Jungfräulichkeit Mariä und Menschheit Jesu

Die heiligen drei Könige, auch Weisen oder Magier genannt, bringen dem Christuskind Geschenke, Weihrauch und Myrrhe; Maria sitzt, das Jesuskind im Arm, vor ihnen, der heilige Joseph steht seitlich hinter Mutter und Kind

Jesus Christus von den Magiern gefunden

oder Die Hilfsmittel und die Tröstungen des Glaubens

Beweise für die Jungfräulichkeit Mariä und Menschheit Jesu

5. Erklärung der Worte: „Sie fanden das Kind mit Maria, seiner Mutter“. Beweise, die sie für die Jungfräulichkeit Mariä und für die wahre Menschheit Jesu Christi darbieten. Schöne Beweisführung des heiligen Leo gegen die Häretiker, welche dieses Geheimnis leugnen. Wirksamkeit des Beispiels des Kindes Jesus.

Beweis für die Jungfräulichkeit Mariä

Und in der Tat, daß weder die Hirten noch die Magier Jesum Christum in ihrem Glauben teilten, dies beweist uns der heilige Evangelist, indem er fortfährt: „Sie fanden das Kind mit Maria, seiner Mutter, fielen nieder, und beteten es an: Invenerunt Puerum cum Maria matre ejus, et procidentes adoraverunt eum“; Worte, die zwar einfach, aber auch reich an tiefen Geheimnissen sind, zu deren Erklärung wir jetzt übergehen.
Es ist nichts natürlicher voraus zu setzen, als das, daß ein Kindlein, das erst wenige Lebenstage zählt, sich in den Armen der Mutter befinde, die es geboren hat. Wozu war es also nötig, daß der Evangelist bemerkte, daß die Magier Jesum mit seiner Mutter fanden? Wenn aber dieser Umstand nichts Wichtiges nach der Geschichte hat, so ist er doch höchst wichtig wegen der Geheimnisse, die er uns enthüllt und offenbart.

Jesus Christus war in der Grotte mit dem heiligen Joseph nicht minder als mit Maria. Gleichwohl sagt der heilige Geschichtsschreiber: „Die Magier fanden Jesum Christum mit Maria“, und des Joseph erwähnt er mit keinem Wort. Bemerkt indes, daß er nicht einfach sagt: mit Maria, sondern mit Maria, seiner Mutter. Und was bedeutet dieses Schweigen hinsichtlich des Joseph, und diese Erwähnung der Maria, der Mutter Jesu Christi, allein, sonst, als daß Jesus Christus nur der Sohn Mariä war, daß Joseph keinen Teil an seiner Geburt gehabt hat, und daß dieses göttliche Kind auf Erden in der Zeit von einer Mutter ohne Vater geboren worden, wie er von einem Vater ohne Mutter ewig im Himmel gezeugt war!

Genealogie Jesu Christi

Derselbe Evangelist hatte in der Genealogie Jesu Christi nach dem Fleische im vorher gehenden Kapitel gesagt: „Abraham zeugte Isaak; Isaak zeugte Jakob; Jakob zeugte Judas“; und indem er diese Abstammung bis auf Matthan, den Großvater des heiligen Joseph, fortsetzt, fährt er fort: „Matthan aber zeugte Jakob; Jakob zeugte Joseph“; denn diese waren wirklich wahre natürliche Väter ihrer Söhne. Von Joseph aber sagt er nicht, daß er Jesum zeugte, sondern bloß, daß er der Mann Mariä war, von welcher Jesus Christus geboren wurde: Matthan autem genuit Jacob; Jacob genuit Joseph, virum Mariae: De qua natus est Jesus. Die fleischliche Genealogie verlängert sich also von Abraham bis Joseph, aber da ist sie zu Ende; und Jesus ward nur von Maria geboren; und Joseph ist Mann, ohne Vater zu sein, und Maria ist Mutter, ohne aufzuhören, Jungfrau zu sein. (siehe Beitrag: Buch der Abstammung Christi) Wie schön, wie herrlich, wie erhaben in ihrer Einfalt ist diese Art des Evangelisten, sich auszudrücken! Ach, so sprechen und drücken sich die Menschen nicht aus. Der heilige Geist allein, der Gott allein, der mit den Menschen nicht vernünftelt oder streitet, sondern ihm in wenigen Worten das Geheimnis offenbart und ihm befiehlt, es zu glauben, konnte eine so einfache, so inhaltsschwere, so majestätische und so neue Sprache eingeben! (siehe Beitrag: Heiliger Joseph gesetzlicher Vater Jesu)

