Gewißheit der Lehrweise des Glaubens

Die heiligen drei Könige (Magier) mit ihren Begleitern sehen den Stern am Himmel, in dem sie das Jesuskind sehen

Der Glaube der Weisen

oder

Die Wahrheit und die Gewissheit der Lehrweise des Glaubens.

„Ubi est qui natus est Rex Judaeorum? Vidimus enim stellam ejus, et venimus adorare eum.“ (Matth. 2)

„Wo ist der neugeborne König der Juden? Denn wir haben seinen Stern gesehen und sind gekommen, ihn anzubeten.“ (Matth. 2)

Die Weisen erkannten die Geheimnisse ohne Zweifel

8. Das vierte und letzte charakteristische Merkmal der Lehrweise des Glaubens: die Gewissheit. Die Weisen aus dem Morgenlande, unterrichtet in der Schule der göttlichen Offenbarung, erkannten die größten Geheimnisse nicht bloß ohne Irrtum, sondern auch ohne Zweifel. Beweise der Festigkeit und Sicherheit ihres Glaubens.

Das vierte und letzte Merkmal der Lehre des wahren Glaubens, wovon wir noch zu handeln haben, ist nach der Lehre des heiligen Thomas dieses, daß durch sie der Geist eine volle Zuversicht und eine volle Gewissheit über die in dieser göttlichen Schule gehörten Wahrheiten erhält; daß sie somit nicht bloß frei von Irrtum und wahrhaft ist, wie bereits gezeigt wurde, sondern auch sicher und beständig, um jede Ungewissheit, jeden Zweifel auszuschließen: Fixa certitudine; absque dubitatione et errore. – Dieses ihr herrliches Merkmal, dieses wunderbare Privilegium, diese ganz göttliche Wirksamkeit äußerte die Lehrweise des Glaubens gleich Anfangs, als sie zum ersten Male von Gott an den Heiden in der Person der Magier in Anwendung gebracht wurde. Diese glücklichen Männer erkannten eben deshalb, weil sie auf dem Wege der Offenbarung und des Glaubens belehrt wurden, die größten Wahrheiten, die erhabensten Geheimnisse nicht bloß in ihrer Reinheit und Lauterkeit, sondern sie hatten über das, was sie glaubten und erkannten, auch eine vollkommene, unbedingte Gewissheit und Sicherheit. Dies geht deutlich hervor aus der Zuversichtlichkeit, aus der Frische und Lebendigkeit, aus der ruhigen Sicherheit und Standhaftigkeit ihres Glaubens.

Die Festigkeit des Glaubens

In der Tat, was konnte diesen drei Männern, die ihrer Beschäftigung nach Philosophen, ihrem Range nach Könige waren, solchen Mut und solches Vertrauen einflössen, daß sie ohne Verzug ihre Reiche, ihre Völker, ihre Heimat, ihre Familien, ihre Schätze, ihre Bequemlichkeiten und Vergnügungen verließen und mitten im Winter nach einem fernen und feindlichen Lande eine beschwerliche und gefahrvolle Reise unternahmen, deren Dauer nicht abgesehen werden konnte, weil ihr Ziel noch ungewiß war? Was anderes, als eine sichere, volle Überzeugung? Denn kaum hatten sie den Stern gesehen, so machten sie sich, gehorsam der Stimme des Wunderzeichens und noch mehr der inneren Anregung der Gnade, scheinbar nur auf gut Glück hin also bald auf den Weg. Denn Anfangs wußten sie noch nicht, ob der Stern, der ihnen ein Apostel gewesen, ihnen fernerhin auch als Wegweiser dienen würde; in Wirklichkeit aber trugen sie den festen Glauben, daß der Messias wahrhaft geboren sei – und das unerschütterliche Vertrauen in sich, daß sie ihn jedenfalls finden würden.

