Aus einem Brief des hl. Ignatius an die Christen
Es wird dir zum Trost und zur Freude gereichen, aus dem Mund des hl. Ignatius selbst zu vernehmen, was er, ein katholischer Bischof, vor bald achtzehnhundert Jahren schon von Jesus Christus gehalten, wie er Ihn geliebt hat, wie er durch die heilige Christus-Liebe von allem Sichtbaren los gelöst, über alles Irdische erhoben, gegen jede Furcht gesichert, vor jeder Täuschung bewahrt und von heißester Sehnsucht nach der unzertrennlichen Vereinigung mit dem Geliebten erfüllt worden ist. Er schrieb an die Christen in Rom:
„Um Jesu Christi willen gefesselt, hoffe ich ich euch zu begrüßen, wenn anders es Gottes Wille ist, daß ich gewürdigt werde, zu meinem Ziel zu gelangen. Der Anfang ist gut eingeleitet, wenn ich nur noch die Gnade erlange, ungehindert meines Loses habhaft zu werden. Doch gerade von eurer Liebe fürchte ich Schaden; denn euch ist es angenehm, zu tun, was ihr wünscht; aber mit wird es schwer werden, zu Gott zu gelangen, wenn ihr zu großes Mitleid mit mir habt. O ich will nicht euch – den Menschen – wohl gefallen, sondern Gott, wie auch ihr vor Ihm wohl gefällig seid; und nie werde ich ich wieder eine so schöne Gelegenheit haben, zu Gott zu gelangen. Schweigt ihr von mir, so werde ich Gottes sein; liebt ihr mich aber dem Fleisch nach, so werde ich Erdenpilger bleiben. Lasset es doch geschehen, daß ich Gott geopfert werde, jetzt, da der Altar bereitet ist; vereinigt euch in Liebe zu einem Chor und stimmt Gott dem Vater ein Danklied an, daß Er um Jesu Christi willen den Bischof von Syrien vom Aufgang her nach dem Niedergang geführt hat, um ihn aus dieser Welt in seine Herrlichkeit aufzunehmen…
Ich beschwöre euch nochmals, mir kein unzeitiges Wohlwollen zu erweisen; eine Beute wilder Tiere laßt mich werden, damit es mir möglich wird, zu Gott zu kommen. Gottes Weizen bin ich und wünsche gemahlen zu werden von den Zähnen der Tiere, damit ich als reines Brot Christi erfunden werde. Schmeichelt vielmehr den Löwen, daß sie mein Grab werden und von meinem Körper nichts übrig lassen, damit ich nicht nach dem Tode noch Jemanden lästig falle. Dann werde ich erst wahrhaft Christi Schüler sein, wenn die Welt sogar meinen Leib nicht mehr sieht… Feuer, Kreuz, Haufen wilder Tiere, Zerschneiden, Zerreißen, Zerstreuen der Gebeine, Zerquetschen des ganzen Körpers, des Teufels böse Plagen mögen über mich kommen, nur daß ich zu Jesus Christus gelange. Alle Schätze dieser Welt, alle Königreiche dieser Erde können mich nicht befriedigen; es ist für mich viel besser, für Christus zu sterben, als die Welt zu regieren. Mein Herz seufzt nur nach Ihm, der für mich gestorben und auferstanden ist; Er ist mein Gewinn. Laßt mich meinem leidenden Gott nachfolgen! Wer Ihn in sich trägt, der versteht, wonach ich mich sehne, und Er wird, da Er weiß, was ich innerlich empfinde, Mitleid mit mir haben. Der Fürst dieser Welt möchte mich an sich reißen und meinen Glauben an Gott zu Grunde richten, helfe ihm doch Keiner von euch; werdet vielmehr meine, das heißt Gottes Freunde… Lebend schreibe ich euch voll Liebe zum Sterben. Meine Liebe ist gekreuzigt; es brennt in mir ein überirdisches Feuer; es sprudelt in mir eine Quelle lebendigen Wassers, und eine Stimme ruft mir unablässig zu: „Ignatius, was tust du noch hienieden? Geh`, eile, fliege in den Schoß deines Gottes.“ Ich hungere nach Gottes-Brot, welches ist das Fleisch Jesu Christi, ich dürste nach Gottes-Trank, nach seinem Blut, welches ist unvergängliche Liebe und immer währendes Leben. Bete für mich, daß ich`s erreiche!“ –
aus: Otto Bitschnau OSB, Das Leben der Heiligen Gottes, 1881, S. 81