Jesus hatte keinen irdischen Vater

Durch das Alles wird auch der Sinn der Worte des Evangelisten klarer, die wir zu erklären im Begriffe sind: „Sie fanden das Kind mit Maria, seiner Mutter.“ Mit diesen Worten hat der göttliche Geschichtsschreiber gewiß auf dasselbe Geheimnis anspielen wollen, das er uns kurz zuvor mit diesen andern geoffenbart hatte: „Mann Mariä, von welcher Jesus geboren wurde“. Er nennt den irdischen Vater Jesu nicht, weil Jesus keinen Vater hier auf Erden hat. Er tut des Joseph in dem Geheimnis der Anbetung Jesu Christi keine Erwähnung, weil Joseph keinen Teil an seiner Zeugung und an seiner Geburt hatte. Er sagt, daß die Magier Jesum allein mit Maria, seiner Mutter, fanden, weil er gesagt hatte, daß Jesus allein von Maria geboren wurde: De qua natus est Jesus. Diese zwei Stellen desselben Evangeliums verbinden sich also mit einander, entsprechen sich, und die eine ist die Folge, der Beweis der andern, und alle beide offenbaren uns, wiederholen uns, bestätigen uns das große, das heilige, das kostbare, das rührende, das freudige Geheimnis der Jungfräulichkeit Mariä.

Das Geheimnis der zwei Naturen in Jesus

Dieselben Worte jedoch: Invenerunt Puerum cum Maria matre ejus, haben in Vereinigung mit diesen andern, welche unmittelbar darauf folgen: Et procidentes adoraverunt eum, nach den Vätern und den Auslegern noch einen andern Sinn, und können mit aller Sicherheit so übersetzt werden: „Sie fanden den König der Juden oder den Messias, den sie suchten, ihn aber als zartes Knäblein, eben erst geboren, im Arm der Mutter fanden, die ihn geboren hatte. Dessen ungeachtet aber warfen sie sich ihm zu Füßen und beteten ihn an“; mit zwei Worten: „Sie sahen ihn als Mensch, und anerkannten ihn als Gott:“ Seht also, dieselbe Stelle, die zu uns von dem Geheimnis der Jungfräulichkeit der Mutter spricht, erinnert uns an das Geheimnis der zwei Naturen, der Menschheit und der Gottheit des Sohnes. Und fürwahr, die Worte: „Sie fanden das Kind mit Maria, seiner Mutter“, bedeuten zuerst auch deutlich, daß jenes zarte Leibchen nicht vom Himmel herab gekommen, sondern hier auf Erden empfangen und geboren worden war; daß es kein himmlischer, leidensunfähiger, unsterblicher, sondern ein sterblicher, leidensfähiger, irdischer Leib war; und der sichtbare Beweis dafür war die Gegenwart der Mutter, die ihn dem Licht Licht gegeben hatte, die ihn an der reinsten Brust säugte; bedeuten mit einem Wort, daß Jesus Mensch war; denn ein Knäblein, der wahre Sohn des Weibes, ist wahrer Mensch: Mensch von unserer eigenen Art, von unserer eigenen Natur, von unserer eigenen Menschheit.

Wie wichtig ist daher nicht, wie kostbar ist nicht für die wahren Christen diese feierliche Erklärung, welche uns der Evangelist gibt, daß die Magier den Messias im Stande der Schwachheit, der Kindheit fanden, bedürftig der liebevollen Pflege seiner heiligen Mutter: Puerum cum Maria matre ejus, d. h. als wahren Menschen? Denn, sagt der heilige Leo in seiner vierten Epiphanie-Predigt, gleich wie die Zeugnisse der höchsten Majestät, der unsichtbaren Gottheit Jesu Christi überaus glänzend waren, so war es gebührend, daß schon in seiner Geburt auch die Beweise seiner Menschheit unzweifelhaft seien, d. h., daß das Wort wahrhaftig Fleisch geworden, und daß der Sohn Gottes wahrhaftig die Natur des Menschen angenommen hatte. Sonst hätten die Wunder der unaussprechlichen Werke, die er in der Folge gewirkt, an seiner Menschheit zweifeln lassen können, wie die furchtbaren Qualen, die er in seinem Leiden einst erduldete, an seiner Gottheit hätten zweifeln lassen können; und es wäre der Glaube an das große Geheimnis der Menschwerdung geschwächt worden, der darin besteht, daß geglaubt wird, daß Jesus Christus wahrer Gott und wahrer Mensch ist, und der das Fundament unserer Rechtfertigung und unserer Seligkeit ist.