Doch was suchen wir die Festigkeit ihres Glaubens zu beweisen, da Gott selbst ihn auf eine harte Probe gestellt und dadurch bewährt hat? Denn kaum betreten sie den Boden des Judenlandes, siehe da verschwindet plötzlich vor ihren Blicken jener wunderbare Stern, der sie bisher so treu geführt und ihnen auf ihrer Reise so viel Trost und Beruhigung gewährt hat. Andere hätten in der Lage der Weisen, da sie sich auf einmal in fremdem Lande von dem Himmelszeichen verlassen sahen, ohne zu wissen, ob sie zur Rechten oder zur Linken – vorwärts oder rückwärts ihre Schritte lenken sollten, den Mut sinken lassen, hätten sich für betrogen gehalten und sich selbst den Vorwurf gemacht: „O wie töricht sind wir gewesen! Wie konnten wir Philosophen und Fürsten mit solcher Übereilung einer optischen Täuschung uns hingeben? wie konnten wir ein Spiel des Lichtes, eine natürliche Erscheinung für ein übernatürliches Wunder, ein bloßes Phantasiebild für eine göttliche Offenbarung ansehen? Wie soll denn Der, den wir suchen, König, Messias, Gott sein? Nachdem wir vierzehn Tage lang mit unseren Dromedaren große Strecken Weges durchlaufen und unter den größten Beschwerden und Mühseligkeiten Wüsten durchwandert haben, siehe da stehen wir nun in dem Gebiete eines grausamen Königs, ohne Führung, ohne Schutz, ohne Verteidigung! Ach! wie blind und töricht sind wir doch gewesen! Die traurige Rolle, die wir nach unserer Rückkehr zu unseren Völkern, ohne das Ziel unserer Reise erreicht zu haben, spielen werden, und der schlecht verborgene Spott, der uns von Seiten der Weisen und Vornehmen unseres Landes erwartet, ist noch eine zu geringe Strafe für unseren Leichtsinn und unsere Unbesonnenheit.“

So ungefähr hätten ohne Zweifel Männer gedacht und gesprochen, in denen der Glaube an die Geburt des Messias nicht ganz fest und zuversichtlich gewesen wäre. Aber die Weisen urteilten und sprachen anders. Dadurch, daß der Stern vor ihren Augen zu leuchten aufhörte, wurde ihr Glaube nicht einen Augenblick lang erschüttert. Sie sahen zwar das Zeichen nicht mehr, aber deswegen glaubten sie nicht weniger an die Bedeutung dieses Zeichens. Sie haben Jesum Christum einmal erkannt, und nun verlieren sie ihn nicht mehr aus dem Gesicht. Je verlassener sie sich sehen, desto mehr vertrauen sie; je weniger Trost ihnen wird, desto größer wird ihre Liebe. Sie fürchten nicht im Mindesten in Bezug auf die Natur des Sternes und über den Zweck seiner Erscheinung getäuscht worden zu sein; zweifeln nicht einen Augenblick lang, daß das Licht, welches ihren Geist erleuchtet, und die Stimme, die sie in ihrem Herzen vernommen, von Gott gekommen sei. Sie machen sich keinen Vorwurf, als ob sie unbesonnener Weise ohne genügende Anzeichen eine so außerordentliche und großartige Reise unternommen hätten; werden nicht mutlos, fühlen keine Reue, kehren nicht rückwärts, bleiben nicht eine Minute lang ungewiß darüber, was sie tun sollen; sondern voll Vertrauen betreten sie Jerusalem und verkünden in allen Straßen die Geburt des Messias als eine ausgemachte Sache und fragen mit frommer Zudringlichkeit Alle, die ihnen begegnen, um den Ort, wo sie Ihn finden könnten: „Wo ist der neugeborne König der Juden?“ Venerunt Hierosolymam dicentes: Ubi est qui natus est Rex Judaeorum?

