Der heilige Joseph war gesetzlicher Vater Jesu
Matth. 1, 16. Jakob aber zeugte den Joseph, den Mann Mariä, von welcher geboren wurde Jesus, der genannt wird Christus.
Luk. 1, 26. Es war der Engel Gabriel von Gott gesandt… – 27. zu einer Jungfrau, die mit einem Manne vom Hause Davids verlobt war, welcher Joseph hieß.
Luk. 3, 23. Und Jesus war, als er anfing, ungefähr dreißig Jahre alt und wurde für einen Sohn Josephs gehalten.
Durch die Verlobung Marias tritt auch der hl. Joseph in die nächste Nähe des kommenden Messias, da auch er nach Gottes Weisheit notwendig zur Vorbereitung der Menschwerdung gehört.
1. Der Beruf des hl. Joseph
Der Beruf und die Stellung des hl. Joseph war es, gesetzlicher Vater des göttlichen Heilandes zu sein. Das ist seine eigentümliche Aufgabe und sein höchster Ehrentitel.
Daß der hl. Joseph gesetzlicher Vater des Heilandes sei, war wie notwendig so auch genügend. Es war notwendig, damit der Heiland wenigstens einen gesetzlichen Vater hier auf Erden und durch ihn ein ehrenhaftes, gesetzliches Dasein habe; es genügte aber auch, weil diese Art von Vaterschaft von dem Gesetz anerkannt war und sie dem hl. Joseph alle Rechte und Vorzüge eines Vaters gab und einräumte sowohl innerhalb als außerhalb der Familie, und zwar in einem höheren Grade, als dieses eine bloße Adoptiv-Vaterschaft getan hätte. – Mehr als eine gesetzliche Vaterschaft durfte die des hl. Joseph aber auch nicht sein, denn es war ja prophezeit, daß die Empfängnis des Heilandes eine jungfräuliche sein sollte (Is. 7, 14), und eine andere schickte sich nicht für den Sohn Gottes. Er hatte seinen natürlichen Vater im Himmel und konnte keinen zweiter Vater hier auf Erden haben. Die zeitliche Zeugung des Sohnes Gottes sollte ein reines Abbild seiner ewigen Zeugung im Himmel sein.
Diese gesetzliche Vaterschaft des hl. Joseph war aber ein hohes und herrliches Amt. In Bezug auf den himmlischen Vater betrachtet, war der hl. Joseph dessen Stellvertreter, und zwar der Würde, dem Ansehen, der Macht wie der Reinheit, Heiligkeit und Liebe nach, also ein zugleich erhabenes und liebliches Abbild des himmlischen Vaters. – Bezüglich des göttlichen Heilandes und der Mutter Gottes machte diese Würde den hl. Joseph zu deren Haupt, Pfleger und Sorger und sicherte ihm deren Gehorsam, Ehrfurcht und Liebe. Dieses Amt erhob ihn über alle andern Ordnungen von Beruf und Stand und räumte ihm in der Ordnung der hypostatischen Vereinigung den ersten Platz nach der Mutter Gottes ein. Seine Stellung bewegte sich ausschließlich um die Person des göttlichen Heilandes. Der himmlische Vater sah ihn auch stets als stellvertretendes Haupt bei der heiligen Familie an und ließ Befehle und Weisungen stets an ihn ergehen. (Matth. 1, 20; 2, 13. 22). – In Beziehung auf den hl. Joseph selbst brachte diese gesetzliche Vaterschaft ebenfalls große Vorteile. Sie sicherte ihm den Vorzug der Reinheit und Jungfräulichkeit; sie verursachte ihm viel Mühe und Ungemach; sie bot ihm die herrlichsten Vorteile für das tätige und beschauliche Leben in der Sorge um seine Familie und in dem innigen, vertrauten Umgang mit Jesus und Maria. Endlich gehörte es zur Aufgabe des hl. Joseph, durch seine gesetzliche Vaterschaft wenigstens für eine Zeitlang die Gottheit Christi und den Glanz der göttlichen Vaterschaft zu verbergen, und das brachte ihm den Vorteil, in Demut, Verborgenheit und Selbstlosigkeit dem Heiland und seinem Reiche zu dienen. So war also der Beruf des hl. Joseph nach allen Seiten hin ein herrlicher und wundervoller. (siehe auch den Beitrag: Heiliger Joseph Nährvater Jesu Christi)
2. Eigenschaften zu diesem Beruf
Diese Eigenschaften waren vornehmlich drei.