Die Manichäer leugnen dieses Dogma

Und sehen wir nicht in der Tat, fährt der heilige Leo fort, daß die teuflische Gottlosigkeit der Manichäer (siehe Beitrag: Die Irrlehre des Manichäismus) es gewagt hat, diesen einzigen und besonderen Glauben, dieses allerwichtigste Dogma anzufechten, obwohl es so klar verkündigt und so allgemein geglaubt worden ist? Denn diese Häretiker wollten, da sie sich auf dem Grund der fabelhaften und frevelhaften Lügen und auf den Ruinen unsinniger Meinungen in einen Abgrund gestürzt hatten, auch Andere hinein reißen; und um die Seelen besser zu verführen und zu töten, so lehrten sie das neue verwerfliche und verderbliche Dogma, daß Jesus Christus nur einen Scheinkörper gehabt habe, der nichts Wahres und Festes an sich hatte; und obwohl er sich in der Gestalt und in den Werken als Mensch gezeigt habe, so habe er doch nur ein scheinbares Fleisch und einen bloßen Schein von der Menschheit gehabt. Und um dieser gottlosen Lehre einen Anstrich von Religion und Frömmigkeit zu geben, so sagen sie, es scheine ihnen der göttlichen Größe unwürdig zu sein, zu glauben, daß der Sohn Gottes, der selbst Gott ist, in dem Leibe eines Weibes Mensch geworden sei, und daß er seine Majestät so sehr habe erniedrigen wollen, um sich mit dem menschlichen Fleisch zu vereinigen und mit einem Körper ganz von der Natur des Menschen geboren zu werden. Ach, sie haben nicht verstehen wollen, daß das große Werk der Menschwerdung kein Unrecht ist, daß sich Gott selbst getan hat, sondern ein Zug seiner Macht zum Heile Anderer; und daß dies kein Makel für seine Würde gewesen ist, die ihn erniedrigt, sondern ein Wunder seiner Herablassung, das ihn verherrlicht. Denn wenn das sichtbare Licht, so unrein auch die Orte sein mögen, durch welche es geht, keinen Schaden leidet; wenn die Strahlen der Sonne von dem Schmutz und dem Kot, worauf sie fallen, nicht im Mindesten angesteckt werden, was kann dann, so niedrig und gering es aus sei, je das ewige und unkörperliche Licht, das Wort Gottes entehren? Ja, als dies Wort Gottes die Natur des Menschen angenommen, den es nach seinem Bilde erschaffen hatte, so hat es sich dadurch so wenig eine Makel zugezogen, daß es ihr vielmehr seine Reinheit mitteilte; und es fand so das Mittel, die Wunden unseres Elends zu heilen, ohne die Herrlichkeit seiner Majestät im Mindesten einer Gefahr auszusetzen.