Der Starkmut des Glaubens

Durch diese schönen Worte und dieses herrliche Bekenntnis legen sie einen Glauben an den Tag, der ebenso lebendig, als fest und unerschütterlich ist. Sie sagen nicht: ,,Unserem Dafürhalten nach scheint es, daß der Messias geboren ist. Der Stern, den wir gesehen haben, scheint uns jener zu sein, von dem Balaam, unser Ahnherr, geweissagt hat, daß er zur Zeit des Messias aufgehen und seine Geburt ankünden werde.“ Nicht so sprechen die Weisen; sondern mit dem Nachdruck einer vollkommen sicheren Überzeugung sagen sie: Der Messias ist geboren: Natus est Rex Judaeorum. Der Stern, den wir gesehen, ist gewiß sein Stern: Vidimus stellam ejus. Das Ziel unserer Ankunft ist nicht, uns mit eigenen Augen von der Wahrheit dieses Geheimnisses zu überzeugen, sondern ihm unsere Huldigung darzubringen und den Gott, der zum Heile der Menschen als Mensch geboren ist, anzubeten: Natus est Rex Judaeorum; et venimus adorare eum. Wir fragen euch, Juden, also nicht, ob dieser göttliche Heiland wirklich geboren sei oder nicht. Das wissen wir bereits mit Gewissheit. Unser Glaube hat uns in dieser Beziehung nicht getäuscht. Denn der Stern, den wir gesehen, ist wahrhaft ein wunderbarer Stern; die Offenbarung, die uns geworden, ist wahrhaft eine göttliche gewesen: Vidimus stellam ejus; natus est. Aber weil der Stern, der uns die Geburt des Messias angezeigt, nicht auch den Ort, wo wir ihn finden können, angezeigt hat, deshalb sind wir zu euch gekommen, um von euch diesen Ort zu erfahren. Ihr Juden habt die heiligen Schriften, die Prophetien, die Weissagungen, die von Ihm reden, in Händen; darum kann euch der glückliche Ort, an dem der König des Himmels geboren ist, unmöglich unbekannt sein. Ihr allein wisset ihn gewiß; ihr allein könnet uns darüber belehren; wir können ihn nur durch euch allein kennen lernen. Darum saget uns, saget uns: Wo ist er? Wo ist er? Ubi est? Wir bitten euch nur um ein Zeichen, das uns diesen Ort andeutet; um ein Wort, das ihn zu erkennen gibt; um einen Fingerzeig, der uns hinweist. Wir sind, wenn ihr es noch nicht wisset, voll Begierde, Ihm mit den Geschenken, die wir mitgebracht, uns selbst ganz und gar aufzuopfern. Das Herz im Leibe zerspringt uns vor heiliger Ungeduld, Ihm uns als seine Diener und Anbeter zu weihen: Venimus (cum muneribus) adorare eum.

Der Glaube der Weisen war großherzig

Doch der Glaube der Weisen war nicht bloß lebendig und fest, sondern auch großherzig und flößte ihnen einen bewunderungs-würdigen Mut ein. Denn wo erheben sie ihre Stimme, um die Geburt des Königs der Juden zu verkünden? Natus est Rex Judaeorum. In Jerusalem, der Hauptstadt des Judenlandes selber; in Gegenwart des Herodes, der auf dem Wege der niederträchtigsten Intrigen und der schändlichsten Verbrechen mit dem Titel sich auch die Gewalt eines Königs der Juden angemaßt hatte. In einer solchen Stadt und in Gegenwart eines solchen Königs sagen: ,,Wo ist der neugeborne König der Juden?“ war beinahe soviel, als sagen: ,,Derjenige, der gegenwärtig hier herrscht und regiert, ist nicht der rechtmässige König der Juden. Wir wissen, welches der rechtmässige König der Juden ist. Wir wollen nur noch wissen, wo er ist, und sind bereit, ihn als König anzuerkennen und ihm zu huldigen.“ War das nicht genug, um in Herodes Furcht zu erwecken, um in ihm die Wut, die den politischen Usurpatoren eigentümlich und noch viel grausamer und wilder ist, als selbst der religiöse Fanatismus, in hellen Flammen zu entzünden? Wie konnten also die Weisen eine solche Sprache führen? Wissen sie nicht, wer Herodes ist, der auf jenem Throne sitzt? Begreifen sie nicht, daß derjenige, welcher seinen eigenen Bruder der Eifersucht geopfert hat, noch weniger Fremdlinge schonen wird, wenn es gilt, seinen Thron zu bewahren? Sie selbst sind Könige; wissen sie denn nicht, daß der Friede und die Ordnung eines Reiches es zum Grundgesetze macht: daß Jeder, der zu Lebzeiten des regierenden Königs es wagt, einen Andern als König desselben Reiches auszurufen und ihm zu huldigen, als Verräter und Majestätsverbrecher angesehen und bestraft wird? Gewiß, Männer, bei denen der Ruhm der Weisheit gleichen Schritt hält mit dem Adel ihrer Geburt, mit der Höhe ihres Ranges, wissen alles dieses sehr wohl. Sie mussten ohne Zweifel bemerken, wie diese Nachricht von der Geburt eines neuen Königs, verkündet von fremden Königen, die mit großem Pomp aus fernen Ländern gekommen sind, verkündet in der königlichen Residenzstadt und noch dazu im Tone der vollsten Gewissheit, daß diese Nachricht Herodes und die ganze Stadt in großen Schrecken versetzte: Turbatus est Herodes et omnis Hierosolyma cum illo. Sie sahen die Gefahr, die ihnen ihr Mut und ihre freimütige Sprache von Seiten eines eifersüchtigen und grausamen Fürsten, eines von Neid erfüllten Synedriums, einer unruhigen, zum Aufruhr geneigten Stadt zuziehen konnte. Sie begriffen wohl, daß sie als Fremdlinge, allein, ohne Macht, ohne Heere, schon bei ihrem Eintritte in die Hauptstadt der Willkür eines Königs Preis gegeben waren, dessen Grausamkeit keine Grenzen kannte; daß sie nichts vor der Rache desjenigen schützen konnte, dessen Ungerechtigkeit, dessen Usurpation, dessen Tyrannei sie durch ihre freimütige Rede anzuklagen schienen. Auf der andern Seite wußten aber die Weisen eben so gut, daß Gott sie nur in der Absicht nach Jerusalem geführt habe, um dort die Geburt des Messias zu verkünden, damit sie, die Heiden, den Juden das Evangelium predigten. Sie wußten, daß sie ihre Mission von Gott selbst hatten und daß alle Gefahren und Hindernisse von Seite der Menschen sie von der Erfüllung derselben nicht abhalten konnten.