Erstens musste der hl. Joseph als gesetzlicher Vater aus der Familie Davids sein. Der Heiland war ja als Sohn Davids prophezeit, und allein dadurch konnte sich dieser gesetzlich ausweisen als solchen, wenn der Vater dieser Familie angehörte. Daß es aber so war, beweisen die beiden Stammbäume der heiligen Matthäus und Lukas (Matth. 1, 16; Luk. 1, 27; 3, 23). Weil Joseph aus Bethlehem und der Familie Davids war, musste er nach Bethlehem zur Volkszählung (Luk. 2, 4. 5). Auch der Engel nennt ihn Sohn Davids (Matth. 1, 20). Ja, er war der Sohn Davids und war der glückliche Erbe aller Segnungen und Herrlichkeiten des Hauses David und des ganzen Bundes. Der prophetische Geist des Alten Bundes geht in ihm zum Schauen über; sein Amt ist ein höchst priesterliches, weil es sich ganz um die Person Jesu bewegte, und wenn auch sein ehemaliges Königreich an andere übergegangen war, sein Wort gebietet über den König der Könige und über die Königin des Himmels und der Erde.
Zweitens musste der hl. Joseph der Bräutigam und Gemahl Marias, mit ihr also wirklich verlobt sein. Nur so konnte er dem Heiland gesetzlicher Vater werden. In dieser Voraussetzung aber ist er wirklich gesetzlicher Vater Jesu. War Maria seine verlobte Braut, dann waren sie nach dem Ausdruck der Schrift ein Fleisch, und was aus Maria geboren wurde, gehörte ihm von Rechts wegen als Vater an. Deswegen fügte es Gott, daß die Verlobung stattfand vor der Empfängnis des Heilandes (Matth. 1, 18; Luk. 1, 27). Diese Verlobung war aber nach der damaligen Sitte soviel als eine Trauung und Heirat (Deut. 22, 23f), und somit war der Heiland mehr Josephs Sohn als der aus einer Leviratsehe geborene (Deut. 25, 5. 6) Sohn seines verstorbenen gesetzlichen Vaters. Die Verlobung Marias mit Josephs war also eine wahre Ehe und Joseph somit der Vater des Heilandes. So nennen ihn nicht bloß die Juden (Luk. 3, 23; Joh. 6, 42; Matth. 13, 55; Mark. 6, 3), sondern auch Maria selbst (Luk. 2, 48). Wie viel verdankte also der Heiland dem hl. Joseph nur von dieser Seite aus! Auch der Heiland wollte also im Schatten der Ehe empfangen werden und aufwachsen. Er wollte eben auch dadurch die Ehe, die er gestiftet und zur Quelle alles Lebens gemacht, ehren und heiligen.
Die dritte Eigenschaft des hl. Joseph zu seinem Beruf als gesetzlicher Vater Jesu war die Heiligkeit. Wie groß seine Heiligkeit gewesen sein muss, läßt sich schon aus seinem Amt schließen, das alles an Erhabenheit übertraf. Es gehörte ja zu den Anordnungen der Vorsehung, an die Spitze der heiligen Familie einen Mann zu setzen, der ihr an Heiligkeit einigermaßen gleich stand. Schon bevor Joseph Maria zu sich nahm, nennt ihn die Schrift einen „gerechten“ heiligen Mann (Matth. 1, 19), und seine Mäßigung bei dem argen Bedenken über die Reinheit Marias gezeigt, daß er es in der Tat war. Was mag er nun später an Früchten der Heiligkeit gewonnen haben durch den Umgang mit Jesus und Maria, durch seine Sorgen und Mühen um sie und durch die dankbar Liebe von ihrer Seite! Wenn ein Becher Wasser, im Namen Christi gereicht, des Lohnes nicht entbehrt (Matth. 10, 42), um wie viel mehr Lohn werden ihm die Liebeserzeigungen, die er Jesus und Maria selbst und so lange erwies, erworben haben! Wie herrlich überstrahlt er durch den Geist des Glaubens, des Gehorsams, der Reinheit und Geduld seine Ahnen, die von Salomon ab bis zum Exil mit wenigen Ausnahmen der Glaubenslosigkeit und Verderbtheit verfallen waren!