Die Magier sind Augenzeugen dieses Dogmas

Wisset ihr also, sagt ferner der heilige Leo in der angeführten Stelle, wisset ihr, warum Gott wollte, daß die Magier Jesum als ein Knäblein, aus dem Stamme Juda, aus dem Geschlecht Davids nach dem Fleische, als wahren Sohn Mariä, vom Weibe geboren, dem Gesetz unterworfen, das er gekommen war, nicht aufzuheben, sondern zu erfüllen, finden sollten? Wisset ihr, warum Gott gewollt hat, daß die Magier den Messias, klein an Körper, des mütterlichen Schutzes bedürftig, und unfähig, ein Wort zu sprechen, und in Allem der Kindheit anderer Menschen ähnlich und allen ihren Nöten unterworfen, mit eigenen Augen sehen und anbeten sollten? Wisset ihr, warum Gott gewollt hat, daß uns der Evangelist mit einer so großen Sorgfalt diese Umstände des Standes der Kleinheit und der Schwachheit erzähle, worin der Erlöser nach seiner Geburt von fremden Menschen gefunden und erkannt wurde? Um den künftigen Glauben der Völker an das Geheimnis der Menschwerdung recht zu befestigen; um zum Voraus die Irrtümer zu zerstören, die sich in den künftigen Jahrhunderten gegen dies Geheimnis erheben würden. Das heißt, Gott hat gewollt, daß die Magier Augenzeugen der Kindheit aus demselben Grunde seien, aus welchem er nach der Auferstehung Jesu Christi wollte, daß der heilige Apostel Thomas die Narben seiner Wunden mit der Hand berühre und bezeuge: nämlich zu unser aller Nutzen, die wir glauben, zum Beweise und zum Trost unseres Glaubens.

Die Magier glaubten an das Wunder der Demut Jesu

Bemerken wir jedoch mit demselben berühmten Lehrer, dem heiligen Leo auch, daß unser göttlicher Erlöser gewollt hat, daß alle seine Geheimnisse zugleich auch Heilmittel gegen unsern geistlichen Tod und eine Richtschnur unserer Sitten seien. Er ließ sich daher von den Magiern als Knäblein nicht bloß zur Befestigung unseres Glaubens, sondern auch zur Besserung unseres Lebens finden. Die Magier sahen also Jesum nicht in der Ausübung seiner göttlichen Macht, wie ihn später die Juden sahen, als er den Teufeln gebot, den Blinden das Gesicht gab, den Stummen die Sprache, den Lahmen den freien Gebrauch der Glieder, den Gestorbenen das Leben; sondern sie fanden ihn als Knäblein ohne Wort, schwach, den mütterlichen Sorgen überlassen. Wenn sie daher kein Zeichen seiner göttlichen Macht an ihm sahen, so nahmen sie doch ein Wunder von tiefer Demut wahr. So war der bloße Anblick seiner heiligen Kindheit, zu welcher sich der Gott, der Sohn Gottes ist, herab lassen und in welcher er sich zeigen wollte, eine wahre Predigt, gesehen mit den Augen und gehört von den Ohren des Herzens, in welcher er uns durch die Tat von den großen Wahrheiten unterrichtete, die er später mit den Worten verkündigte. Denn der ganze Sieg, womit unser Erlöser über den Teufel und die Welt triumphierte, ist durch die Demut erlangt worden. Er wollte seine kostbaren Tage unter der Verfolgung beginnen, die er dann unter der Verfolgung beschloß. Er wollte nicht, daß seiner Kindheit die Leiden der Erwachsenen fehlten, gleichwie er als Erwachsener die Sanftmut der Kinder zeigen wollte. Denn er wollte, obwohl eingeborener Sohn Gottes, seine einzige Majestät so weit erniedrigen, daß er als Mensch geboren, und sich in den Stand setzen, von den Menschen geschlachtet zu werden. Wenn daher der allmächtige Gott durch das Wunder seiner Demut unsere Sache gut werden ließ, welche verzweifelt und schlecht war, wenn er freiwillig alle Peinen übernahm, die ihm seine Verfolger bereiteten, und, gehorsam seinem Vater, mit der geduldigsten Sanftmut alle Rasereien der Grausamkeit ertrug, um unsern Tod und den Urheber desselben zu zerstören; mit einem Wort, wenn Jesus Christus so demütig und so geduldig zu Wohl Anderer gewesen ist, wie gebührend ist es dann nicht, daß auch wir geduldig und demütig zu unserm eigenen Wohl seien, um so mehr, als wir jegliches Leiden, das uns treffen kann, durch unsere Schuld verdient haben? –
aus: Joachim Ventura, Exgeneral der Theatiner, die Schönheiten des Glaubens oder: Das Glück, an Jesum Christum zu glauben und der wahren Kirche anzugehören. Eine Erklärung des Geheimnisses der Epiphanie des Herrn. Bd. 6, Dritter Teil, 1858, S. 215 – S. 223

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