Die Weisen fürchteten weder Eifersucht noch Bosheit

Nur darauf bedacht, den Willen des himmlischen Königs zu erfüllen, vergaßen sie in ihrem Glauben alle Rücksichten, die ihnen die Politik auf einen König der Erde zu nehmen anriet. Mag sich Herodes und mit ihm Jerusalem, das durch seine Laster ein jenes Fürsten würdiges Volk geworden war, fürchten und in Aufregung kommen, wie sie wollen; die Weisen fürchten weder die Eifersucht des königlichen Usurpators, noch die Bosheit der Schriftgelehrten, noch die Wut des Volkes. Der Umstand, daß sie allein stehen, entmutigt sie nicht; die Nähe der Gefahr verwirrt sie nicht; die Furcht vor dem Tode hält sie nicht zurück. Sie hören nicht auf, durch alle Straßen die Geburt des neuen Königs der Juden zu verkünden; hören nicht auf, zu bitten, man möge ihnen den Ort zeigen, wo sie ihn finden und ihm huldigen könnten: Dicentes: Ubi est Rex Judaeorum? venimus adorare eum. O großherziger, erhabener, mutvoller Glaube! Sie haben diesen König und Messias noch nicht gesehen, und schon bekennen sie ihn; sie wissen noch wenig von ihm, und schon sind sie bereit, für ihn zu sterben; sie sind noch nicht seine Schüler, und werden schon seine ersten Apostel, seine ersten Evangelisten; und fühlen sich glücklich, wenn die Grausamkeit des Tyrannen sie auch zu den ersten Märtyrern machen würde.