3. Erfüllung des Berufes
Wie kam nun in der Tat der hl. Joseph seinem Berufe nach?
Erstens mit großer Geschicklichkeit. Wie sein Vorbild, Joseph von Ägypten, war er ein Mann, dem alles glückte (Gen. 39, 2). Die Ursache dieses Gelingens war sicher nichts anderes als die Demut, die Frömmigkeit und Lenksamkeit des hl. Joseph gegen den göttlichen Willen.
Ferner lag er seinem Berufe mit großer Treue und Selbstlosigkeit ob. Er ist und bleibt der Heilige der Kindheit Jesu, und diese Kindheit brachte ihm viel Arbeit, Mühe und Verfolgung und wenig Ehre von den Menschen. Er musste das große Geheimnis der Allmacht verbergen, und kein Strahl der späteren Herrlichkeit des öffentlichen Lebens Jesu hellte sein stilles und demütiges Leben auf.
Endlich diente er seinem Beruf mit übergroßer Liebe. Wir haben keinen Begriff, wie groß die Liebe im Herzen des hl. Joseph zu Jesus und Maria war. Gewiß teilte ihm der himmlische Vater, dessen Stellvertreter er war, von seiner Liebe zu seinem Sohne und zu Maria mit, und es ist eine sehr annehmbare Ansicht der geistlichen Schriftsteller, daß es die Gewalt dieser Liebe war, die endlich das Leben des hl. Joseph verzehrte.
So erscheint der hl. Joseph in dem Leben des Heilandes. Wir müssen ihm vor allem danken für dieses schöne Beispiel der Berufstreue, für alle Verdienste um den Heiland, die Mutter Gottes und das ganze Reich Christi. – Wir müssen ihn zweitens ehren wegen der hohen Würde, die er bekleidet, wegen der herrlichen Gnadenschätze und Tugenden, die ihm zu Teil geworden, und wegen der Macht, über die er nun verfügt. Gott hat ihn belohnt für seine Selbstlosigkeit, Demut und Verborgenheit während seines irdischen Lebens, indem er ihn jetzt zum Schutzherrn der ganzen Kirche erhoben und all sein Reich in seine Gewalt gegeben hat. Auch darin kommt er dem Vorbild, dem ägyptischen Joseph, nach und übertrifft es. –
Endlich müssen wir Vertrauen auf den hl. Joseph setzen. Alles an ihm ermuntert zum Vertrauen. Es ist der Ausdruck der liebenswürdigsten Väterlichkeit. Vater sein war seine Aufgabe. Der liebe Heiland und die Mutter Gottes sollten an ihm einen Vater haben. Seine Tugenden sind die eines Vaters: Ruhe, Überlegung, Treue, Selbstlosigkeit und Liebe. Und Vater sein der Kirche und aller Welt, das ist jetzt seine Belohnung. Deshalb können wir mit Zuversicht unsere zeitlichen und ewigen Angelegenheiten in seine Hand legen. Was er in seine Hand nimmt, das segnet Gott und ist geborgen. Sprechen wir also mit dem Kirchengebet: Sanctissimae Genitricis tuae Sponsi quaesumus, Domine, meritis adiuvemur, ut quod possibilitas nostra non obtinet, eius nobis intercessione donetur. –
aus: Moritz Meschler SJ, Das Leben unseres Herrn Jesu Christi des Sohnes Gottes, Bd. 1, 1912, S. 63 – S. 67