apg. 25ff. Nach dem Tod seines Oheims, Herodes v. Chalkis, erhielt er 50 dessen kleines Königreich am Libanon, die Aufsicht über den Tempel in Jerusalem und das Recht, den Hohenpriester zu ernennen. 53 wurde ihm gegen Rückgabe seines Gebietes die ehemalige Tetrarchie des Herodes Philippus und Lysanias verliehen, wozu Nero Tiberias fügte, Tarichea nebst Gebiet, Julias und 14 umliegende Flecken. Ärgernis erregte sein Verhältnis zu seiner Schwester Berenike. Unter ihm wurde der Tempelbau vollendet. Charakteristisch ists ein verhalten gegen den Apostel Paulus (Apg. 25, 13 u. 26). Er schloss sich eng an die Römer an, auf deren Seite er auch im großen Krieg 66-70 stand. Als treuer Bundesgenosse wurde er darum nicht nur in seinem Königreich belassen, sondern erhielt von Vespasian noch bedeutenden Gebietszuwachs. Er starb nach dem Zeugnis des Justus aus Tiberias (bei Photius, Cod. 33) im 3. Jahr des Trajan, d. i. 100 n. Chr. Von Nachkommen ist nichts bekannt. –
Von den übrigen Herodeern sei noch erwähnt der aus der Ehe mit der Priestertochter Mariamme II. stammende Sohn mit dem Individualnamen Herodes („ohne Land“, bei Mk. 6, 17 in einigen Bibelhandschriften auch Philippus zubenannt), der Gemahl der Herodias; er war der Vater der Salome,d er frivolen Tänzerin (Mt. 14, 6; Mk. 6, 22) und späteren Gemahlin des (Andern) Herodes Philippus und des Aristobul.
Herodias, Enkelin Herodes‘ d. Gr., * ca. 14 v. Chr. Als Tochter des Aristobul, trennte sich von ihrem 1. Gemahl Herodes ohne Land, und wurde das 2. Weib des Herodes Antipas, den sie zur Verfolgung und Hinrichtung Johannes‘ des Täufers veranlaßte (Mt. 14, 3ff. = Mk. 6, 17ff.). Die an diesen Stellen erwähnte Tochter hieß Salome und stammte aus ihrer 1. Ehe. Herodias folgte 39 dem Antipas in die Verbannung. –
aus: Michael Buchberger, Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. IV, 1932, Sp. 995 – Sp. 1000