Gewissheit des Glaubens

So triumphierte der Glaube der Weisen über alle Gefahren; er hielt aber auch den mächtigen Anstoß des größten Ärgernisses aus. Da wir ohnedies in der folgenden Lesung das Verbrechen und das schmachvolle Verhalten der Juden bei diesem Ereignisse näher betrachten werden, so genüge es für jetzt, nur zu bemerken, daß das sündhafte Verhalten der Einwohner Jerusalems den Glauben der Weisen auf eine furchtbare Probe stellen mußte. Denn nachdem ihnen die jüdische Synagoge den Ort der Geburt des Messias angegeben, dachte sie selbst gar nicht daran, ihn zu suchen, ihm zu huldigen, ihn anzubeten, wie es ihre heiligste Pflicht war; sie, die nur für Ihn existiert, um Ihm die Wege zu bereiten, um zuerst seine Wohltaten zu genießen, wie sie zuerst seine Verheißungen empfangen hatte! Welch ein Ärgernis mussten also diese armen Heiden an der Gleichgültigkeit nehmen, womit die Juden ihren Messias behandelten! Welch ein Ärgernis war für diese Fremdlinge die Sorglosigkeit, welche sein eigenes auserwähltes Volk gegen ihn an den Tag legte! Welch ein Ärgernis war für diese Laien die Verachtung, womit der Messias von seinen eigenen Priestern aufgenommen wurde! Unter solchen Verhältnissen hätten die Weisen leicht denken können: Wie kann doch derjenige, den wir suchen, der wahre Messias, der König der Juden sein, wenn die Juden selbst, die seit vielen Jahrhunderten auf ihn warten, unseren Worten, womit wir ihnen seine Geburt ankünden, gar keine Aufmerksamkeit schenken? Wenn Keiner einen Fuß bewegt, ja nicht einmal daran denkt, die Wahrheit dieser Botschaft zu erproben? Sie haben uns den Ort angegeben, an welchem nach den Weissagungen der Propheten der Messias geboren werden soll. Wie sie den Ort wissen, so wissen sie ohne Zweifel auch die Zeit seiner Geburt. Da sie nun unsere Worte ganz und gar nicht berücksichtigen, so glauben sie offenbar nicht, daß die Zeit schon gekommen sei, in welcher der Messias geboren werden soll, und daß derjenige, den wir suchen, der Messias sei. Und dann, ist es denn wohl denkbar, daß der Messias, der König der Juden, der sich uns Heiden, uns Fremden geoffenbart hat, sich nicht zuerst seinem Volke, den Juden, geoffenbart habe? Und doch weiß Niemand etwas von der Geburt eines Königs, der den Zustand des ganzen Volkes ändern soll. Wir sind diejenigen, durch die sie die erste Nachricht hiervon erhalten! Ist es möglich, daß wir Götzendiener die Geheimnisse des wahren Gottes besser verstehen, als jene, die seine einzigen wahren Anbeter sind, die seine Aussprüche und seine Prophetien in Händen haben und deren rechtmässige Ausleger sind? Müssen wir nicht eher glauben, daß wir uns durch die Erscheinung des Sternes haben täuschen lassen, als daß die Juden sich in Betreff des Geheimnisses des Messias geirrt haben, sie, die allein seine wahren Priester und seine wahren Propheten in ihrer Mitte haben? –

Die Weisen unterscheiden den Priester von dem Menschen

Doch nein, die Weisen urteilen anders. Sie unterscheiden in dem Juden, der ihnen den Ort der Geburt des Messias anzeigt, ohne ihn selbst aufzusuchen; der zur selben Zeit, da er Andern Licht gewährt, freiwillig in der Finsternis bleibt; die Weisen unterscheiden in diesem Juden recht wohl den Priester von dem Menschen; den Priester, der die göttliche Offenbarung in seiner Verwahrung und Obhut hat, von dem Menschen, der den menschlichen Leidenschaften unterworfen ist; den Priester, der unter göttlicher Inspiration spricht, vom Menschen, der unter dem Einfluss des Teufels handelt; den Priester als Organ des heiligen Geistes, der durch seinen Mund die den Geist erleuchtende Wahrheit verkündet, vom Menschen als dem Organe des Teufels, der durch sein Verhalten ein die Seelen verführendes Ärgernis gibt. Darum horchen die Weisen aufmerksam auf das, was ihnen gesagt wird, lassen sich aber durch das nicht irre machen, was in ihrer Gegenwart gesündigt wird. Sie tun, was sie hören, und kümmern sich nicht um das, was sie sehen; benützen die kostbare Belehrung, die sie gehört, und richten sich nicht nach dem schlechten Beispiele, das sie gesehen. Das Wort des Juden erleuchtet sie; sein Beispiel aber verführt sie nicht. Sie lassen den Juden mit Wissbegier die heilige Schrift lesen – und bestreben sich, dem Gotte der heiligen Schrift in demütiger Anbetung treu zu dienen. Und so macht dieses große Ärgernis, das den Weisen gegeben wurde, die Offenbarung des Sternes nicht nur nicht verdächtig und zweifelhaft, sondern bestätigt sie; macht ihren noch jungen Glauben nicht nur nicht wankend, sondern kräftigt ihn; löscht ihren Eifer nicht aus, sondern entzündet ihn noch mehr. Sehet da, welch eine Gewissheit, welch eine Kraft der Glaube einflößt!

Ruhe und Frieden als Gewissheit des Glaubens

Die letzte Wirkung endlich und der letzte Beweis der Gewissheit des Glaubens der Weisen war die Ruhe, der vollkommene Friede, womit sie im Glauben ruhen. Nur Eines blieb ihnen zu wissen übrig: der Ort der Geburt des Messias; und nur um dieses Eine fragen sie: Ubi est qui natus est? In Betreff der übrigen Wahrheiten und erhabenen Geheimnisse, die ihnen geoffenbart worden, sind sie in ihrem Herzen ganz beruhigt und versichert. Deshalb werfen sie keine Zweifel auf; stellen keine weiteren Fragen, veranlassen keine Disputationen, verlangen von den Juden keine Beweisführung, lassen sich mit Herodes in keinen Streit ein; sondern sie überlassen sich mit unbegrenztem Vertrauen den gnadenvollen Offenbarungen, deren sie Gott gewürdigt hat, und leben der vollsten Gewissheit, daß Alles, was sie glauben und was sie wissen, wahr ist. Sowie sie also die einzige Antwort, den einzigen Spruch, um dessen willen sie nach Jerusalem gekommen waren, erhalten haben, so verlassen sie ohne Zögern diese treulose Stadt in ihrem hochfahrenden Stolze, in ihrer Verblendung, und begeben sich, ohne irgend ein Bedenken, ohne irgend einen Zweifel wegen des glücklichen Erfolges ihrer Reise zu hegen, geraden Weges nach Bethlehem: Qui cum audissent regem, abierunt.

Der Stern geht ihnen wieder voran

Wenn aber auch der Glaube der Weisen weiterer Belehrungen und Unterweisungen nicht benötigt ist, um Jesum Christum zu finden, und solche auch nicht sucht und verlangt, so verdient doch ihr reines, gerades Herz, von der göttlichen Güte einen Trost und eine Erquickung zu empfangen. Und wirklich, kaum hatten sie Jerusalem hinter sich, da erschien ihnen wieder jener wunderbare Stern, der sie nach Judäa geleitet, in noch hellerem Glanze, als ehedem. Bei seinem Anblicke erfüllte unaussprechliche Freude ihre Herzen; denn der Ausdruck des Evangelisten zeigt eine große Freude, ein Übermaß von Freude an: Videntes stellam gavisi sunt gaudio magno valde. Der Stern geht ihnen voran; sie aber, voll Überraschung, voll Vertrauen, voll Liebe, preisen, bewundern, staunen ihn an und folgen ihm nach, während er sie erleuchtet und tröstet, sie leitet und kräftigt: Stella antecedebat eos. Er läßt sie fühlen, daß sie nahe sind dem Ziele ihrer Reise, dem Gegenstande ihrer heiligen Sehnsucht. Darum beschleunigen sie die Schritte, nehmen alle ihre Kräfte zusammen; und die Freude und die Lust, die sie sich versprechen, wenn sie zur Wohnung und in die Gegenwart des Erlösers, den sie aus so weiter Ferne gesucht, gelangt sein werden, ist so groß und die Hoffnung, sie bald zu genießen, flößt ihnen eine solche Begeisterung ein, daß sie, noch dahin wandelnd, schon in der Grotte angekommen zu sein meinen: Gavisi sunt gaudio magno valde. –
aus: Joachim Ventura, Exgeneral der Theatiner, die Schönheiten des Glaubens oder: Das Glück, an Jesum Christum zu glauben und der wahren Kirche anzugehören. Eine Erklärung des Geheimnisses der Epiphanie des Herrn. Bd. 5, Zweiter Teil, 1855, S. 253 – S. 263

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